Gefährliche Geliebte - Haruki Murakami

  • Für mich war das Buch ein absolutes Highlight.


    Aber dann kam Reich-Ranickis verherrende Besprechung im literarischen Quartett. Seitdem wird das Buch auch oft angegriffen, da sie Reich-Ranickis fehlgeleitete Empfehlung in diesem Buch suchen und nicht finden.


    Es ist ein Buch, was man entweder sehr mag oder mit dem man nichts anfangen kann.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Aber dann kam Reich-Ranickis verherrende Besprechung im literarischen Quartett. Seitdem wird das Buch auch oft angegriffen, da sie Reich-Ranickis fehlgeleitete Empfehlung in diesem Buch suchen und nicht finden.


    Von dem Löffler-Ranicki-Streit hatte ich ja gehört. Dass es aber um dieses Buch ging, habe ich erst grade eben gemerkt, als ich diesen Fred gelesen habe. Interessant!


    Ich will hier eigentlich gar nicht unbedingt die Murakami-Liebhaber angreifen. Wer's gut findet, meinetwegen. Von einem Literatur-Papst hätte ich aber deutlich mehr Gefühl für die erzählerischen Schwächen erwartet. Entweder ist R-R kein Papst, oder aber die Bewertung von Literatur ist wirklich etwas sehr sehr Subjektives. Ich tippe auf das Erste.

  • Reich-Ranicki hatte nichts positives über das Buch gesagt, bis Sigrid Löffler das Buch angegriffen hat. Erst dann legte RR los. In meinen Augen hat er sich nicht um das Buch geschert, sondern wollte in erster Linie Löffler Contra geben.


    Dabei ist die Art, wie Murakami Atmosphäre aufbaut, meiner Leseauffassung nach, wirklich gelungen.
    Das er dabei nicht die von Literaturkritik und manchmal auch Literaturbetrieb vorgesehene Vorgehensweise eingeht, stösst auch auf Unverständnis. Wenn die Erwartungen an ein Buch nicht erfüllt werden, gibt es natürlich auch viel Kritik.


    Mein Rat: sich einfach auf Murakamis Texte einlassen.
    z.B. Tanz mit dem Schafsmann ist auch so ein Buch, dass keine vordergründige Auflösung, dafür aber viele schöne Sätze, Rätsel und Atmosphäre enthält.

  • Das Buch war für mich voller Andeutungen, aus denen mit doppelter Länge eine runde Geschichte hätte werden können. Die einzelnen Teile haben mir gefallen, ich konnte die Faszination nachempfinden, die Hajime für Shimamoto empfand, und das, was er in ihr gesehen hat war sehr nah und sanft beschrieben. Am Schluss war ich trotz der schönen Lesestunden enttäuscht, weil kaum etwas zu Ende geführt wurde, weil einzelne Personen und Szenen in dem Buch vorkamen, die überhaupt keine Bedeutung oder Nutzen zu haben scheinen.


    Dazu kommt, dass ich mir manchmal sehr schwer tat, Sympathie für die Hauptperson aufzubringen. Besonders ab diesem Absatz dachte ich mir öfters, dass er eigentlich alle Qualen verdient und noch viel mehr:
    Während der Schwangerschaft meiner Frau hatte ich ein paar kurze Affären gehabt, aber nichts Ernsthaftes. Mit keiner Frau schlief ich häufiger als ein-, zweimal. Na gut, höchstens dreimal. Ich hatte nie das Gefühl, eine "Geliebte" zu haben. Ich wollte einfach jemanden fürs Bett, und nichts anderes wollten meine Partnerinnen. Um Komplikationen zu vermeiden, suchte ich mir meine Bettgenossinen mit Umsicht aus.
    Ähm, ja. Gewissensbisse? Sorge um die schwangere Frau, tiefere Gedankengänge? Nein, wozu denn auch.


    Yukiko, seine Frau, blieb für mich eine der blassesten Figuren des Romans, trotzdem konnte ich ihre Situation oft besser nachempfinden als die von Hajime, der schließlich der Erzähler ist.


    Obwohl ich Murakamis Erzählstil mag und von Naokos Lächeln sehr begeistert war, hat mich dieses Buch also ein bisschen enttäuscht. Dennoch werde ich bestimmt noch weitere seiner Bücher lesen, in der Hoffnung, dass sie etwas mehr Substanz und Tiefe mit sich bringen.

