Der Susan-Effekt – Peter Hoeg

  • Der Autor (Quelle: Amazon)
    Peter Hoeg, 1957 in Kopenhagen geboren, ist mit dem Roman Fräulein Smillas Gespür für Schnee (Hanser, 1994) zum internationalen Bestsellerautor geworden. Bei Hanser erschien zuletzt: Die Kinder der Elefantenhüter (Roman, 2010). Peter Høeg lebt in der Nähe von Kopenhagen.


    Peter Urban-Halle, 1951 in Halle an der Saale geboren, übersetzte u. a. Naja Marie Aidt, Georg Brandes, Leif Davidsen, Jens Christian Grøndahl, Per Højholt und Janne Teller. 2010 erhielt er den Förderpreis des Europäischen Übersetzerpreises Offenburg und 2013 den Dänischen Übersetzerpreis.


    Das Buch (Quelle: Amazon)
    Susan ist Experimentalphysikerin, hantiert gern mit dem Brecheisen und bäckt nachts um drei Croissants für ihre Familie. Und sie hat eine außergewöhnliche Gabe: Jeder, der mit ihr spricht, wird absolut aufrichtig. Jetzt soll sie einem hochrangigen Justizbeamten ein geheimes Protokoll beschaffen: Ein Gremium hochkarätiger Wissenschaftler erforscht die Gefahren der Zukunft. Doch plötzlich kommt ein Mitglied nach dem anderen auf grausame Weise um. Mit irrwitzigen Einfällen, technischem Know-How und ihrem einzigartigen Effekt kämpft Susan darum, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Ein phantastischer Pageturner mit einer unschlagbaren Heldin.


    Meinung
    Die tiefgekühlte Wissenschafts-Denkweise passt zur Protagonistin wie die Faust aufs Auge. Mir gefiel die redundanzfreie und blecherne Sprache. Zwar hat man die Story in ähnlicher Form schon mal in einem Hollywood-Schinken gesehen, aber das macht nichts. In jedem dritten Satz stecken Botschaften, die bereits ausreichen, das Buch lieben zu lernen. Es sind nicht nur Gedankenexperimente zwischen Metaphysik und Physik, sondern auch Aphorismen zur Lebensweisheit, die das Buch so stark machen. Das Buch ist anspruchsvoller Thriller und Ratgeber zugleich. Und alles wirkt, wie aus einem Guss.


    Schwächen hat jedes Buch. Die Protagonistin kommt schon sehr „hollywoody“ rüber. Und dass im „Weltuntergangs-Epos“ ihre Eltern sowie ihr ehemaliger Heimleiter wesentliche Rollen spielen, ist wohl etwas zu viel des Guten. Das wirkt aufgesetzt. Und müssen ihre Kinder ebenso hochbegabt sein wie sie sowie ihr Ehemann? Aber okay – heute braucht der Leser solche Klischees. Vielleicht!?


    Insgesamt der beste Wissenschaftskrimi, den ich letzter Zeit gelesen habe. Für mich ist das Buch jetzt schon ein Jahres-Highlight.

  • „Europa ist eine Komfortzone. Wir leben in einem Kino, in dem auf allen vier Wänden Familienfilme gezeigt werden. Der Zusammenbruch gehört nicht der Zukunft an. Er hat schon angefangen.“


    Die Story beginnt ungewöhnlich; Susan und ihre Familie haben alle im Ausland unterschiedlichste Gesetzesbrüche begangen und sie erwarten mehrere Jahre Gefängnis, doch da taucht plötzlich ein Anwalt aus ihrer Heimat auf und holt sie zurück nach Dänemark. Als Gegenleistung für die Straf-Freiheit soll Susann für ihn wichtige Informationen über eine sogenannte Zukunftskommission beschaffen.


    Sie besitzt eine ungewöhnliche Gabe, die sie der Polizei in der Vergangenheit schon mehrmals zur Verfügung gestellt hat; in ihrer Gegenwart werden die Menschen unfreiwillig aufrichtig und erzählen intimste Dinge aus ihrem Leben. Sie nennt das den „Susan-Effekt“. Nicht nur dieser Effekt an Susan ist außergewöhnlich, sie selbst und ihre Familie fallen durch alle Raster der Normalität. Susans Mann und die Kinder sind hochbegabt und das merkt man auf fast jeder Seite. Susan als Wissenschaftlerin setzt statt Emotionen eher auf kühle Analytik und hält selbst zu ihren Kindern eine gewisse Distanz. Den Dialogen dieser schrägen Familie zu lauschen, ist faszinierend.


