Erstmals erschienen 2000
Magdalen Nabb hat außer Kriminalromanen auch zwei Kinderbücher geshcireben, das hier ist das erste von ihnen.
Carrie, kurz für Edwina Caroline, ist mit ihrer Mutter und dem kleinen Bruder James in das Haus ihrer Großmutter gezogen. Ihr Vater arbeitet für einige Zeit in Hong Kong. Carrie vermißt ihren Vater, zugleich ist sie froh, daß sie weder die Schule wechseln mußte, noch auf ihre beste Freundin Katy verzichten. Verzichten könnte sie auf James. Für eine Elfjährige ist ein Fünfjähriger vor allem eine Nervensäge, auch wenn May, Haushaltshilfe und Kinderbetreuerin, in den meisten Notlagen bereitsteht.
Eine Geschichte von May ist es auch, die Carrie ein wenig Sicherheit gibt, als etwas passiert, was ihr Angst macht. In der frühen Abenddämmerung sieht Carrie unvermutet die Gestalt eines Mädchens in einem weißem Kleid am Fenster des Dachgeschosses. Von da an ist das Mädchen jeden Abend für wenige Momente dort oben, sie scheint Carrie etwas zuzurufen, dann ist sie verschwunden. Carrie wagt nicht darüber zu sprechen. Dann erzählt May von den Geistern der Dämmerung, die etwas sind wie Erinnerungen, die für einige Zeit Substanz gewinnen.
Carrie fängt an, im Dachgeschoß herumzukramen. Dort stößt sie auf Hinweise auf das Leben einer anderen Edwina, hundert Jahre zuvor, und auf ein Tagebuch ihres Großvaters. Als Carrie krank wird, werden die Erinnerungen auf einmal wieder lebendig.
Twilight Ghost ist eine sehr gute und auch für Erwachsene noch recht überzeugende Geistergeschichte. Carries Kabbeleien mit dem kleinen Bruder, der fehlende Vater, die Freundschaft mit Katy, die immer wieder durch deren Liebe zum Ballett gestört wird, bilden Hintergrund und Rahmenhandlung für eine Geschichte, die um 1900 spielt. Nabb zeichnet das England jener Jahre in deutlichen Farben. Die schroffen Klassengegensätze, die Kluft zwischen gut versorgt und arm, die Unmöglichkeit, sich zu verständigen, auch unter Kindern. Das Scheitern von Wohltätigkeit angesichts harscher Realität. Die Carrie der Rahmenhandlung dagegen braucht die alte Geschichte, um zu sich zu finden.
Das Unheimliche bildet den Unterton, es schillert immer wieder in die Geschichte hinein durch das ungelöste Geheimnis, das hinter dem Dämmerungsgeist steckt. Tatsächlich findet man die Lösung erst am Ende. Es ist sehr trauriges, hartes Ende. Die Erlösung lindert ein wenig, aber der Schmerz bleibt.
Sehr schöne Kindergeschichte, eine Geschwister – und Familiengeschichte, ohne Nostalgie und Zuckerguß erzählt, in der Tradition klassischer Gespenstergeschichten.