Werden Jugendliche lesefaul?

  • Hallo :)


    Ich bin relativ neu im Forum bzw. lese sehr viel still mit, aber eine Frage möchte ich euch auf jeden Fall seit Wochen stellen und traue mich jetzt auch mal. :grin


    Ich gehe noch zur Schule bzw. mache gerade mein Abitur nach und es kommt immer häufiger vor, dass Mitschüler mich fragend anschauen, wenn ich mit einem Buch in der Aula sitze. Das ist nunmal was ich mache, wenn ich gerade eine Zwischenpause habe.


    Aber es wundert mich schon sehr, dass man heutzutage wohl als Besonderheit gilt, wenn man mit 20 gerne Bücher liest und das nicht aus irgendwelchen "Prestige-Gründen" oder als Schullektüre. Mich macht es wirklich traurig, wenn ich mir vorstelle, was viele Menschen sich da entgehen lassen. Lesen ist für mich eine der schönsten Beschäftigungen, die es gibt. :) Und ich kann mir nicht vorstellen, was dagegen spricht. Natürlich hat jeder andere Interessen und das ist ja auch in Ordnung. Aber viele Kommentare, die ich schon zu hören bekommen habe, waren durchaus auch abwertend ("Hast du denn keine Freunde?!", "Das ist doch voll langweilig!"), was auf jeden Fall nicht der Fall ist. :grin


    Ich frage mich wirklich, ob das an meiner Schule liegt oder ob das eine allgemeine Entwicklung ist.


    Habt ihr denn ähnliche Erlebnisse gemacht oder an die Eulen mit Familie: Sind eure Kinder auch lesefaul oder gilt es als uncool zu lesen? :yikes


    (Falls dieses Thema in der falschen Rubrik ist, oder irgendetwas falsch gelaufen ist, tut es mir furchtbar leid. :help)

    Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste. - Heinrich Heine

  • Ich glaube nicht, dass das eine Entwicklung ist, sondern normal in dem Alter..


    Lesen war vor 20Jahren schon uncool, als ich noch aufs Gymnasium ging...
    Meine beste Freundin und ich waren damals die Einzigen die in der Pause gelesen haben.
    In der Stadtbibliothek war ich 3x/Woche, in der der Schulbibliothek jeden Tag. Mitschüler hab ich nie dort gesehen.....

  • Zu meiner Abizeit war das so 50:50. Die einen haben gelesen, die anderen nicht.


    Was aber in meiner Schulzeit auch bei den größten Leseratten nie vorkam war, dass sie in den Schulpausen gelesen haben, statt sich mit den Mitschülern zu unterhalten.


    Daher finde ich schon, dass Du Dich etwas absonderst und vermutlich - zumindest an der Schule - keine Freunde hast?


    So gern ich immer schon gelesen habe, in Schulpausen wär ich im Traum nicht auf die Idee gekommen, ein Buch zu zücken. Denn sowas teilt ja den Mitschülern dann mit: ich bin beschäftigt, sprecht mich bloß nicht an, ich lese lieber als mit Euch zu reden.


    Edit: ich war schon in Univeranstaltungen oder bei Weiterbildungen, wo ich wirklich mit niemandem was zu tun haben wollte. Da habe ich in den Pausen gelesen.


    Aber man muss sich schon bewusst sein, wenn man in der Pause ein Buch zückt, dass man damit ein Signal aussendet an die anderen. Und dann sollte man sich über gehässige Kommentare auch nicht wundern.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

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  • Nicht jeder, der für die Schule oder die Ausbildung schon lesen muss, kann sich dann auch noch mit Lesen entspannen. Oft habe ich erlebt, dass der Schulunterricht Schülern das Lesen vermiest hat und sie nach ihrer Schulzeit sehr lange kein Buch mehr in die Hand genommen haben.