  • Zitat

    Original von Tom
    Ich bin hin- und hergerissen, was Murakami anbetrifft. Manchmal ist seine (übersetzte) Erzählweise sehr spröde, fast nüchtern, Tendenz "steril" (gilt auch für seine Figuren), und manchmal haut er einen einfach vom Hocker. "Hard boiled wonderland", "Wilde Schafsjagd" und "Naokos Lächeln" fand ich grandios, aber "Mister Aufziehvogel" hauptsächlich anstrengend, und "Kafka am Strand" schlicht scheiße. "Gefährliche Geliebte" habe ich nicht gelesen, weil ich seit "Kafka" erstmal die Nase voll habe ... :grin


    Ein bisschen kann ich dem zustimmen. "Naokos Lächeln" und "Hard boiled Wonderland" haben mir unwahrscheinlich gut gefallen. "Kafka am Strand" ging so - eigentlich verwunderlich, dass ich nach diesem Buch, das mein erstes von Murakami war, noch mehr von ihm lesen wollte. Vielleicht war das Buch aber auch doch besser, als ich es jetzt gerade in Erinnerung habe.


    Jedenfalls war ich von "Gefährliche Geliebte" nun, nachdem mich "Naokos Lächeln" - vor ein paar Monaten gelesen - ziemlich beeindruckt hat, etwas enttäuscht. Es war nicht schlecht. Besser als "Kafka", denke ich. Aber trotzdem hatte es etwas, wie Tom es nennt, sprödes. Vor allem die Dialoge. Wobei ich da eben wirklich nicht weiß, ob es vielleicht an der Übersetzung lag. Die wirkten teilweise wirklich richtig hölzern. Vor allem die Dialoge zwischen Hajime und seiner Frau bzw. Shimamoto haben mich genervt - was er selbst sagte, war ok, aber was bzw. wie die beiden Frauen sich in den Dialogen ausdrückten, fand ich stellenweise total doof. Vor allem die Sexszene gegen Ende. "Hoch erotisch" ist für mich was anderes. Da wurde für meinen Geschmack zu viel dummes Zeug erzählt:


    Sanft wölbte sie ihre Hand um meinen Penis und meine Hoden. "Er ist so schön", sagte sie. "Ich würde ihn am liebsten aufessen."
    "Und was tue ich dann?"
    "Aber ich will ihn wirklich aufessen", sagte sie. Lange hielt sie meine Hoden in der offenen Hand. [...] "Darf ich es das erste Mal so tun, wie ich es möchte? Auf meine Art? Darf ich?"
    "Ich habe nichts dagegen. Tu, was immer du möchtest", sagte ich. "Außer mich aufessen, natürlich."
    "Ich geniere mich ein bißchen, also sag bitte nichts, okay?"
    "Versprochen", sagte ich.


    Häm..."Sag bitte nichts", dachte ich mir irgendwann auch, als ich diese Dialoge las. :rolleyes Vor allem frage ich mich, wo die Übersetzer das Wort "genieren" ausgegraben haben.


    Ein Gutes hatte der Roman aber: den Hauptcharakter. Seine Selbstzweifel, seine Taumeln zwischen innerer Zerissenheit und innerer Leere, zwischen einem Leben, das an gesellschaftliche Normen angepasst ist und einem, in dem er seine Gefühle ausleben kann - das hat mir gefallen und hat mich gefesselt, so dass ich es geschafft habe, dran zu bleiben, und das Buch insgesamt doch mit Genuß gelesen habe.


    Edit: Warum machen die überhaupt so einen Murks mit übersetzen aus dem Englischen? Gibt es so wenig Japanisch-Deutsch-Übersetzer oder warum wurde das nicht direkt übersetzt? :gruebel

    In der Einsamkeit wird Liebe entstehen.

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  • Zitat

    Edit: Warum machen die überhaupt so einen Murks mit übersetzen aus dem Englischen? Gibt es so wenig Japanisch-Deutsch-Übersetzer oder warum wurde das nicht direkt übersetzt? Grübeln


    Es gibt in Deutschland sehr gute Übersetzer für die japanische Sprache, nur leider nicht in ausreichender Anzahl.
    Mutmaßlich kann es den Verlagen nicht schnell genug gehen, die Bücher zu vermarkten.