    Der Schreibstil von Peter Hoeg hat sich seit Fräulein Smilla kaum geändert und er scheint weiterhin eine Vorliebe für Menschen zu haben, deren soziales Verhalten schon fast an Autismus grenzt. Es wäre normal, oder eine nette Geste gewesen, wenn er uns als Leser aufklären würde, warum Susan, ihr Mann Laban und ihre Zwillinge, jeder für sich, im Ausland gegen Gesetze verstoßen haben, doch außer ein paar Andeutungen kommt leider keine Information. Da tröstet es schon fast, wenn selbst die Familie untereinander nur ein paar wenige Worte darüber verliert, warum man denn so viele Jahre Gefängnis zu erwarten hat. Es scheint ihnen nicht wichtig zu sein. Dies und viele andere Geschehnisse, die jeden anderen normalen Menschen zumindest erstaunt, oft auch völlig aus der Fassung hätten geraten lassen, nehmen die genialischen Familienmitglieder einfach so als gegeben hin.


    Obwohl man bereits auf den ersten Seiten merkt, wie ungewöhnlich und unrealistisch die Figuren Hoegs sind, so habe ich dieses intelligent erzählte Gedankenkonstrukt sehr genossen. Die Dialoge machen einfach Spaß und die Handlung kann man auf jeden Fall als spannend bezeichnen auch wenn das Finale sich in Richtung klassischer James-Bond-Showdown bewegt.


    Mein Fazit: Kurz gesagt, ein paar ziemlich verkopfte Menschen, die es so eigentlich nicht geben kann, erleben eine verschwurbelte aber spannende Story, die so abstrus ist, dass sie nur zu ihnen passt. Dialoge und Handlung machen Spaß und sind etwas für alle, die Freude an wissenschaftlichen Denkansätzen haben. Von mir 9 Punkte für ein ungewöhnliches Lesevergnügen.

  • Zitat

    Original von JaneDoe
    Interessant, interessant. Vielen Dank für eure Rezis. Ich bin um das Buch ja schon herumgeschlichen. Fräulein Smilla hatte mir seinerzeit sehr gut gefallen. Und nun kommt es ganz klar auf die Wunschliste :-)


    Geht mir ganz genauso. Bin erst durch eure guten Rezis auf diesen neuen Hoeg aufmerksam geworden. Bis jetzt fand ich Smilla das Beste seiner Bücher. Die anderen waren teilweise etwas zäh. Aber dieses hier könnte wieder mein Fall sein. Ich mag Wissenschaftsthriller. Hab es mir heute morgen ertauscht. :-)

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Mein erstes Buch vom bekannten Schriftsteller Peter Hoeg das den Weg in meine kleine Bibliothek gefunden hat. Seinen Weltbestseller "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" kenne ich nur vom Namen her, habe ich aber nicht gelesen. Entsprechend gespannt war ich auf die literarischer Kost die mich da erwartet. Schnell habe ich gemerkt, dass dies kein Buch ist das sich eben Mal an zwei oder drei Abenden entspannt weglesen lässt. Dieser Spannungsroman braucht den auch die ungeteilte Aufmerksamkeit der Leserschaft aber wenn man sich einmal mit Peter Hoegs Schreibweise und seiner eigentümlichen aber höchst intelligenten Art des Erzählens vertraut gemacht hat und weiss, wie man die Abschnitte und Kapitel anzugehen hat, kommt man von Seite zu Seite immer besser damit zurecht und sich ganz dem Inhalt widmen.


    Die titelgebende Susan ist Experimentalphysikerin, 42 Jahre alt und lebt in Dänemark. Sie hat die Gabe, dass sich die Menschen ihr gegenüber öffnen. Diese ungewollte Fähigkeit gepaar mit ihrem scharfen Verstand machen sie für für wissenschaftliche Ausschüsse interessant. Eine Zukunftskommission arbeitet für die Regierung aber Mitglieder dieses kleinen aber erlesenenen Zirkels kommen ums Leben. Die begabte Susan wird in einen gefährlichen Strudel, in dem auch ihr Familienleben eine Rolle spielt, hineingezogen und es entstehen wohl durchdachte Szenen voller mehrdeutige Schattierungen. Der Autor versucht Spannung, Wissenschaft und Familienleben unter einen Hut bzw. zwischen zwei Buchdeckel zu bringen. Meiner Meinung nach erreicht er seine angestrebten Ziele meistens aber nicht immer. Oder ich war den inhaltlichen Anspielungen schlicht und einfach nicht immer gewachsen.


