Augusto Cruz - Um Mitternacht

  • Klappentext
    Der ehemalige FBI-Agent Scott McKenzie wird von einem wohlhabenden Sammler beauftragt, die einzige verbliebene Kopie des berühmten Stummfilms Um Mitternacht zu finden. Es heißt, dass dieser Vampirstreifen aus den zwanziger Jahren seiner gesamten Besetzung zum Verhängnis wurde, weil unter den Schauspielern echte Vampire waren, dass sämtliche Kinos, in denen der Film vorgeführt wurde, abbrannten und dass all jene, die sich ernsthaft für den Klassiker interessierten, spurlos verschwanden. McKenzie aber will von einem Fluch nichts wissen und begibt sich auf eine Suche, die ihn zunächst in den Norden Mexikos führt – und von da an immer verworrener und bizarrer wird.


    Um Mitternacht ist ein fulminantes Roadmovie und eine fesselnd erzählte Hommage an die Schönheiten und Abgründe bewegter Bilder. Und die Geschichte einer abenteuerlichen Ermittlung, die sich in den Grenzgebieten der Wirklichkeit bewegt.



    Der Autor
    Augusto Cruz, geboren 1971, stammt aus dem mexikanischen Tampico. Sein Geschichtslehrer war der Subcomandante Marcos, in Los Angeles hat er szenisches Schreiben gelernt und sich im Fernstudium zum Privatdetektiv ausbilden lassen. Cruz lebt heute wieder in seiner Heimatstadt und betreibt dort zusammen mit seinem Bruder eine Bäckerei. Um Mitternacht ist sein international viel beachtetes Debüt.






    Wieder mal ein Buch, bei dem der Klappentext irreleitend ist. Niemand in dem Buch behauptet, das Vampire in dem Film mitspielten. Auch von einem Fluch ist nicht die Rede, auch wenn rund um die Suche um diesen verschollenen Film einige Merkwürdigkeiten passieren.


    Scott McKenzie arbeitete einst unter dem FBI-Chef Hoover. Nun ist er pensioniert und wird von dem Sammler Ackerman beauftragt, einen verschollenen Stummfilm zu finden. Man geht davon aus, das 90% der gedrehten Filme damals vernichtet wurden. Unabsichtlich, durch Feuer oder falsche Lagerung, oder aber sie wurden einfach auch aus Platzmangel vernichtet. Niemand ahnte, das Film einmal als Kunst gelten würde und sich Menschen viel später für diese Kunst interessieren würden. Ackerman ist hinter dem Film "Nach Mitternacht" her, den er einst als Jugendlicher sah. McKenzie lässt sich, warum auch immer, von diesem Eifer anstecken und hechtet schon bald auf abenteuerliche Weise hinter diesem Film her. Dabei verschlägt es ihn nach Mexiko und in den Regenwald zu einem absonderlichen Schloss. Sein Leben gerät das ein oder andere mal in Gefahr.


    Zu meinem Erstaunen musste ich feststellen, das es diesen Film "Nach Mitternacht" tatsächlich gab und das er als verschollen gilt. Man kann über google einige Szenenfotos finden. Auch die meisten der erwähnten Menschen, inklusive der Schauspieler und dem Sammler Ackerman, kann man im Netz finden. Es existiert auch das phantastische Schloss des Edward James im südamerikanischen Dschungel. Zu Beginn ist die Geschichte recht interessant. Die Story um die verschollenen Filme, um diesen speziellen Film, ist schon spannend. Ein großer Pluspunkt dieses Buches ist in meinen Augen, das es so viele neue Ideen und Hinweise auf Dinge enthält, von denen ich vorher keine Ahnung hatte. McKenzie verbeißt sich in die Suche nach dem Film, gerät an mysteriöse Leute und nach und nach wird die Geschichte immer bizarrer und surrealer. Es gibt immer mal wieder Rückblenden in McKenzies Leben, vor allem in seine Zeit unter Hoover. So gibt es einen Einschub, in dem er Lee Harvey Oswald verfolgte und beinahe festgenommen hätte in Mexiko, bevor er John F. Kennedy ermorden konnte. Vor allem aber ist die Episode im Dschungel an diesem seltsamen Schloss recht bizarr.


    Was an diesem Buch aber vor allem schwierig ist, ist der Schreibstil. Einerseits ist er flüssig und aus einem Guss, andererseits aber verzichtet er auf Absätze und wörtliche Rede wird einfach so in den Erzählfluss eingebaut. Wer gerade spricht oder antwortet muss man sich oft einfach denken und zusammenreimen. Fast hat man das Gefühl, die Geschichte wird ohne jedwede Interpunktion erzählt. Das ganze Buch ist voller Seiten in reinem Blocksatz. Lücken gibt es nur, wenn ein Kapitel endet. Das macht das Lesen etwas mühsam. Man gewöhnt sich zwar daran, auch kann der Autor geschickt Zeichen setzen, wer gerade spricht, aber trotzdem hat das ganze etwas erschlagendes. Seiten voller Wörter, ohne jede Pause für das Auge sind schon anstrengend. Und nach ca. der Hälfte des Buches erlahmt das Ganze auch etwas. Sowohl der andersartige Erzählstil sowohl auch die Story verlieren an Reiz und an Fahrt. Die Geschichte verliert sich in surrealen Szenen. Was zuerst noch als ungewöhnliche Schnitzeljagd erscheint, wird schon bald etwas mystisch und überfrachtet mit Tiefgründigkeit.


    "Um Mitternacht" wirft einen interessanten Blick auf die Stummfilmzeit und ihre Schätze, nicht zuletzt auch auf die Liebhaber in der heutigen Zeit. Ein paar interessante Fragen wirft es auch auf. Ich habe viel gegoogelt und viel interessantes gelesen. Andererseits ist es ein vom Stil her schwieriges Buch, das leider nach einer Weile abdriftet und die inhaltliche Qualität nicht durchgehend halten kann. Die fehlende Anzeige der wörtlichen Rede, das wie in einem langen Satz erscheinende Erzählweise machen das Lesen etwas mühsam. Zu Anfang war ich recht angetan, aber nach ca. der Hälfte zeigte ich doch Ermüdungserscheinungen und habe etwas gequält weitergelesen. Vor allem die Rückblenden zu Edgar J. Hoover haben sich mir nicht so wirklich erschlossen. So hat mich das Buch, trotz toller Ideen und Anregungen nicht wirklich überzeugen können. Nicht zuletzt auch, weil überhaupt keine Charaktere wirklich Format gewinnen und mir als Leser nahe kamen.

    “Wer kleine Kinder und Hunde nicht mag, kann kein schlechter Mensch sein



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  • Zitat

    Original von Darcy
    Was an diesem Buch aber vor allem schwierig ist, ist der Schreibstil. Einerseits ist er flüssig und aus einem Guss, andererseits aber verzichtet er auf Ansätze und wörtliche Rede wird einfach so in den Erzählfluss eingebaut. Wer gerade spricht oder antwortet muss man sich oft einfach denken und zusammenreimen. Fast hat man das Gefühl, die Geschichte wird ohne jedwede Interpunktion erzählt. Das ganze Buch ist voller Seiten in reinem Blocksatz. Lücken gibt es nur, wenn ein Kapitel endet. Das macht das Lesen etwas mühsam. ... Die fehlende Anzeige der wörtlichen Rede, das wie in einem langen Satz erscheinende Erzählweise machen das Lesen etwas mühsam.


    Das nervte mich auch!
    :write

  • „Um Mitternacht“ ist ein Buch über Rätsel. Über welche, die sich irgendwann auflösen lassen und über diejenigen, die immer ein Geheimnis bleiben. Auf der einen Seite hat es mich begeistert und ich wünsche mir mehr von solchen, „besonderen“ Büchern – auf der anderen Seite fand ich es wie Darcy anspruchsvoll zu lesen und so blieb mir manche Stelle auch im Nachhinein ein Rätsel.


    Vordergründig geht es um die Suche nach einem verschollenen Stummfilm. Was der Protagonist, ein ehemaliger FBI-Agent, dabei erlebt, ist ein Roadmovie, das seinesgleichen sucht, gespickt mit vielen Abenteuern und nachhaltig wirkenden Begegnungen bis hin zu manch skurriler Begebenheit. Dabei werden immer wieder rätselhafte Geschichten eingeflochten, die manchmal aufgelöst und manchmal offen bleiben. Besonders gut gefallen hat mir dabei die Einbindung vieler wahrer Personen und Begebenheiten. Dies zu einem glaubhaften fiktiven Strang zu verbinden und daraus ein so packendes Buch zu schreiben ist eine wahre Meisterleistung. :anbet


    Einordnen lässt sich dieses Buch nicht. Für mich ein großer Pluspunkt, denn so legt es sich weder fest noch bedient es irgendwelche Klischees. Geschichte vermischt sich hier mit einer Tour durch Nord- und Mittelamerika, verbunden mit einem Hauch von Thriller.


    Hochachtung auch vor dem absolut gelungenen Schluss! Ich verrate wohl nicht zu viel, wenn ich schreibe, dass er sowohl überraschend als auch überaus passend ist. Dazu kommt genau die richtige Dosis zwischen Auflösung und Offenbleiben der angesprochenen Rätsel. Auch hier: :anbet


    Auch der Protagonist bleibt im Großen und Ganzen ein ungelöstes Rätsel. Zwar erfährt man einiges über ihn und noch mehr kann man sich zusammenreimen, doch vieles bleibt im Dunkeln.


    Überhaupt ist es ein Buch, in dem der Leser sich selbst viele Gedanken machen muss. Vorgekaut wird hier nichts. Das ist fordernd, regt aber auch an. Mitdenken musste ich als Leser auch, um den Überblick über die auftauchenden Personen zu behalten. Dazu kommt der sehr eigenwillige Schreibstil. Wie Darcy schon beschrieben hat, wurde auf Anführungszeichen bei wörtlicher Rede konsequent verzichtet, dazu auch auf jegliche Begleitsätze. Was und vor allem auch wer spricht muss man sich selbst erschließen – nicht immer einfach. Es ist kein Buch, das sich so nebenher und zur Entspannung nach einem anstrengenden Tag lesen lässt, sondern fordert die volle Aufmerksamkeit und Konzentration.


    Fazit: Auch wenn es für mich ein anspruchsvoll zu lesendes Buch war, haben mich die Geschichte und die Geschichten dahinter begeistert. Deshalb von mir auch 9 Punkte.


    P. S.: Bodo, ich bin gespannt, was du "als Profi" dazu sagst!

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

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  • Zitat

    Original von Lese-rina


    P. S.: Bodo, ich bin gespannt, was du "als Profi" dazu sagst!


    Ich bin - nachdem ich etwa die Hälfte gelesen habe - recht zwigespalten! Der absatzlose Satz ohne Anführungszeichen mag als künstlerisches Stilmittel durchgehen (Andersch's "Sansibar" ist da ähnlich) erschwert aber das Lesen ohne das ich tatsächlich einen künstlerischen Mehrwert erkennen kann. Ich bin gespannt wie es weitergeht.....


    By the way: Ein Profi bin ich mitnichten - eher ein begeisterter Amateur, der den Krempel den er liest auch verkauft - sofern er verlangt oder von mir des Verkaufens für Wert befunden wird! :chen

  • Zitat

    Original von Bodo
    Der absatzlose Satz ohne Anführungszeichen mag als künstlerisches Stilmittel durchgehen (Andersch's "Sansibar" ist da ähnlich) erschwert aber das Lesen ohne das ich tatsächlich einen künstlerischen Mehrwert erkennen kann. Ich bin gespannt wie es weitergeht.....


    Über diese "Eigenart" habe ich länger nachgedacht. Ob es jetzt einen künstlerischen Mehrwert bietet, kann ich nicht erkennen. Aber für mich war es eine "Einladung", genauer hinzusehen, nicht so über den Text drüberzulesen, eben weil es anstrengender zu lesen ist. Ich hab mich dadurch sicher intensiver damit beschäftigt.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

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  • Zitat

    Original von Lese-rina


    Über diese "Eigenart" habe ich länger nachgedacht. Ob es jetzt einen künstlerischen Mehrwert bietet, kann ich nicht erkennen. Aber für mich war es eine "Einladung", genauer hinzusehen, nicht so über den Text drüberzulesen, eben weil es anstrengender zu lesen ist. Ich hab mich dadurch sicher intensiver damit beschäftigt.


    Damit hast Du absolut recht! Man liest genauer - allerdings schaft sowas bei mir ein guter Text sowiso, und die Grenze zwischen "genau lesen" und "den Lesefluß hemmen" ist hier recht dünn finde ich. :wave

  • Um Mitternacht - Augusto Cruz


    3518424777
    Gebundene Ausgabe: 392 Seiten
    Verlag: Suhrkamp


    Originaltitel: Londres después de medianoche
    Christian Hansen (Übersetzer)


    Mein Eindruck:
    Was Augusto Cruz auf den ersten 100 Seiten seines Romans filmhistorisch auf originelle Art zu erzählen hat, konnte mich sehr interessieren und ich denke auch, dass er über einen guten Erzählton verfügt.
    Aber es gibt ein paar Punkte, warum ich schließlich doch nicht zufrieden mit dem Buch war.
    Zum einen habe ich nie verstanden, was den ehemaligen FBI-Agenten Scott McKenzie überhaupt dazu bewegt hat, sich der Suche nach ausgerechnet einem verschollenen Film anzunehmen. Seine Motivation bleibt unklar, ebenso was ihn eigentlich als Filmlaie dafür besonders qualifizierte. Ist er nicht eigentlich schon zu alt für den Stress?
    Zum anderen werden viele Szenen der langen Jagd auf den Film zu beliebig erzählt. Nur wenige der Passagen davon konnten mich überzeugen.
    Auch mit den J.Edgar Hoover-Kapiteln konnte ich wenig anfangen.
    Daher bleibt am Schluß einfach zu wenig. Aber abschreiben würde ich den Autor noch nicht. Mal sehen, was von ihm noch kommt.

  • Die Geschichte ist bis zum Ende spannend, das finde ich positiv. Sie blieb für mich spannend, weil ich auf Lösungen und Erklärungen wartete, die aber nicht kamen. Viele Fragen bleiben offen, sehr viel bleibt der Phantasie des Lesers überlassen. Und leicht lesbar ist dieser Stoff auch nicht. Keine Anführungszeichen bei den Gesprächen, das hat mich stellenweise etwas verwirrt. Aber das sollte wohl so sein, um den Leser zum Mitdenken zu fordern.
    Man erfährt einiges über alte Filme, man erfährt viel über den alten FBI-Direktor Hoover, aber man erfährt wenig über die oft nur angedeuteten Geheimnisse. Trotzdem hatte ich manchmal den Eindruck, als müsste jeden Moment ein Vampir auftauchen. Oder war sogar einer da, und ich habe ihn nur nicht bemerkt? Möglich wäre das, es bleibt der Vorstellungskraft des Lesers überlassen.
    Ein alter Filmliebhaber beauftragt den Agenten McKenzie, den Stummfilm „Um Mitternacht“ zu finden. Den allerersten Vampirfilm. Der Film gilt als verschwunden und angeblich gibt es auch keine verfügbaren Kopien mehr davon. McKenzie macht sich auf die Suche und entdeckt dabei ein Mysterium nach dem anderen. Er gelangt bis in den Dschungel Mexikos, ist zahlreichen Gefahren ausgesetzt und am Ende...
    Nun, das sollte man hier nicht verraten, um den Leser die Spannung nicht zu nehmen. Eine an sich gute Geschichte, mir persönlich hätte mehr Struktur (Anführungszeichen, Absätze) und etwas mehr an Aufklärung der zahlreichen Geheimnisse besser gefallen.