    Zitat

    Zitat: Original von Tom Ich bin hin- und hergerissen, was Murakami anbetrifft. Manchmal ist seine (übersetzte) Erzählweise sehr spröde, fast nüchtern, Tendenz "steril" (gilt auch für seine Figuren), und manchmal haut er einen einfach vom Hocker. "Hard boiled wonderland", "Wilde Schafsjagd" und "Naokos Lächeln" fand ich grandios, aber "Mister Aufziehvogel" hauptsächlich anstrengend, und "Kafka am Strand" schlicht scheiße. "Gefährliche Geliebte" habe ich nicht gelesen, weil ich seit "Kafka" erstmal die Nase voll habe ... Grinsen


    Mit "Kafka am Strand" habe ich gerade begonnen, nachdem mir "Naokos Lächeln" von der Stimmung her gut gefiel, kann mich allerdings mit der Geschichte nicht so recht anfreunden und werde es tendenziell abbrechen, auch wenn ich mit meiner Meinung allein dastehen werde.

  • "Gefährliche Geliebte" ist bislang der schwächste Murakami-Roman, den ich gelesen habe, aber ich bin ja bei weitem noch nicht mit allen durch.
    Die erste Hälfte hat mir eigentlich recht gut gefallen, doch mit dem Wiederauftauchen von Shimamoto wurde es dann recht langatmig - ein einziges Rumgeeiere, salopp gesagt. War mir der Protagonist bislang sympathisch, so änderte sich dies dann doch schlagartig aufgrund seiner moralischen Ansichten in seiner Ehe.
    Daß vieles ungesagt bleibt und manches nur angedeutet wird, das störte mich gar nicht einmal, die Sprache fand ich soweit auch in Ordnung, aber irgendwie fehlte es mir an Inhalt - in der zweiten Hälfte geht es beinahe ausschließlich um des Protagonisten Innenwelt, wie er über Shimamoto nachdenkt, sie vermißt, sie anschmachtet usw.
    5/10 Punkte

  • Kurzbeschreibung:


    Hajime, ein Eigenbrötler und Außenseiter, verbringt seine Jugend bis zu seinem 30. Lebensjahr eher einsam und traurig. Ein Hoffnungsschimmer in dieser Zeit ist Shimamoto, seine erste große Liebe, die leicht gehbehindert ist und mit der er gerne Musik hört. Sie verlieren sich allerdings schon in jungen Jahren aus den Augen. Als Hajime Mitte 30 erfolgreicher Besitzer zweier Bars und mit einer liebevollen Frau verheiratet ist, die ihm zwei Kinder geschenkt hat, taucht Shimamoto plötzlich wieder auf und bringt es durcheinander. Denn nur sie kann scheinbar die Leere füllen, die ihn sein ganzes Leben über begleitet hat.


    Über den Autor:


    Haruki Murakamis Karriere begann 1974 an einem warmen Frühlingstag: Während eines Baseballspiels kam ihm die Inspiration zu seinem ersten Roman. Es war der Start einer beeindruckenden literarischen Laufbahn des 1949 in Kyoto geborenen Autors. Nach seinem Abschluss an der Waseda-Universität in Tokio betrieb er zunächst eine kleine Jazzbar. Später verbrachte er mehrere Jahre als freier Schriftsteller und Dozent in Princeton, USA. Murakamis Leidenschaft für die Literatur kennt, im wahrsten Sinne des Wortes, keine Grenzen - übersetzt er doch auch berühmte Kollegen wie John Irving ins Japanische.


    Meine Meinung:


    Wie die anderen Bücher Murakamis entwickelt dieser Roman schon nach kurzer Zeit einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Man will einfach wissen, wie die Begegnung mit Shimamoto für unseren Helden ausgehen wird. Bis dahin wird auf den ersten 100 Seiten sein Lebensweg beschrieben. Es werden interessante Nebenprotagonisten vorgestellt (zB. Yukikos Vater) und auch der Humor des Autors kommt nicht zu kurz.


    Das Buch ist mit etwas mehr als 200 Seiten recht kurz und schnell ausgelesen. Wie immer lässt Murakami den Leser mit offenen Fragen zurück. Trotzdem hatte ich die ganze Zeit über das Gefühl, dass etwas fehlt. Im Vergleich zu Büchern wie Naokos Lächeln oder Hard Boiled Wonderland und das Ende der Welt fällt es meiner Meinung nach ab. Nichtsdestotrotz ist es eine nette, abendfüllende Lektüre.


    7 von 10 Punkten.

  • Habe es wieder gelesen und bin beeindruckt, wie Murakami das Leben eines eher langweiligen Protas so spannend beschreiben kann

  • Schön geschrieben und schön zu lesen. Aber mir fehlte ein richtiger Schluss. Es muss nicht immer alles am Ende des Buches erklärt sein, aber hier hätte es mich zu sehr gereizt, zu erfahren, was mit Shimamoto wirklich los war, wohin sie gegangen ist, warum sie nicht wiedergekehrt ist.