    Ein Pageturner, wie die Kurzbeschreibung / der Klappentext es erwähnt, war dieses Buch für mich nicht. Eher ein tiefgründiges Werk mit teils verwirrenden Passagen die die volle Konzentration erfordern. Ein gutes Buch das mich etwas mehr als eine Woche beschäftigt hat, was bei mir eine lange Zeit ist, aber für mich gehört es dennoch nicht in die höchste 9 bis 10 Eulenpunkte Kategorie. Empfehlenswert für Leser mit einer Affinität zur Wissenschaft und Physik, die einen anspruchsvollen Roman mit vielen Verweisen auf das Leben aber einer unterkühlten, eher kopflastigen Schreibweise mögen. In der Wertung tendiere ich zu 7 bis 8 Eulenpunkte.

  • Was habe ich "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" gehasst. Kein Buch des Autors kam mir mehr ins Haus. Aber irgendwie hat mich "Der Susan-Effekt" angemacht und ich hielt es für Zeit, dem Autor nochmal eine Chance zu geben.


    Was soll ich sagen. Spaß gemacht hat mir dieses Buch über diese exzentrische Familie, die sich plötzlich genötigt fühlt, eine Verschwörung aufzudecken. Mir hat vor allem die Sprache gefallen, die Ironie, der Witz, der Blick fürs Wahnwitzige. Zugleich war diese Sprache aber auch das Handicap an diesem Buch. Denn sie ist der Hauptdarsteller. Die Story ist irgendwie nicht nur unsinnig sondern auch unwichtig. Sie ist weder spannend noch besonders tiefsinnig. Dem Autor kommt es mehr darauf an, ungewöhnlich zu formulieren als uns Lesern etwas genauer zu erklären, worum es eigentlich geht. Spannung fehlte mir persönlich auch. Nachdem ich nach ca. der Hälfte des Buches ein wenig Ermüdungserscheinungen hatte von der Schreibweise, überlegte ich sogar, abzubrechen, da mich die Story nicht wirklich fesselte und ich, wie gesagt, auch langsam übersättigt war vom Schreibstil. Nunja, ich habe weitergelesen und das Buch beendet.


    "Der Susan-Effekt" ist ein ambivalentes Buch für mich. Einerseits hat es mir Spaß gemacht, andererseits ist es völlig unglaubwürdig, besonders bei seinen Hauptfiguren. Diese Familie ist zu bizarr um auch nur annähernd real zu wirken. Susan ist einerseits Wissenschaftlerin aber auch Hausfrau mit Brotbackambitionen. Zudem mag sie Männer, was aber irgendwie erst sehr süät überhaupt mal in der Story behandelt wird. Sie wirkt als Figur sehr unrund, im Gegensatz zu ihrem Mann Laban. Aber egal. Auch mich hätte interessiert, was denn in Indien vorgefallen war, so im einzelnen. Die Story klingt interessanter als der bizarre Originalplot.


    Es fälllt mir schwer, das Buch abschließend zu bewerten. Es ist auf jeden Fall ungewöhnlich. Aber ich glaube, ich werde kein weiteres Buch des Autors lesen. Irgendwie bin ich bei ihm verkehrt. Ich vergebe wahllos 7 Punkte.

  • Ich lese keine Klappentexte, aber wenn da tatsächlich stand, dass dieses Buch ein Pageturner ist, dann...

    kann ich mich dieser Aussage nur anschließen. Ich habe es innerhalb von zwei Tagen verschlungen und dafür Kinder und Haus sehr gern vernachlässigt.

    Manchmal etwas abstrus im Storyverlauf und etwas zu straff konstruiert habe ich darüber schon den Kopf geschüttelt, aber alles in allem ist mir der "Susan-Effekt" doch 8,5 Punkte wert. Es war spannend und intelligent, aber auch mit einem normalen IQ kann man allem folgen. ;)

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“