Reinhard Rohn: Leise, stirb leise

  • Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
    Als junger Mann wurde er zum Mörder. 26 Jahre lang lebt er unentdeckt als angesehenes Mitglied der Gesellschaft, als Ehemann und Familienvater. Aber dann holt ihn die Vergangenheit ein: In Köln wird eine Prostituierte tot aufgefunden, ermordet nach »seinem« Muster von damals. Dieses Mal ist er unschuldig, doch ein skrupelloser Erpresser schwört Rache. Und der Countdown läuft. Für Kommissarin Lena Larcher ein Fall, der sie an ihre beruflichen und persönlichen Grenzen treibt. Denn auch sie kämpft mit Gespenstern der Vergangenheit.


    Autor (Quelle: Verlagsseite)
    Reinhard Rohn, 1959 in Osnabrück geboren, lebt in Köln und Berlin und arbeitet als Verlagsleiter. Er hat zahlreiche Kriminalromane ins Deutsche übersetzt, bevor er selber mit dem Schreiben von Spannungsromanen begann. Unter dem Pseudonym Arne Blum hat er außerdem drei Romane mit Kim, dem Detektivschwein, veröffentlicht.


    Allgemeines
    Erschienen am 24.Juli 2015 bei dtv als Taschenbuch mit 320 Seiten
    Prolog - 21 Kapitel - Danksagung
    Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
    Handlungsort: Köln, Handlungszeit: Gegenwart, ca.1989 (Prolog)


    Zum Inhalt
    Dieses Buch bietet gewissermaßen zwei Kriminalromane in einem Band, es gibt zwei Haupthandlungsstränge mit je einem Protagonisten.
    Protagonist der Handlung mit Rückblende in die späten Achtzigerjahre ist "Er", ein zunächst nicht namentlich genannter Mann, von dem man nur weiß, dass er ein beruflich erfolgreiches, angesehenes Mitglied der Kölner Gesellschaft sowie Ehemann und Familienvater ist. Er hat kurz vor seiner Hochzeit mit Alma die Prostituierte Fleur umgebracht, um sich von seiner "schmutzigen" Faszination durch diese Frau zu befreien. Aufgrund glücklicher Umstände ist er nie gefasst worden.
    Als 26 Jahre nach seiner Tat in Köln erneut eine Prostituierte auf die gleiche Art ermordet wird, wird er von einem Unbekannten kontaktiert, der alles über ihn zu wissen scheint und ihm androht, zunächst seine Familie zu zerstören und dann ihn selbst.
    Protagonistin des zweiten Handlungsstrangs ist Kommissarin Lena Larcher, die - nachdem sie neun Monate zuvor ihren Mann und Sohn bei einem tragischen Unfall verloren hat - als Ermittlerin im Mordfall an der Edel-Prostituierten Eva Helmes in den Beruf zurückkehrt. Sie vermutet, dass es zwischen den beiden Morden trotz des großen Zeitintervalls einen Zusammenhang geben könnte, den alten Fall hatte ihr inzwischen pensionierter Vater seinerzeit bearbeitet, ohne ihn aufklären zu können.
    Während Lena in mühsamer und engagierter Ermittlungsarbeit immer neue Informationen über die Lebensumstände der Ermordeten zusammenträgt, wird "Er" zum nahezu hilflosen Spielball eines Rächers, der die ganze Familie des damals entkommenen Mörders mit fatalen Folgen in seinen Rachefeldzug einbezieht...


    Beurteilung
    Dem Roman ist ein äußerst passendes Zitat vorangestellt: "Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich; jede unglückliche Familie jedoch ist auf ihre besondere Weise unglücklich." ["Anna Karenina" Leo Tolstoi]
    In eindrucksvoller Weise zeigt "Leise, stirb leise" auf, welche Abgründe sich hinter dem Bild einer scheinbar harmonischen Familie auftun können, wenn das Familiengefüge aus dem Gleichgewicht gerät. Die dunklen Seiten diverser Familienmitglieder bieten dem Rächer ausreichend Angriffsfläche, um seinen Vernichtungsfeldzug zu starten, ohne selbst ins Licht zu treten.
    Doch auch in der Familie von Lena Larcher gibt es Unausgesprochenes. Desgleichen werden immer mehr Einzelheiten aus dem Leben der beiden ermordeten Prostituierten bekannt, die ein facettenreiches Bild dieser beiden Frauen und ihrer Schicksale ergeben.
    Obwohl in diesem Kriminalroman keine brutalen Szenen geschildert werden und kaum Blut fließt, ist das Buch ungemein fesselnd. Es ist schwer, es aus der Hand zu legen, bevor man erfahren hat, wie "Er" mit der bedrohlichen Situation umgehen wird und wer es ist, der seine ganze Familie vernichten will. Auch der Handlungsstrang um Lena Larcher mit den gelegentlich formlos eingeflochtenen Rückblenden auf ihr Familienleben ist hochinteressant. Nicht nur diese beiden Hauptfiguren, sondern auch die zahlreichen Nebenfiguren (Kollegen der Kommissarin, Familienmitglieder des zum Opfer gewordenen Täters von damals) sind in ihren Charakterdarstellungen sorgfältig ausgearbeitet.
    Die Kapitel um den Mörder von damals und die Ermittlungen im gegenwärtigen Mordfall wechseln einander ab, sodass die Spannung auf andauernd hohem Niveau erhalten wird.
    Der Sprachstil ist sehr anschaulich und passt gut zu den agierenden Romanfiguren.
    Neben der äußerst interessanten Thematik des Seins und Scheins diverser Familien punktet der Roman mit einer bemerkenswerten Unvorhersehbarkeit: Auch der krimi-erfahrene Leser wird erfolgreich auf´s Kreuz gelegt und ist am Schluss überrascht, empfindet dann aber die Zusammenhänge als schlüssig.


    Fazit
    Thematisch sehr gut umgesetzt, wenig vorhersehbar, intelligent konstruiert - diesen Kriminalroman kann man ohne jede Einschränkung empfehlen!
    10 Punkte