    Nein, Lesen gilt nicht als uncool, behaupte ich (als Jungsmutter). Es ist beeinflussbar durch die Clique, durch Filme, Rollenspielszenarien, "coole" Lehrer und nicht zuletzt dadurch, dass "Mann" Gesprächsstoff sucht, um sich mit Mädels zu unterhalten. Wenn die Mädels an der Schule nicht lesen, wird es allerdings schwierig ... ;-) ;-)

  • @ Frettchen:


    Das mit den Schulpausen war etwas schwammig ausgedrückt. Ich bin wirklich absolut im Geschehen in der Schule beteiligt und habe einen großen und auch engen Freundeskreis in der Schule und auch außerhalb. Was ich mit "Zwischenpause" meinte, sind Zeiten in denen ich zum Beispiel eine ganze Doppelstunde frei habe und die Schule schon halb leergefegt und die restlichen Schüler Hausaufgaben machen und das ist z. B. etwas, das ich immer gerne daheim in Ruhe mache. :)


    @ Buchdoktor:
    Ja, das der Schulunterricht einem manchmal das Lesen vermiest, kenne ich selbst sehr gut.


    Danke schonmal für die schnellen Antworten.

    Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste. - Heinrich Heine

  • Zum Abi hat man ja eigentlich auch genug anderes zu lesen, sodass man nicht unbedingt auch noch zum Buch greift, wenn man gerade Schiller analysiert oder sich mit den Geheimnissen der Biochemie vertraut gemacht hat. Ich bin zwar auch regelmäßig in der Bücherei gewesen und beobachte das auch bei meinen Kindern und deren Freunden. Grob geschätzt würde ich auf ein Drittel lesende Jugendliche tippen, wobei die Mädels öfter darüber schwatzen als die Jungs.


    Wenn man sich dann den Alltag von Jugendlichen ansieht, passt da ein ruhiges (Freizeit-)Lesen auch kaum rein. Meiner Meinung nach kann man also nicht unbedingt von Lesefaulheit sprechen, sondern muss die Anforderungen der Schule und die Zeiten, die tatsächlich zum Lesen zur Verfügung stehen berücksichtigen. Wenn du in den Freistunden liest, musst du die Hausarbeiten zu Hause machen, wenn sich andere vielleicht zum Sport treffen. Wer also immer gegen den Strom schwimmt, zieht über lange Sicht den Kürzeren in der Kommunikation.

  • Ich kann mich nicht erinnern, dass ich während meiner Schulzeit vor 20 Jahren einen Schüler oder eine Schülerin während einer Pause mit einem Buch in der Hand gesehen habe, dass kein Schulbuch ist. Es wurde auch nicht während einer Freistunde gelesen, da man irgendwie immer jemanden zum Quatschen gefunden hat oder man schon mal mit die ersten Hausaufgaben erledigte. Daher denke ich nicht, dass lesefaule Jugendliche ein aktuelles Problem ist.

  • Kann mich den Kommentaren nur anschließen: Auch zu meiner Schulzeit vor über 20 Jahren habe ich niemanden wahrgenommen, der in Pausen / Freistunden etwas anderes als die Schulbücher gelesen hätte. Auch in der Freizeit in der Öffentlichkeit kann ich mich nicht an lesende Jugendliche erinnern. Dabei weiß ich durchaus von einigen Mitschülern, die zuhause durchaus Romane gelesen haben.


    In der Öffentlichkeit wird von den Jugendlichen meines Erachtens heute viel mehr gelesen als früher, nur eben keine Romane, sondern WhatsApp und co.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Mir ist im letzten Jahr aufgefallen, dass viele Schüler noch nicht einmal die Schullektüren wirklich lesen. Sie lesen sich die Erläuterungen durch und versuchen dann so voranzukommen. Meine Beobachtungen sind vor allem in der Oberstufe gemacht worden. Nur im Deutsch LK hatte ich das Gefühl, dass die Schüler wirklich gelesen habe.


