Schizo: Traue niemandem. Nicht einmal dir selbst - Nic Sheff [ab 14 Jahren]

  • "Aber ich bin sicher, dass das Geräusch nicht echt ist. Es ist Teil meiner Krankheit - nichts anderes als kaputte Synapsen und fehlgezündete chemische Reaktionen."


    Vor zwei Jahren hatte Miles seinen ersten schizophrenen Anfall. Währenddessen verschwand sein Bruder. Ein Ereignis, das sein Leben aufs drastischste veränderte. Seine Familie ist unglücklich und Miles noch viel mehr. Sein Alltag ist belastet von Krankheit und dem dringenden Wunsch alles zu tun, um seinen kleinen Bruder Teddy wiederzufinden.


    "'Also, ähm,' sage ich, 'was machst du hier? Du wirkst nicht so verrückt wie die anderen.'
    Er lächelt schüchtern. 'Ich f-f-funktioniere nicht in der e-e-echten Welt.'
    'Tja. Ich auch nicht.'"


    Miles bewegt sich zwischen Realität und Wahnvorstellungen, letztere werden für ihn zur Wirklichkeit. Typisch für die Krankheit der Schizophrenie, zu deren Krankheitsbild u.a. Störungen in Wahrnehmung und Denken gehören. Der Leser dringt so in Miles Geschichte ein, dass auch für ihn nicht wirklich differenzierbar ist, welches Erlebnis wo einzuordnen ist. Dadurch baut der Autor Nic Sheff, der eine Drogenvergangenheit hinter sich hat und selbst unter psychischen Erkrankungen im Teenageralter litt, eine extreme Spannung auf. Die wenigen Seiten des Romans habe ich geradezu verschlungen.


    "Meine ganze Familie ist in einer Art Dauerspannung gefangen."


    Mir hat am Roman besonders gut gefallen, dass Miles Schwierigkeiten mit der Krankheit im Alltag umzugehen, so eingängig dargestellt werden. Angst ist sein ständiger Begleiter. Angst davor, dass die Krankheit schlimmer wird, dass es zu akuten Ausbrüchen kommt, mit denen er sich vor seinen Alterskameraden blamiert, und die Sorge, dass die Krankheit die finanziellen Möglichkeiten der Familie zu sehr ausschöpft. Gerne möchte er sich wie ein normaler Teenager verhalten. Vor allem, seit Eliza, seine Freundin aus Kindertagen, seine Jugendliebe, zurückgekehrt ist. Doch das ist alles nicht so einfach, wenn man nicht einmal einschätzen kann, ob das, was man gerade erlebt, überhaupt real ist.


    "'Mein Therapeut', platze ich heraus, 'redet immer davon, dass Sensibilität wie eine Gaußsche Verteilungskurve ist - du weißt schon, was wir in Mathe gelernt haben. Auf der einen Seite ist jemand so sensibel, dass er auf der Welt nicht funktionieren kann. Auf der anderen Seite ist ein totaler Soziopath, Mörder, was auch immer, der gar nichts fühlt. Die meisten Leute sind in der Mitte - oder irgendwo in der Nähe davon. Aber ich war immer näher an der So-verdammt-sensibel-dass-ich-kaum-funktioniere-Seite. Und du...du machst dir auch viele Gedanken.'"


    "Nic Sheff möchte darlegen, was Schizophrenie im Teenageralter bedeutet, in dieser ohnehin schon fragilen Lebensphase." (Quelle: Fischer) Das ist ihm eindeutig gelungen. Ich denke, dass jeder Leser - egal, ob er schon mal in irgendeiner Form mit dem Thema psychische Erkrankungen konfrontiert wurde oder nicht - einen kleinen Einblick bekommt, was es bedeutet mit einer psychischen Krankheit zu leben. Verpackt in eine fesselnde Story, hat Nic Sheff einen Debütroman entworfen, der ganz viele eigene Erfahrung enthält und dem Leser damit auf teils brutal realistische Art und Weise eine bewegende Geschichte vor die Füße wirft, die definitiv zum Nachdenken anregt und im besten Falle für ein klein wenig mehr Verständnis sorgt.