OT: Borrowed Light 1999
Erstmals auf deutsch 2001
Callisto May ist sechzehn und hat eine schwere Entscheidung getroffen. Sie hat sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden. Wie es dazu kam, erzählt sie selbst.
Sie stammt aus einer eigentlich intakten Familie, ihre Eltern haben aber wenig Zeit für sie. Der Vater interessiert sich nur für die Arbeit, ihre Mutter schwärmt für gesundes Leben und gibt Meditationskurse für Frauen. Callisto ist schüchtern, sie hat wenig Selbstbewußtsein. Sie bezeichnet sich selbst als ‚Borgende‘, wie die Gestirne, die kein eigenes Licht haben, sondern es von anderen brauchen. Von denen, die Licht ausstrahlen, wird sie auch angezogen. Schon als Kind hat sie Pech dabei, sie gerät an Mitschülerinnen, die sie quälen. Wehren kann sie sich nicht.
Ihr Interesse gilt dem Weltall, ihre Großmutter war Astrophysikerin. Cally weiß eine Menge über Sterne, Planeten, Anziehungskräfte und Aggregatzustände irgendwo im All, aber kaum etwas von Menschen. Von ihrem Wissen hält sie aber nicht viel, sie fühlt sich zu unwichtig. Daß sie auch die eigentlich Praktische in der Familie ist, ist ihr auch nicht klar. Die Fürsorge für ihren kleinen Bruder Jeremy etwa liegt fast ausschließlich in ihren Händen.
Fienberg beschreibt die Gefühle Callys sehr genau. Ihre Irrtümer, ihre Verzagtheit, vor allem aber ihre Einsamkeit. Die Mahnung geht hier an die Erwachsenen, die ihre Kinder allein lassen, weil sie mit ihren eigenen Problemen nicht fertig werden. Hinter dem Verhalten der Eltern steckt ein Familientrauma. Das macht die Geschichte doppelt traurig.
Callys Kampf erlebt man hautnah, auch die Stunden in der Klinik. Die Leserin erwartet hier keine kuschelige Lektüre.
Sehr gelungen ist die immer wieder aufgenommene Bezugnahme zu Vorgängen im Kosmos, die Cally benutzt, um Ereignisse, aber auch ihre Gefühle zu beschreiben. Dazwischen gibt es kurze Stücke, in denen Jeremy spricht. Das soll zum Verständnis der Ereignisse vor allem gegen Schluß beitragen, unterbricht die Spannung aber eher. Insgesamt aber ist Callys Geschichte eine der wenigen, in der die Behauptung, daß das eine Geschichte vorm Erwachsenwerden ist, wirklich weitgehend eingelöst wird.
Übersetzt wurde der Roman aus dem australischen Englisch von Cäcilie Plieninger.
Vom Verlag dem Rückentext nach als Liebesgeschichte verkauft, erwartet die Leserin hier eine emotional fordernde Geschichte über ein sehr strittiges Thema. Erzählt wird sie unter einem ungewöhnlichen Gesichtspunkt, was zu ihrem Gelingen viel beiträgt.
Ein sehr besonderes Buch.