    Ich selbst war schon immer ein Bücherwurm und habe auch in der Schule viel gelesen. Aber damit stand ich auch relativ alleine da, zumindest im Schulleben und Schulgeschehen.

  • Ich habe was das angeht tatsächlich keinerlei Bedenken, sehr viele Jugendliche - vor allem Mädchen - kaufen nach wie vor Bücher, und zwar nicht nur welche die gerade "in" sind (Potter, Panem...) sondern alles, was in ihr Interessengebiet fällt. Nicht selten möchten sie auch lieber das gebundene Buch, selbst wenn das Tb schon erschienen ist.


    Das Vergnügungslesen nimmt vermutlich in dem Maße ab, in welchem die schulischen Anforderungen steigen, doch immer wider erlebe ich Menschen, auch hier im Forum, die nach der arbeitspensumsbedingten Aufgabe des Lesens nach Abschluss der schulischen Laufbahn wieder anfangen, aus vergnügen und Lust an der Literatur zu lesen.


    Die Konkurrenz zum Buch ist zwar wesentlich größer als in meiner Jugend - wir hatte drei Fernsehsender, und das wars - aber ich beobachte trotzdem das "echte Bücher" wieder "cool" werden.

  • Natürlich haben wir auch in jungen Jahren gelesen.
    Allerdings war es seinerzeit auch eine "Lesezeit". Wir lasen als Primaner "hochpolitische" Bücher (es war die Zeit mit 68er-Flair) - wussten wir doch - eben auch aus den Büchern - wie die Arbeiterklasse vom Joch des Kapitalismus zu befreien war.


    Und so wurde sehr viel Marcuse, Freud - aber auch Salinger und Hesse gelesen.


    Und was haben wir - die Arbeiterbefreier - erreicht?
    Eher nicht so viel. Nun sitzen wir, wenn wir nicht bereits im kleinen schwarzen Container liegen, mit fetten Bäuchen, mühsam nach Luft ringend auf teuren Chefsesseln und lächeln süffisant über unsere damaligen Weltverbesserungsvorhaben.


    Aber - gelesen haben, auch in der Schule - und das nicht zu knapp.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Jugendliche lesen nicht weniger als 'früher' (wann genau soll früher sein?), sondern eher mehr. Sonst gäbe es diese Massen von Neuerscheinungen nicht über die letzten zehn Jahre. Nicht die vielen Meinungsäußerungen auf amazon oder in Blogs. Das sind deutlich junge Menschen, die sich äußern.
    Hier in Berlin sehe ich viele Jugendliche in U- oder S-Bahn, die ein Buch in der Hand haben. Dicke TBs zum Teil und nicht nur auf deutsch.
    In Buchhandlungen stöbern Jugendliche in der Jugendbuchabteilung. Allerdings auffällig viele Mädchen. Jungen und junge Männer bis 18, 19 sehe ich wenig.


    Ich glaube, wenn man in der Schule etwas anderes liest als Schullektüre, ist das ein bißchen komisch. Es kann tatsächlich wie Abschließung wirken. Das sollte Dich aber nicht abhalten.
    Es gibt aber eben auch viele Jugendliche, die nicht gern lesen, vielleicht hast Du einfach Pech mit Deinem direkten Umfeld. Warum die, die wenig oder gar nicht lesen, diejeningen, die gern lesen, oft kritisieren, habe ich noch nie verstanden.


    Schullektüre habe ich in der Regel nicht gelesen. Ich hatte schon als Jugendliche Schwierigkeiten, auf Kommando zu lesen. Wenn mich ein Text nicht interessiert hat, habe ich ihn nicht angefaßt Punkt.
    Der zweite Grund war der, daß ich sehr schnell herausgefunden hatte, daß LehrerInnen beim Besprechen der Lektüre etwas ganz Bestimmtes hören wollten. Das war das, was in den Lektüreschlüsseln stand. Die Schlußfolgerung daraus ist wohl klar.


