Die Augsburger Privatdetektivin Dr. Lara Gropius ermittelt in ihrem ersten Fall. Ein verschwundener alter Mann soll gefunden werden, und sie begibt sich auf Spurensuche. Dabei stellt sich heraus, dass der Fall nicht ganz so einfach ist wie es auf den ersten Blick aussieht und dass die Antwort in der Vergangenheit zu suchen ist. Mit Unterstützung ihrer beiden Exkollegen von der Kripo kommt sie dem Kraken immer näher und muss sich nebenbei noch mit ihrer dementen Mutter, ihrem chaotischen Sohn und einer geheimnisvollen Gruppe von Gegenspielern beschäftigen.
Die Stärke dieses Kriminalromans liegt eindeutig nicht in spektakulären Actionszenen und blutigen Verbrechen, sondern in seiner psychologischen Ausrichtung. Mir hat es sehr gut gefallen, wie Lara sich langsam und bedächtig ihrem Zielobjekt, dem verschwundenen Augsburger Seniorunternehmer Harald Demuth nähert und die verschiedenen Aspekte seines Lebens beleuchtet. Während sie anfangs seinen Gewohnheiten und Kontakten nachgeht, konzentriert sich ihre Spurensuche später mehr und mehr auf seine Vergangenheit, und hier liegen auch die Antworten auf die vielen offenen Fragen.
Außerdem darf sich Lara mit einer Truppe von Neonazis herumschlagen, die sie beschatten und nicht aus den Augen lassen. Dass ihr Privatleben nur am Rande gestreift wird, fand ich in diesem Fall angebracht, denn im Mittelpunkt sollte doch der Fall stehen. Nichts desto trotz hat sie als ehemalige Akademikerin und ehemalige Kriminalbeamtin eine interessante Biographie. Ihre Exkollegen Tuchy und Jo sind eine angenehme Erscheinung und mischen als Nebenfiguren in dem Fall mit - so ist auch immer Tuchfühlung mit der Polizei gegeben, was in Sachen kriminaltechnische Ermittlungen so einige Vorteile für Lara bringt.
Im Laufe der Handlung fließen die Schilderungen des verschwundenen Demuth aus Gegenwart und Vergangenheit mit ein, die dazu beitragen, das Puzzlespiel zu vervollständigen. Ihn bei seiner Reise zu begleiten führt dazu, dass man als LeserIn in verschiedene stimmungsvolle Settings eintauchen kann; so geht es zum Beispiel an den Gardasee, aber auch an die Ostsee, was ich als eine sehr gelungene Abwechslung empfand. Besonders die Auflösung des Falles, bei der sich alle Handlungsfäden verdichten und zusammengeknüpft werden, hatte mit einer sturmgepeitschten Ostsee und einem windumtosten Leuchtturm eine perfekte Bühne für große Szenen.
"Die Stunde des Kraken" hat mich mit der ruhigen, bedächtigen Erzählweise des Autors und einer sehr durchdachten, am Ende auch erschütternden Handlung überzeugt. Wer bevorzugt zu unblutigen Kriminalromanen greift und gerne mit den Protagonisten auf Spurensuche geht, vielleicht sogar bevorzugt mit Bezügen zum Dritten Reich, der kann hier nichts verkehrt machen.