Das Geheimnis des Mahagonibaums – Sabrina Železný

  • Blanca kommt nach Arequipa, um an der dortigen Akademie für ein paar Monate Fotografie zu studieren. Ihr Studienfach ist Herzenssache und Familienangelegenheit, ihr Urgroßvater war Fotograf. Aber auch Arequipa ist eine Familienangelegenheit, ihre Urgroßmutter stammt von dort. In dieser Stadt im Süden Perus haben sich ihre Urgroßeltern Ende der 1920er Jahre kennengelernt, dorthin kehrte Urgroßmutter Guadelupe in den Dreißigern zurück, aus dem nationalsozialistischen Deutschland und mit der Überzeugung, daß ihr Mann und ihre Tochter nachkommen würden. Doch Guadelupe verschwand, niemand in Deutschland hörte je wieder von ihr. Briefe, die ihr geschickt wurden, wurden nie beantwortet. Das Rätsel um die Urgroßmutter belastet auch Blanca noch.


    Das alles tritt allerdings zurück angesichts der Ausbildungschancen an der Akademie und der Aussicht auf einen Wettbewerb, an dem die StipendiatInnen teilnehmen werden. Vor allem aber angesichts von Arequipa, eine Stadt mit Eindrücken, die gerade eine junge Fotografin überwältigen. Es dauert seine Zeit, bis sich Blanca daran erinnert, daß sie versprochen hat, nach Spuren ihre Urgroßmutter zu suchen. Als sie damit endlich beginnt, wird die Vergangenheit unvermutet sehr lebendig.


    Železnýs Geschichte ist ein Unterhaltungsroman, ein Liebesroman, aber er hat alles, was man braucht, um aus der Masse hervorzustechen. Das liegt sowohl am Aufbau, wie an Entwicklung der Handlung. Klischees werden mit einer Souveränität vermieden, die eine staunen läßt. Die wesentliche, wenn auch traurige Liebesgeschichte ist die der Urgroßeltern. Die sehr junge Protagonistin muß sich erst einmal in der Welt zurechtfinden, wichtig für sie ist es, die Bedeutung von Freundschaft zu begreifen. Blanca reift im Verlauf der Wochen in Arequipa.


    Es gibt zwei weitere Liebesgeschichten in diesem kleinen Roman, das sind die zur Fotografie, vor allem aber die der Autorin zum Ort ihrer Handlung. Bilder von Arequipa sind es, was man mitnimmt aus der Lektüre, bezaubernd, berückend, gestochen scharf, träumerisch verschwommen. Es gibt aufschlußreiche Einblicke in die Geschichte der Fotografie im 20. Jahrhundert, ihre Bedeutung für Peru, damals wie in der jüngeren Vergangenheit. Die Diskussion über Bilder machen, abbilden, erzählen, über Licht und Farben ist immer präsent.
    Die jüngere Geschichte Perus wird lebendig, indem ihre Folgen für die Betroffenen von Militärdiktatur und Terrorismus geschildert werden.


    Erzählt wird das stilistisch recht anspruchsvoll, sprachlicher trash des Genres taucht nur selten und in minimalen Dosen auf. Es klingt wie Ausrutscher und sticht deswegen aus dem Text hervor, weil der überwiegende Teil so gut formuliert ist. Železný hat eine eigene Bildersprache, poetisch, ein wenig märchenhaft, mit Mut zu Emotionen. Da diese nie aus zweiter Hand stammen und die Autorin ihre Figuren mit hohem Respekt vorführt, wirkt das alles wahr und überzeugend. Allein das ist eine hohe Leistung.
    Eine Leistung ist es auch, wie hier die Handlungsfäden zusammengehalten werden. Man ist gut beraten, aufmerksam zu lesen, will man die Zusammenhänge am Ende auch rundum durchschauen.


    Wer moderne Liebesromane mag, kann sich mit dieser schönen Geschichte nicht nur gemütlich zurückfallen, sondern auch mit viel Gewinn überraschen lassen.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus