Tod einer Andentaube – Sabrina Železný

  • Die Tochter des Vorstehers eines Bergdorfs in den Anden wird tot aufgefunden. Sie war als Gabe für die Götter ausgewählt, was den örtlichen Priester auf den Plan ruft. Es geht schließlich nicht an, die Götter zu verärgern.
    Die Menschen im Dorf tun sich leichter, sie haben den Schuldigen bald ausgemacht: einen Gesandten des fernen Inka, der ins Dorf kam, um eben dieses Mädchen als Braut für den Inka zu holen. Beweisen kann man ihm den Mord aber nicht. Amaru, der Priester, muß sich gegen seinen Willen daran machen, das Rätsel zu lösen und stößt auf ein Gewirr aus Liebesgeschichten, politischen Verwicklungen und Eigensucht.


    Der Schauplatz dieser Kriminalerzählung, denn mehr ist es nicht, was dieses kleine Bändchen von nicht einmal sechzig Seiten enthält, ist ungewöhnlich, die gewählte Epoche auch. Das Dorf liegt in Südperu, im Colcatal, die Epoche ist das späte 13. Jahrhundert. Die Schwierigkeiten in der Handlung ergeben sich aus dem Nebeneinanderleben zweier verschiedener Bevölkerungsgruppen und der Bedrohung durch die Eroberungszüge des Inka. Über all das informiert ein Nachwort.


    Als Leserin ist man gleich mitten in der Handlung, fremde Namen und fremde Ausdrücke fließen von Anfang an in den Text, fremdartige Denkweisen werden sorgfältig dazu aufgebaut. Die Autorin skizziert den damaligen Alltag mit knappen Strichen, konzentriert sich auf wenigen, geschickt ausgewählte Gegenstände des täglichen Lebens und schafft damit einen überzeugenden Hintergrund, vor dem ihre Figuren agieren. Diese sind höchst lebendig gezeichnet, allen voran der mürrische Priester, sein geduldiges Alpaka und der beschuldigte Gesandte, der seine liebe Not hat mit dem primitiven Dorfleben.


    Gelungen ist auch der Kriminalfall, die Ablenkungsmanöver, die sich kreuzenden Interessen und die wechselnden Verdächtigen. Auch wenn man bald ahnt, wer hinter dem Mord steckt, ist das Motiv nicht unbedingt klar und die eigentliche Mordwaffe auch nicht. Mitraten macht hier Spaß.


    Die besondere Leistung ist aber nicht die gelungene Darstellung einer recht fremden Welt, sondern der Versuch, neben der vertrauten eine ganz andere Weltsicht zu vermitteln. Das ist die eigentliche Überraschung, die diese sehr originelle Kriminalgeschichte vermittelt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus