Verliebt in Amsterdam - Gina Mayer (12 – 15 J.)

  • Gina Mayer: Verliebt in Amsterdam, Ravensburg 2015, Ravensburger Buchverlag, ISBN 978-3-473-58480-2, Softcover, 255 Seiten, Format: 14 x 1,8 x 21 cm, Buch: EUR 9,99 (D), EUR 10,30 (A), Kindle Edition: EUR 7,99.


    Die Eltern der 16jährigen Deutsch-Amerikanerin Phoebe Huggins sind in einer dringenden Familienangelegenheit in die USA gereist und haben keine Ahnung, dass ihre Tochter gerade im Auto ihres neuen Freundes Jens „Jesse“ Walter sitzt und auf dem Weg in die Niederlande ist. Sie wähnen sie zuhause in Düsseldorf bei ihrer Freundin Hannah.


    Gestrandet – ohne Geld und ohne Handy
    Doch bis ans Meer, wie sie es geplant hatten, kommen Jesse und Phoebe nicht. Jedenfalls nicht gemeinsam. Kaum in den Niederlanden angekommen, kriegen sie sich tierisch in die Haare. Jesse lässt Phoebe einfach an einer Raststätte stehen und fährt weg – mit ihrem gesamten Gepäck an Bord. Jetzt steht sie da, ohne Handy, ohne Geld, ohne Wechselklamotten und ohne eine Idee, wie es weitergehen soll.


    Zur Autobahnpolizei, wie ihr eine Frau auf dem Parkplatz rät, will sie nicht, weil die ja sicher ihre Eltern in den USA alarmieren würden. Und darauf hat Phoebe verständlicherweise keinen Bock. Wenn sie sich bis Eindhoven durchschlagen könnte ... da wohnt eine Bekannte, die ihr sicher Geld für die Heimfahrt leihen würde. Dummerweise hat Phoebe sämtliche Kontaktdaten in ihrem Handy und das ist in Jesses Auto. Die Zeiten, in denen man die Adressen und Telefonnummern seiner Freunde und Verwandten auswendig konnte, sind definitiv vorbei.


    Da! Ein bekanntes Gesicht!
    Auf einmal sieht sie ein bekanntes Gesicht an der Raststätte: Aaron Schneider, den sie von der Schule her kennt, ist gerade dabei, nach Amsterdam zu trampen. Sie kann sich zwar mindestens hundert Leute vorstellen, die sie in dieser Situation lieber getroffen hätte als diesen mürrischen und eigenbrötlerischen Musikfreak, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen.


    Auch Aaron ist alles andere als begeistert, dass sich die zickige „Prinzessin“ an seine Fersen heftet. In der Schule schaut sie ihn nicht mit dem Allerwertesten an, doch jetzt, wo sie in Schwierigkeiten steckt, ist sie auf einmal freundlich. Er kann aber gerade keine Reisebegleitung gebrauchen, er fährt nicht zum Spaß nach Amsterdam. Er hat dort etwas Wichtiges zu erledigen ... etwas, das ihn schon seit seiner frühesten Kindheit umtreibt. Doch was genau er vorhat, das geht Phoebe nichts an.


    Er will sie so schnell wie möglich loswerden. Doch als sie ohne ihn zu zwei dubiosen Typen ins Auto steigt, bringt er es nicht fertig, sie ihrem Schicksal zu überlassen. Er kommt ihr zu Hilfe, und ab da sind sie gemeinsam unterwegs. Aber nur bis Eindhoven, darauf legt Aaron Wert. Er will sie bei ihrer Bekannten abliefern und dann alleine weiterreisen. So der Plan ...


    Unfreiwillige Reisegefährten
    ... der natürlich nicht funktioniert. Und so landen sie zusammen in Amsterdam. Nachdem sie mit Aarons reichlich gewöhnungsbedürftigen Kumpels um die Häuser gezogen sind, ist seine komplette Reisekasse weg. Nun stehen sie beide mittellos da. Wie soll er jetzt sein Vorhaben in die Tat umsetzen? Seinen Vater will er finden, der wahrscheinlich als Musiklehrer oder Studiomusiker in Amsterdam tätig ist. 18 Jahre lang hat Aaron Schneider die Familienlegende geglaubt und seinen Erzeuger für tot gehalten. Erst vor kurzem hat er erfahren, dass das gar nicht stimmt.


    So sehr Aaron die umtriebige und manchmal sehr bestimmende Phoebe auf die Nerven geht: Sie hat doch ausgesprochen hilfreiche und praktische Ideen. Wie man die Reisekasse auffüllt, zum Beispiel, wo man in Amsterdam günstig übernachten kann – und wie man seinen Vater ausfindig machen könnte. Aaron stellt fest: So übel ist die Prinzessin gar nicht. Auch sie erkennt, dass sie den wortkargen Musikus bisher total unterschätzt hat. Da ist sogar ein bisschen mehr. Aber ist sie nicht eigentlich mit Jesse zusammen? Er wird sie doch bestimmt längst suchen, oder? Und das mit Aaron hätte da ohnehin keine Zukunft, denn der bleibt ja vermutlich bei seinem Vater in Amsterdam .... wenn sie ihn denn jemals finden.


    Da der Ärger, den Phoebe nach ihrer Rückkehr bekommen wird, sowieso galaktische Ausmaße annehmen dürfte, kann sie genauso gut noch ein Weilchen mit Aaron in Amsterdam bleiben und ihm bei der Suche helfen.


    Zwei wie Hund und Katz
    Auch wenn das Buchcover ein bisschen kitschig ist, die Geschichte selbst ist es nicht. Wäre VERLIEBT IN AMSTERDAM ein Film, wäre er ein Roadmovie. Zwei wie Hund und Katz, die gezwungenermaßen zusammen unterwegs sind, erleben gefährliche, amüsante und haarsträubende Abenteuer, lernen einander kennen und schätzen und kommen sich näher.


    Auch wenn ihre gemeinsame Reise nur ein paar Tage dauert, machen die Erlebnisse sie ein bisschen reifer. Wer ist ein wahrer Freund und wer nur ein Schmarotzer und Nutznießer? In wieweit kann man andere für die eigenen Versäumnisse und Misserfolge verantwortlich machen? In diesen Punkten lernen die beiden Teenager einiges dazu. Und es dämmert ihnen, dass Eltern auch nur Menschen sind, die Fehler und Schwächen haben und manchmal sehr unkluge Entscheidungen treffen. Das zu erkennen und zu akzeptieren, gehört zum Erwachsenwerden dazu. Doch auch Eltern können aus ihren Fehlern lernen. Jedenfalls manche.


    Von Katastrophe zu Katastrophe
    Von Amsterdam selbst bekommt man nicht so wahnsinnig viel mit. Aber die Abenteuer der beiden unfreiwilligen Reisegefährten sind spannend und unterhaltsam. Man fiebert mit Phoebe und Aaron mit, wenn sie sich von einer aussichtslos erscheinenden Lage in die nächste manövrieren. Wie werden sie sich da nur wieder herauswursteln? (Im alleräußersten Notfall bliebe ihnen immer noch die Möglichkeit, ihre Angehörigen in Deutschland zu kontaktieren und um Hilfe zu bitten. Aber das wollen sie ja nicht.)


    Auch wenn sich die abenteuerlichen Situationen in der Geschichte aus Gründen der Spannung ungewöhnlich häufen – jede einzelne Episode könnte sich im wahren Leben genau so ereignet haben. Das ist schon alles recht nahe an der Realität und weit weg vom Kitsch.


    VERLIEBT IN AMSTERDAM ist eines der Bücher, die man in einem Rutsch ausliest, weil man unbedingt wissen will, wie die Geschichte ausgeht.


    Die Autorin
    Gina Mayer, geb. 1965, studierte Grafik-Design und arbeitete danach als freie Werbetexterin, bevor sie Schriftstellerin wurde. Seit 2006 hat sie eine Vielzahl an Romanen für Erwachsene, Jugendliche und Kinder veröffentlicht. Ihre Werke wurden u. a. für den Deutsch-Französischen Jugendliteraturpreis und den Hansjörg-Martin-Preis nominiert und mit dem Leipziger Lesekompass ausgezeichnet. Viele ihrer Bücher spielen in ihrer Wahlheimat Düsseldorf, wo Gina Mayer mit ihrer Familie lebt.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner