Die Toten des Meisters: Konrads erster Fall - Andreas J. Schulte

  • Taschenbuch: 280 Seiten
    Verlag: Ammianus; Auflage: 1 (15. April 2013)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3981228553
    ISBN-13: 978-3981228557


    Versuch einer Inhaltsangabe:
    Andernach, im Herbst 1476:
    Nach einem Streit im Gasthof „zum Hirsch“ wird der einflussreiche Ratsherr Hermann Wilhelm von Grevenrath ermordet aufgefunden. Ein Verdächtiger ist gleich gefunden: Gregor Kreuzer, mit dem er zuvor diesen Streit hatte, ist nicht nur der Besitzer der Tatwaffe, sondern läuft wenig später und mit blutbesudelten Händen noch der Bürgerwache in die Arme.


    Doch als der Stadtknecht Jupp Schmittges wenig später die Leiche untersucht, fällt seinem Freund Konrad, der zufällig mitgekommen ist, einiges auf, was ihn daran zweifeln lässt, dass Gregor, der Bruder seiner Vermieterin, der Witwe Johanna, tatsächlich der Mörder sein soll. Aber die Stadtoberen sind an keiner weiteren Aufklärung interessiert, nicht zuletzt da in Kürze eine Delegation erwartet wird. Nachdem das Treffen bei Trier zwischen Kaiser Friedrich III. und Karl dem Kühnen, Herzog von Burgund vor einigen Jahren ergebnislos abgebrochen wurde und es in der Folge zum Krieg und zur Belagerung der Stadt Neuss durch den Herzog von Burgund gekommen ist, will letzterer nun doch seine Tochter und Erbin Maria mit dem Sohn des Kaisers verheiraten.


    Dabei wäre eine Überführung des wirklichen Mörders sogar sehr notwendig, da dieser noch weitere Morde auszuführen wird, nicht zuletzt um die Heiratsverhandlungen zu sabotieren ...


    Information zum Autor (lt. Amazon):
    Andreas J. Schulte, freier Journalist und Autor, Jahrgang 1965. Seit 2000 selbstständig und geschäftsführender Gesellschafter eines Redaktionsbüros. Mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen lebt er seit mehr als 20 Jahren in einer alten Scheune zwischen Andernach und Maria Laach. (Beides Schauplätze dieses Kriminalromans.)


    Persönliche Meinung:
    Die Einstufung des Romans ist nicht gerade einfach: Lokalkrimi vor historischen Hindergrund, Thriller (immerhin wird immer wieder aus der Perspektive einer Täterfigur berichtet, sodass Leser/in über dessen Pläne wenigstens teilweise informiert ist und somit gewöhnlich mehr weiß, als die Hauptfiguren) oder doch auch ein wenig Abenteuerroman (zumindest mit Blick auf Konrads früheren "Beruf")?


    Konrad und seine Freunde versuchen jedenfalls nicht nur einen Mordfall aufzuklären, es gilt auch der Täterfigur das Handwerk legen und die Unschuld des nicht gerade sympathischen Verdächtigen beweisen. Außerdem müssen sie auch dafür sorgen, dass sozusagen der geschichtliche Ablauf so bleibt, wie er überliefert wurde.


    Zwar haben keine Verhandlungen für die burgundische Heirat in Andernach stattgefunden, aber dass es tatsächlich im Herbst 1476 Verhandlungen gegeben hat, das wird angenommen. Als Begründung führt der Autor im Nachwort an, dass sich Andernach von der Lage her für Verhandlungen durchaus geeignet hätte und dass sich Kaiser Friedrich III. im Zusammenhang mit der Belagerung von Neuss zuvor drei Monate dort tatsächlich aufgehalten hatte. Schulte bewegt sich also, was seinen historischen Hintergrund betrifft, in der Grauzone zwischen Fakt und Fiktion, diese Gratwanderung gelingt ihm ganz gut.


    Hinzu kommt, dass dieser relativ unbekannte Roman (erschienen 2013), den ich zufällig entdeckt habe, zwei Vorzüge hat, die ich in den meisten Romanen des 21. Jahrhunderts gewöhnlich vermisse:


    Dem Autor gelingt eine Handlungsführung, die erstaunlich locker wirkt und zudem einfallsreicher ist, als das meiste, was ich in den letzten Jahren gelesen habe. Vielleicht liegt es daran, dass der Autor sich nicht ausschließlich an die zurzeit gängigen Versatzstücke für Kriminalgeschichte und historischen Roman hält, sondern es durchaus wagt, diese durch ein wenig Abenteuergeschichte und auch Thriller-Elemente zu ergänzen.


    Den inneren Zusammenhängen zwischen den Geschehnissen hat er außerdem mehr Aufmerksamkeit gewidmet, als dies zurzeit üblich zu sein scheint, weswegen das Buch (und vor allem die beiden Fortsetzungen) eine ungewöhnliche Dichte aufweist. Mit einer Ausnahme wurde hier nicht einfach nur eine Handlung aus den üblichen Baukasten zusammengeschustert, sondern der Autor nimmt sich Zeit für seine Figuren, für ihre Beziehungen zueinander, bei der Motivation und beim Herstellen von Zusammenhängen. (Endlich auch einmal ein Roman, wo nicht alles auf Sex und Crimes reduziert wirkt.)


    Die Perspektive selbst ist für das 21. Jahrhundert recht ungewöhnlich, einerseits gibt es einen Ich-Erzähler (Konrad), der das Zentrum der Handlung ist und den eine tragische Vorgeschichte und weitere Geheimnisse umgeben, die erst im Lauf der Handlung enthüllt werden. Andererseits wird ein Teil der Handlung jedoch aus der (Innenperspektive) anderer Figuren (vor allem des Täters) erzählt, allerdings in der dritten Person.


    Die Figuren überzeugen, was umso auffallender ist, als das Schwarzweißschema hier nicht vermieden wurde. Das hängt wohl damit zusammen, dass die positiv besetzten Hauptfiguren zumindest als "Originale" rüberkommen und auch keineswegs dem gängigen Besetzungsschema folgen. Der Täter wiederum ist zwar ein emotionsloser, böser Superschurke, aber als Auftragskiller, der auf seinen "Job", den er macht, stolz ist, hat er doch eine gewisse Glaubwürdigkeit und seine scheinbare Unbesiegbarkeit trägt wesentlich dazu bei, die Spannung zu steigern.


    Positiv fällt außerdem auf, dass sowohl der Schauplatz, die Stadt Andernach, als auch die Motivation für die Morde, sehr eng mit den historischen Fakten verwebt sind. (Historische Krimis, in denen das Verbrechen tatsächlich mit dem historischen Hintergrund zusammenhängt, sind relativ selten.)


    Insgesamt ein sehr unterhaltsamer Ausflug in die Vergangenheit (das späte Mittelalter an der Wende zur Neuzeit), der mit viel Spannung, Atmosphäre und einigen recht originellen Ideen punktet.


    Ein Wermutstropfen, der mich allerdings nicht wirklich gestört hat, sind ein paar Tippfehler. Aber mit Blick darauf, dass das Buch bei keinem der wirklich bedeutenden oder bekannten Verlage herausgebracht wurde, sind diese wohl den nicht ganz so optimalen Publikationsbedingungen anzulasten, und wenigstens stören sie nicht besonders.


    Wie bereits der Untertitel andeutet, dürfte der Autor eine Serie geplant haben. Jedenfalls gibt es inzwischen eine zweiteilige gelungene Fortsetzung, in der das Abenteuerliche und die Kriminalelemente noch mehr dominieren: "Die Spur des Schnitters" und "Die Ehre der Zwölf".

    --------------------------------
    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Teresa ()