Marilynne Robinson: Lila

  • Marilynne Robinson: Lila
    S. FISCHER 2015. 288 Seiten
    ISBN-13: 978-3100024305. 21,99€
    Originaltitel: Lila
    Übersetzerin: Uda Strätling


    Verlagstext
    Unbestritten gilt Marilynne Robinson als eine der größten Schriftstellerinnen ihres Landes. Ihre Bücher gelten als Klassiker, deren Helden unvergesslich und deren Empathie eine Tiefe erreichen, die wie aus der Welt gefallen scheint.
    Lila ist ein Findelkind, das von einer Landstreicherin und Überlebenskünstlerin aufgegriffen wird. Als ungleiche Geschwister ziehen sie durch Amerikas harte Jahre, als Dürre und Hunger das Leben zeichnen. Bis eines Tages Lila im Regen unerwartet ein Dach über dem Kopf findet. Und mehr als das - nach Jahren der Entbehrung wird sie mit der Sorge und Zartheit eines Mannes konfrontiert, der ihr Leben und alles, was sie bisher erfahren hat, auf den Kopf stellen wird.


    Die Autorin
    Marilynne Robinson, geboren 1943, ist eine preisgekrönte ameri-kanische Autorin und Essayistin. Ihr Roman „Housekeeping“ (1980) wurde mit dem PEN Award ausgezeichnet, „Gilead“ (2004) mit dem Pulitzer Prize (Fiction) und dem National Book Critics Circle Award. „Home“ (2008) erhielt den Orange Prize for Fiction. Ihr neuer Roman „Lila“ (2014) bildet den Abschluss der Trilogie, war »New York Times«-Bestseller, wurde mit dem National Book Critics Circle Award 2015 ausgezeichnet und für den Man Booker Prize 2015 nominiert. Marilynne Robinson lebt in Iowa und lehrt am Writers‘ Workshop der University of Iowa.


    Trilogie
    Reihenfolge des Erscheinens: Gilead, Home, Lila
    Zeitliche Reihenfolge der Handlung: Lila, zeitlich etwa parallel Gilead und Home
    Home kann als Band 2 der Gilead-Serie gesehen werden, aber auch als Einzelband mit Fokus auf eine weitere Person.


    Artikel im Guardian zu den religösen, historischen und literarischen Bezügen


    Inhalt
    Als die Wanderarbeiterin Doll das verschüchterte kleine Mädchen auf ihre Hüfte hob und mit ihm davonging, ließ die Kleine ihren gesamten Besitz auf der Terrasse eines heruntergekommenen Hauses zurück: ihre Puppe aus einer Kastanie und einem Stück Stoff. Das Kind ist krank, verschüchtert und vernachlässigt. Obwohl sie selbst auf der Straße lebt, versorgt Doll die Kleine liebevoll. Selbst darüber, wie sie Lila den Schulbesuch ermöglichen kann, hat Doll nachgedacht. Sie und das zunächst noch namenlose Mädchen fühlen sich wie die beiden einsamsten Menschen der Welt. Wanderarbeiter wie Doll ziehen in Gruppen durchs Land auf der Suche nach Tagelöhner-Arbeit auf Farmen und in Privathäusern. Um beim Leben auf der Straße Schutz für sich und das Findelkind zu finden, schließt Doll sich einer Gruppe von Wanderarbeitern mit ihrem Anführer Douane an. Acht Jahre lang ziehen Doll und Lila mit Douanes Leuten durchs Land. Doch viele Farmer müssen aufgrund der Dürre aufgeben und können keine Tagelöhner mehr beschäftigen.


    Die Handlung spielt in den USA in den 20ern des letzten Jahrhunderts während der Wirtschaftskrise und einer katastrophalen Dürreperiode. Ereignisse der Gegenwart und Lilas Erinnerungen auf zwei verschiedenen Zeitebenen wechseln sich ab. Heute ist Lila erwachsen und erinnert sich ohne Groll an ihre Kindheit. Sie lebt zu Beginn der 50er Jahre zusammen mit John Ames, dem Prediger, der in „Gilead“ als 75-Jähriger als Vermächtnis für seinen kleinen Sohn Rechenschaft über sein Leben ablegt. Der Ort Gilead in Iowa steht für die vergessene Geschichte des mittleren Westens der USA. Lila erwartet John Ames Kind, aber sie ist sich noch lange nicht klar darüber, ob sie bleiben oder weiterziehen wird. Sie spürt die Verpflichtung, ihrem Kind einmal alles über den Vater zu erzählen und damit Wissen mitzugeben, das in ihrem Leben fehlt. Johns erste Frau, sein Kind und seine im Kindesalter verstorbenen Geschwister liegen in Gilead begraben. Indem sie sich um die Gräber der Ames und um Johns Garten kümmerte, hat Lila das Herz des betagten Predigers erobert. Dennoch kann Ames nicht sicher sein, ob sie und das erwartete Kind bei ihm bleiben werden. Das Mädchen von der Straße und der Geistliche sprechen völlig konträre Sprachen und können einander deshalb nur schwer einschätzen. Wenn man weiß, wann gesät und geerntet wird und dass in den Häusern am Montag Waschtag ist, wozu braucht man noch die Religion des alten Mannes, fragt Lila sich. Für ein Leben als Pfarrersfrau hat Lila auf der Straße nichts gelernt. Ames bemüht sich, ihr alle Freiheiten zu lassen, doch die Damen der Gemeinde beginnen, Lila ihren Vorstellungen von einer Pfarrersfrau anzupassen. Wie kann Lila zu sich selbst finden, wenn sie und das Kind Besitz der Gemeinde sind? Lila taktiert sehr genau, welches Wissen über ihr Leben sie öffentlich macht und welchen Teil sie für sich behält.


    Fazit
    Aus Gilead habe hatte ich bereits eine konkrete Vorstellung von John Ames und seiner Beziehung zu Lila, da das Buch den Focus auf John legt. Die Handlung beider Romane fügt sich nun zu einem Gesamtbild zusammen. In diesen beiden Bänden der Gilead-Reihe findet der entscheidende Teil der Geschichte im Kopf des Lesers statt. Selten habe ich so lange über das nachgedacht, was in einem Roman nicht ausgesprochen wird. Was ist vor Lilas Zusammentreffen mit Doll passiert? Woher wusste Doll instinktiv, was ein kleines Kind brauchte? Kann ein Kind wie Lila die Defizite aus seinen ersten Lebensjahren je wieder aufholen? Wie ein Positiv aus einem Negativ entstehen würde, so stellt Marilynne Robinson grundlegende menschliche Bedürfnisse nach Nähe und Sicherheit den Folgen gegenüber, wenn diese Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden. Unabhängig von der literarischen oder spirituellen Bedeutung des Buches wird hier allein auf der Ebene der Einfühlung in die Figuren in origineller, in die Zeit der Handlung passender Sprache von zwei ungewöhnlichen Menschen erzählt.


    9 von 10 Punkten

  • Hallo Buzzaldrin,
    das geht problemlos. Schwierig finde ich immer, mir vorzustellen, was wäre, wenn ich die Bücher in anderer Reihenfolge gelesen hätte? Mich erinnert diese Struktur an Thomes "Gegenspiel" und "Fliehkräfte", seine beiden Romane haben mehr Überschneidungen als Gilead und Lila. Auch bei Robinson gibt es in beiden Bänden offene Fragen, die der jeweils andere Band beantwortet.

  • Das Buch wurde jetzt im "Literaturclub" (3sat bzw. SRF) besprochen und ist dort vorwiegend gut angekommen.


    Ich las es vor einigen Monaten und war sehr angetan. Die Geschichte lässt einen nicht kalt. Manchmal war es mir fast zu düster, aber die Autorin konnte mich mit ihrer Sprache immer bei der Stange halten.


    Nicola Steiner vom "Literaturclub" sagte, dass es in dem Buch um Güte geht, und dem kann ich zustimmen. So schwer das Leben für die Figuren in dem Buch sein mag, immer wieder taucht sie auf, die unverhoffte Güte, durch einen fremden Menschen noch dazu, und das ist das Hoffnungsvolle an dem Buch. Lila wird als Kind von der fremden Doll gerettet, Doll und der Pfarrer retten sich quasi gegenseitig und Doll gibt die Güte, die sie erfahren hat, an einen fremden Landstreicher weiter (der ihr allerdings nur äußerlich fremd ist, denn auf Grund seiner Lebensweise fühlt sie sich ihm nahe).


    Die Sendung ist noch in der 3-Sat Mediathek verfügbar (Sendedatum war der 17.01.16). Elke Heidenreich gehörte auch zu den Gästen.

  • Lila – Marilynne Robinson


    Fischer Taschenbuch, 2016
    288 Seiten


    Mein Eindruck:
    Ich habe die Taschenbuchausgabe gelesen. Es ist ein sehr ruhiges Buch, für das man manchmal Geduld braucht, das es aber Wert ist. Aus der bedächtigen Erzählweise schöpft der Roman seine Kraft.
    Erzählt wird das Leben von Lila, die früh Waise wurde, ab den zwanziger Jahren in den USA. Eine Wanderarbeiterin nimmt sie schließlich als kleines Kind einfach mit. Ein unstetes Leben, bei denen sie nie lange an einem Ort verweilen.
    Als Lila erwachsen ist, kommt es wegen einer Gewalttat zur Trennung und Lila ist auf sich alleine gestellt. Sie bleibt schließlich in der Kleinstadt Gilead, in der Marilynne Robinson auch andere Romane angesiedelt hat. Lila lernt einen älteren, gütigen Mann kennen und da sie schwanger ist, heiratet sie ihn.
    Das Leben in Gilead verändert Lila und sie lernt Vertrauen zu haben.
    Ein guter Roman, wenn auch sehr unspektakulär, aber realistisch und glaubwürdig.
    Bei Gelegenheit werde ich auch noch andere Romane der Autorin lesen.


    Marilynne Robinson ist in Deutschland keine sehr bekannte Autorin, obwohl sie in den USA sehr anerkannt und preisgekrönt ist. Auch Lila gewann schon einen wichtigen Literaturpreis, den National Book Critical Circle Award.