Bov Bjerg - Auerhaus

  • Über den Autor
    Bov Bjerg, geboren 1965, Studium in Berlin, Amsterdam und am deutschen Literaturinstitut in Leipzig: Linguistik, Politik, Literatur. Er lebt heute in Berlin. Er gründete mehrere Lesebühnen, u.a. Dr. Seltsams Frühshoppen, Mittwochsfazit, Reformbühne Heim und Welt. Arbeitete als Schauspieler und Autor beim Kabarett und schrieb für verschiedene Zeitungen. Die Kurzgeschichte „Howyadoin“ erhielt 2004 den MDR-Literaturpreis. 2008 erschien sein Debütroman „Deadline“ im Mitteldeutschen Verlag.


    Kurzbeschreibung
    Sechs Freunde und ein Versprechen: Ihr Leben soll nicht in Ordnern mit der Aufschrift Birth - School - Work - Death abgeheftet werden. Deshalb ziehen sie gemeinsam ins Auerhaus. Eine Schüler-WG auf dem Dorf - unerhört. Aber sie wollen nicht nur ihr Leben retten, sondern vor allem das ihres besten Freundes Frieder. Denn der ist sich nicht so sicher, warum er überhaupt leben soll.


    Bov Bjerg erzählt mitreißend und einfühlsam von Liebe, Freundschaft und sechs Idealisten, deren Einfallsreichtum nichts weniger ist als Notwehr gegen das Vorgefundene. Denn ihr Ringen um das Glück ist auch ein Kampf um Leben und Tod.


    Meine Rezension
    In diesem Buch geht es um Frieder, der nach einem mißglückten Selbstmordversuch in das Haus seines Großvaters zieht. Sein bester Freund zieht mit ein, um ein Auge auf ihn zu haben und nach und nach füllt sich das Haus mit weiteren jugendlichen Mitbewohnern. Sie nennen das Haus "Auerhaus", nach dem Madness-Song "Our House".


    Das Leben der Protagonisten in ihrer jungen Dorf-WG habe ich mit einem amüsierten Kopfschütteln begleitet: wie es sein kann, daß so junge Menschen "einfach so" zusammenleben dürfen. Wie sie sich durch ihren Alltag und ihr Leben wursteln. Wie sie sich finanzieren. Daß sie - obwohl noch nicht volljährig - scheinbar ganz allein (gelassen?) vor sich hinwursteln dürfen. Vieles erscheint mir nicht real, passt aber irgendwie ins Bild. Es ist ein Jugendroman übers Erwachsenwerden, aber einer ohne Kitsch und Zuckerguß.


    Ich habe das Buch gerne gelesen, es läßt sich gut und kurzweilig wegschmökern, aber mit dem letzten Drittel konnte ich mich nicht so recht anfreunden. Einige Geschehnisse,



    fand ich teils recht gewollt konstruiert, diese Passagen konnten mich nicht so recht überzeugen.


    Interessant fand ich dagegen das Ende mit der "alternativen" Variante. Das eine Ende hätte mir besser gefallen... das andere ist realistischer und authentischer.


    Ein Buch, das ich gut und interessant finde, dennoch aber kein zweites Mal lesen würde.


    Ich würde hier solide 8 Punkte auf der 10-Punkte-Eulen-Skala vergeben.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Frieder hat einen Suizidversuch hinter sich. Tabletten. Misslungen, aber weder aus Frieders Kopf verdrängt, noch aus denen seiner Freunde und seines Umfelds. Nach seinem Aufenthalt im "Schwarzen Holz" darf er wegen der Angst, die nun alle um ihn haben, in ein eigenes Haus ziehen. Das Auerhaus. Eine WG gründen mit seinen Freunden oder was immer die anderen fünf für ihn sind. Aber hilft das Frieder wirklich wieder einen Sinn in seinem Leben zu finden? Und hat man mit 18, kurz vor dem Abi / mitten in der Ausbildung / der Findungsphase des Lebens überhaupt eine Ahnung vom Sinn des Lebens und wo man ihn suchen muss?


    "Sie wurde nicht mal achtzehn. Nicht achtzehn zu werden, war scheiße. Wenn man nicht achtzehn wurde, war alles umsonst."


