Die Autorin: Jax Miller gilt als neues herausragendes Talent auf dem Thrillermarkt, und anders als bei so vielen neuen herausragenden Talenten - von denen wir nie wieder etwas gehört oder gelesen haben - wird sie uns wohl erhalten bleiben. Eine solche Stimme bringt man nicht einfach so zum verstummen.
Was gut ist, denn sie ist echt toll!
Sie begann mit den falschen Leuten abzuhängen und Drogen zu nehmen, viele dieser Erfahrungen flossen in ihre Hauptfigur ein, welche sie in einem Interview als ihre "einzige Freundin" zu der Zeit beschreibt. Ihr Therapeut legte ihr nahe zu schreiben, wofür er irgendeine Medaille bekommen sollte.
Das Buch: Ihr Name ist Freedom Oliver, und sie ist ganz schön im Arsch! Tatsächlich sammelt sie Pillen, um in naher Zukunft unsere beschissene Welt gegen eine hoffentlich bessere einzutauschen - oder gegen ein großes Nichts, für sie macht das kaum einen Unterschied. Sie arbeitet in einer verkommenen Spelunke, in der sie sich allerdings Respekt zu verschaffen versteht. Wobei es hilfreich ist irgend einen toughen Motherfucker mit einer Flasche zu malträtieren.... Oder ähnliches.
Freedom ist nicht ihr richtiger Name. Sie bekam ihn mit einem neuen Aufenthaltsort im Rahmen des Zeugenschutzprogramms - sie verlor allerdings ihre beiden Kinder. Ihre Tochter lebt noch bei der christlichen Familie, in der sie mit ihrem Bruder aufwuchs. Dieser hat sich inzwischen als Anwalt einen Namen gemacht und wurde von der Familie dafür geächtet.
Dann wird ihr Schwager, der für den Mord an seinem Bruder, Freedoms Mann, einsaß entlassen, und ihre Tochter verschwindet.
Und Freedom Oliver zieht los, um das in Ordnung zu bringen.
Meine Rezension: Der Fokus vieler Rezensenten des vorliegenden Buches liegt beim Alter der Autorin: Sie ist jung, noch keine 30. Allerdings hat sie selber schon eine Menge Scheiß durchgemacht, was die Altersfrage etwas relativiert.
Ich halte es in der Tat für unerheblich wie alt ein Autor ist, in Teilen auch was und wie viel er oder sie schon erlebt hat. Phantasie und Empathie halte ich - als Amateur auf dem Gebiet, zugegeben - für wichtiger. Auch ein Zusammenhang zwischen"Alter" und "Reife" ist nicht immer festzustellen.
Auf jeden Fall entwickelt die Autorin eine eigene Stimme. Nicht einzigartig, ihr Song erinnert an viele Vorbilder, und sie ist sicherlich noch nicht fertig, aber wenn wir hier eine Entwicklung voraussetzen, Scheiße auch, was für eine Autorin wird dereinst aus ihr werden!
(Die Stones kommen uA. von Chuck Berry - merkt man heute auch nicht mehr, und nicht nur weil Berry tot ist und einige Stones so aussehen als wären sie es)
Jax Miller ist auf jeden Fall schon sehr weit. Ihre Sprache - welche die ihrer Hauptfigur ist - ist direkt, dreckig und zuweilen obszön. Sie säuft und flucht.... Die Hauptfigur, klar oder?
Also, sie säuft und flucht, ist vulgär.... Alles nicht wirklich interessant. Was Freedom Oliver von all den anderen Schlampen in dieser Art Thriller hervorhebt ist ihre Verletzlichkeit, ihre Verzweiflung und tiefe Trauer.
Die Autorin schafft es wunderbar all diese Gefühle zwischen die Zeilen ihres Romans zu packen, uns Leser immer einen kurzen Blick auf das Innere ihrer Protagonistin werfen zu lassen. Sie schreit nie: "Seht her was ich doch für eine tragische Figur bin!".
Sie schreit eher:" Fickt euch und lasst mich in Ruhe ihr Arschlöcher!" bevor sie in alkoholinduziertes Koma fällt und vollends die Kontrolle verliert.
Sie hat vom Leben tatsächlich nichts mehr zu erwarten! Ihre Kinder sind erwachsen und zumindest ihre Tochter hat die Mutter nie gesehen.
Diese Trostlosigkeit bring die Autorin auf eine ungeheuer direkte Weise direkt zum Leser, sie schafft es trotz der abweisenden Art ihrer Protagonistin immer auch Mitgefühl zu wecken. Denn die Erzählerin vergisst nie, das sie sich quasi an uns gewandt hat, um ihre Geschichte zu erzählen. Das Schreiben dieser Geschichte ist für die erfundene Person ebenso Therapie wie für Jax Miller selber, und wir Leser werden fürs Zuhören mit einem Höllenritt von Buch entlohnt.
Wenn sie denn auch Vorbilder oder andere Bücher dieser Erzähltradition nicht verleugnen kann so ist ihre Stimme doch schon reif genug um sich nicht mehr hinter anderen verstecken zu müssen. Noch ist sie eine unter Anderen - einigen wenigen, sicher, aber doch Teil einer Gruppe von Männern und Frauen - doch schon bald kann sie sich auch davon lösen, so sie denn den Erfolg (kommt er zu früh?) richtig verarbeitet.
Tatsächlich können wir eine gut erzählte, glaubwürdige Frauenfigur hier besonders gut gebrauchen. Kein derber Typ mit Titten, nicht einfach eine vulgäre Schlampe, solche Figuren sind in der Regel nicht besonders originell und taugen kaum für die tragende Person in einem Roman. Aber sowohl Christa Faust (Angel Dare) und Joe Lansdale (Sunset Jones) haben bereits gute Beispiele dafür geliefert, wie eine solche Figur aussehen könnte
Aber vielleicht sollte ich diese Beurteilung besser einer Frau überlassen.
Edit: etwas Kosmetik....