    Abgesehen von Schullektüre habe immer viel gelesen, richtig viel. Bücher waren mir immer lieber als Menschen. Ich bin trotzdem einigermaßen sozialverträglich. Ich meine, Leute, die immer die Nase in Büchern haben, haben zumindest keine Zeit, irgendeinen Scheiß zu bauen.
    :grin

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es tatsächlich teilweise am Schulalltag liegt. Mir fällt es selber schwer in Klausurenphasen die Ruhe zum Lesen zu finden. In der Oberstufe wird einem so viel um die Ohren geschmissen, da findet man manchmal weder die Zeit noch die Lust zum Buch zu greifen. Da wird es wahrscheinlich den meisten so gehen. Was ich durchaus bestätigen kann, ist, dass die Freunde, die viel lesen, auch lieber gebundene Bücher lesen. Ich habe wenige Leute im Umfeld, die überzeugt von e-Books sind. Da hat jeder seine Präferenzen.


    Aber wenn ich mir die Kommentare so durchlese, hoffe ich nicht, dass irgendwer meiner Freunde denkt, ich sei desinteressiert an einem Gespräch und sie haben bloß (noch) nichts gesagt. :yikes Da muss man sich eben doch ab und zu an die eigene Nase packen. Ich danke also allen, die mich auf diesen Gedankengang gestoßen haben. :anbet

    Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste. - Heinrich Heine

  • Wir waren gerade im Urlaub. Und ich kann eigentlich die These leider etwas bestätigen. Wir haben erstaunlich viele Jugendliche gesehen, die sich den Tag am Strand/Pool eher mit iPads/Handys vertrieben haben, als mit einem guten Buch. Da wurden Spiele gezockt oder Filme geschaut ggf noch Musik gehört. Aber gelesen haben nur wenige Jugendliche und eher die Erwachsenen.


    Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass ich z.B. während dem Studium auch nicht mehr so viel gelesen hatte, wiel ich zu viel lesen musste. Da war ich dann froh, wenn ich mich andersweitig berieseln lassen konnte.

  • Ich mache gerade Ehrenamtlich am Lesesommer Rheinlandpfalz für Kids bis 16 J. hier im Ort mit.
    Wir berfagen die Kinder zu ihren gelesenen Büchern, ich bin erstaunt wie viele Kinder teilnehmen, bis zu 3 Bücher dürfen sie ausleihen und nach dem sie, sie beabtwortet haben, dann wieder neue entleihen. Davon wird REGE GEBRAUCH gemacht und einige entleihen sie auch für ihren Urlaub. Bis zu 3 Wochen kann entliehen werden. Wir haben viele Lesebegeisterte Jugendliche, es macht riesigen SPASS ! :wave

  • Zitat

    Original von Arietta
    Ich mache gerade Ehrenamtlich am Lesesommer Rheinlandpfalz für Kids bis 16 J. hier im Ort mit.
    Wir berfagen die Kinder zu ihren gelesenen Büchern, ich bin erstaunt wie viele Kinder teilnehmen, bis zu 3 Bücher dürfen sie ausleihen und nach dem sie, sie beabtwortet haben, dann wieder neue entleihen. Davon wird REGE GEBRAUCH gemacht und einige entleihen sie auch für ihren Urlaub. Bis zu 3 Wochen kann entliehen werden. Wir haben viele Lesebegeisterte Jugendliche, es macht riesigen SPASS ! :wave


    Das ist schön und eine gute Nachricht !

  • @ Arietta:


    Das finde ich eine sehr schöne Beobachtung :) Unsere örtliche Stadtbücherei hat auch immer in den Ferien solch eine Aktion für Kinder ab 8 gehabt und ich kann mich gut erinnern, dass ich da immer fleißig mitgemacht habe in jüngeren Jahren. :wave

    Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste. - Heinrich Heine