    Erzählt wird der Roman aus der Ich-Perspektive. Der Jugendliche, der die Erzählung übernimmt, wird nicht mit Namen genannt, scheint aber ein wirklicher Freund Frieders zu sein. Einer, den Frieders Schicksal wirklich berührt, der sich Sorgen macht und so auch sein eigenes Leben in Frage stellt. Bei den anderen vieren ist das nicht so sicher. Cäcilia möchte schon etwas erreichen. Erfolgreich sein und das Ansehen ihres Umfeldes genießen.


    "Frieder sprach jetzt immer von Freitod. Ich hatte nicht das Gefühl, dass Frieder besonders frei war, als er die Tabletten geschluckt hatte. Wenn alles auf die eine Entscheidung rauslief, wo war da die Freiheit?"


    Die anderen befinden sich sehr auf der Sinnsuche, die dieser Generation häufig zu eigen ist. Egal, in welchem Jahrzehnt wir uns befinden - auch das deutet der Autor nur an (wer sich mit Musik auskennt, errät es schnell). Das Gefühl, mit dem Frieder und die Bewohner des Auerhauses zu kämpfen haben, ist auf eben diese Generation in fast jedem Jahrzehnt transportabel. Dieses herum schwimmen zwischen Jugendlich sein, von Eltern oder Erwachsenen behütet, und selbst Erwachsen werden, Verantwortung für sich selbst übernehmen. Nicht wissen, wo man ist. Nicht wissen, wo es hingehen soll. Keinen Plan davon, was man will, aber genau wissen, was man nicht will. Spießig sein. Das Leben der Eltern nachleben. Zu dem Einheitsbrei werden, den man täglich vorgelebt bekommt. "Birth - School - Work - Death."


    Es ist die Zeit des Ausprobierens. Die Zeit in der man auch mal vom rechten Weg abkommt. Alles Mögliche erprobt. Freundschaften, Liebe, Sex, Drugs, Rock'n'Roll. Weniger auf die coole, als vielmehr auf die melancholische Weise, denn eigentlich ist es ernst. Findet man nicht den Weg, der zu einem passt, ist man möglicherweise den Rest seines Lebens unglücklich. Ein hoher Berg, den es zu überwinden gilt. Für manche zu hoch.


    "Frieder sagte: 'Ich wollte mich nicht umbringen. Ich wollte bloß nicht mehr leben. Ich glaube, das ist ein Unterschied.' "


    Bov Bjergs "Auerhaus" ist das interessante Porträt einer Generation. Von Robert Stadlober wird der Roman mit einem Song verglichen. Ein Vergleich, den ich ganz passend finde, denn der Wiedererkennungswert, das aufkommen lassen einer längst vergessenen Stimmung, diese Eigenschaften eines Songs, hat auch "Auerhaus". Und damit eröffnet es auch die Möglichkeit von verschiedenen Lesern verschieden gelesen, verschieden empfunden zu werden. Und damit eröffnet es mir die Möglichkeit zu sagen: gute Leistung, Herr Bjerg!

  • Sechs Jugendliche in den 80er Jahren ziehen zusammen in das Auerhaus, ein Bauernhaus, welches Frieders Eltern zur Verfügung stellen. Vorgeblich wollen sie sich um Frieder kümmern, der einen Selbstmordversuch unternommen hat. Aber sie wollen auch ihren Platz im Leben finden und sich eine Welt schaffen, die nicht viel mit dem zu tun hat, was um sie herum Realität ist. Diese Wohngemeinschaft wird von der Dorfbewohnern natürlich skeptisch beäugt.
    Die Geschichte ist aus der Sicht Höppners erzählt. Egal ob Frieder, Harry, Pauline, Vera, Cäcilia oder Höppner, jeder von ihnen ist recht speziell. Im Wesentlich jedoch geht es um Frieder und Höppner. Die Jugendlichen haben ein recht distanziertes Verhältnis zu ihren Eltern. Sie haben ihre Träume und Vorstellungen vom Leben und hoffen, dass sich diese erfüllen.
    Der Schreibstil ist knapp und direkt und konnte mich nicht ansprechen. Die ganze Geschichte wird ziemlich emotionslos beschrieben und steckt doch voller Melancholie. Die Charaktere sind authentisch geschildert und doch konnte ich ihre Beweggründe nicht nachvollziehen.
    Das Ende passt zu dieser Geschichte, denn ein Happy End wäre fehl am Platze gewesen.
    Ein ungewöhnlicher und authentischer Roman, mit dem ich dennoch nicht warm wurde.

  • Titel: Auerhaus
    Autor: Bov Bjerg
    Verlag: Blumenbar
    Erschienen: Juli 2015
    Seitenzahl: 240
    ISBN-10: 3351050232
    ISBN-13: 978-3351050238
    Preis: 18.00 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Sechs Freunde und ein Versprechen: Ihr Leben soll nicht in Ordnern mit der Aufschrift Birth - School - Work - Death abgeheftet werden. Deshalb ziehen sie gemeinsam ins Auerhaus. Eine Schüler-WG auf dem Dorf - unerhört. Aber sie wollen nicht nur ihr Leben retten, sondern vor allem das ihres besten Freundes Frieder. Denn der ist sich nicht so sicher, warum er überhaupt leben soll.


    Der Autor:
    Bov Bjerg, geboren 1965, Studium in Berlin, Amsterdam und am deutschen Literaturinstitut in Leipzig: Linguistik, Politik, Literatur. Er lebt heute in Berlin. Er gründete mehrere Lesebühnen, u.a. Dr. Seltsams Frühshoppen, Mittwochsfazit, Reformbühne Heim und Welt. Arbeitete als Schauspieler und Autor beim Kabarett und schrieb für verschiedene Zeitungen.


    Meine Meinung:
    Ein Buch, geschrieben in der Sprache der Jugend, geeignet aber für jedes Alter. Ein Buch zum Erinnern an die eigene Jugend – an die einstigen Gedanken und Visionen. Bob Bjerg beschreibt junge Menschen auf der Suche nach ihrem Platz im Leben – so es denn für sie überhaupt einen Platz gibt.
    Der Roman ist von einer leisen Melancholie und Schwermut getragen – aber er ist nicht depressiv. Jugend ist eben nicht immer unbeschwert und sorglos – Jugend ist auch sehr oft eine schwere Last, die von eben jungen Menschen getragen werden muss – ob sie nun wollen oder nicht; nicht jeder schafft es, mancher scheitert.
    Dieser Buch macht aber auch deutlich, dass man die Zeit seiner Jugend nutzen soll – wofür auch immer; nur vergeuden sollte man diese wichtige Zeit nicht. Denn wenn sie vorbei ist – dann ist sie unwiederbringlich vorbei und nichts und niemand kann sie zurückholen.
    Bov Bjerg hat ein wunderbares, ein emotionales Buch geschrieben – aber er biedert sich nicht an. Er beschreibt, er erzählt – und er weiß genau worüber und wovon er schreibt.
    Peter Praschl hat es in der WELT sehr treffend beschrieben. „Klare warme empathische und emphatische Prosa, die sich einerseits anstrengungslos wegliest und die andererseits nicht mehr weggehen will.“
    Ein sehr lesenswerter Roman – 8 Eulenpunkte.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich habe das Buch erst jetzt gelesen; inzwischen gibt es eine Taschenbuchausgabe, außerdem wird das Werk demnächst auf der Bühne unseres jungen Theaters in Baden-Baden umgesetzt - da bin ich ja mal gespannt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das hinbekommt.

    Egal. ... :lache


    Ich fand das Buch sehr ungewöhnlich, eindringlich, es hat mich ein ganz klein wenig an "Tschick" von Wolfgang Herrndorf erinnert, aber wohl eher, weil es eben junge Leute zur Hauptperson hat und sich stilistisch auf einen gewissen rotzigen, realistischen Minimalismus einstellt. Irgendwie hatte es auch etwas von einem Tagebuch oder einem Monolog.


    Die Idee fand ich gut, auch gut umgesetzt. Diese verlorenen jungen Menschen, die sich selbst und das Leben suchen - so ähnlich war das in den 80ern tatsächlich, als wir noch im Großen und Ganzen tun und lassen konnten, was wir für richtig hielten! (Ganz anders als die armen Dinger, die heute "quasi" von Hubschraubereltern betüdelt werden. - Egal...)


    Es liest sich gut weg und hat mich in seiner Unverwechselbarkeit überrascht und fasziniert. Danke dafür! Ich gebe gerne 9 Eulenpunkte.

  • Es gibt mittlerweile auch eine Verfilmung, die recht sehenswert sein soll. Derzeit allerdings noch nicht kostenfrei zu streamen.


    Das Buch fand ich ebenso lesenswert wie (fast) alle Rezensenten.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor