Lea ist Außenseiterin. Sie ist nicht besonders hübsch, hat Asthma und eine Hauterkrankung. Ihre Mutter kümmert sich nicht um sie, ist selbst viel zu beschäftigt mit ihren eigenen Problemen, um Leas zu erkennen. Lea ist viel mehr eine Stütze für sie. Dabei ist der Weg zum Erwachsen werden doch eh schon steinig genug. Nur noch 790 Tage, dann ist sie achtzehn. 790 Tage in denen sie gegen Atemnot, Anfeindungen und Liebeskummer kämpfen muss.
"Ja, ich wünsche mir einen vollen, warmen Bauch, Haut, die nie rot wird. Und Luft, die immer ausreicht, selbst für einen Marathonlauf oder Tauchgang. So viel Luft, wie man für einen langen, langen Kuss benötigt."
Lea fehlt der Atem Dinge anzusprechen. Ihre Probleme in Worte zu fassen fällt ihr schwer, was den Kampf dagegen verhärtet. Ihre Gedanken hingegen haben ausreichend Luft zu fliegen.Loopings zu drehen und in die Ferne zu sehen. Dies spiegelt sich in der wundervollen metaphorischen Sprache der Autorin Sabine Raml wieder, die ein Debüt aufs Parkett legt, das sich gewaschen hat.
"Ich hasse es, wenn ich etwas tun muss, das ich nicht will. Meine Luft wird ganz dünn davon und schwebt langsam davon. Wie ein Vogel."
Die reale Welt ihrer Protagonistin Lea hat dem Mädchen so wenig zu bieten, dass sie sich immer wieder in eine Traumwelt rettet und eigene Vorstellungen ihres Lebens ausmalt. Und obwohl sie sich so häufig wünscht der Realität entfliehen zu können, fasst sie den Mut zu kämpfen. Heldenmut ist dafür von Nöten, denn ihre Gegner sind stark und zäh.
"Ich spüre ihren Atem in meinem Nacken.
Mutter kriegt mich nicht klein (sie kriegt mich ja nicht mal gescheit groß)."
Mir gefallen die Themen, die Sabine Raml anspricht. Das verschobene Mutter-Kind-Gefüge, mit dem Lea zu kämpfen hat, und ihr unnötig Steine in den Weg legt. Unnötig, da es auch anders sein könnte, wenn ihre Mutter eben das machen würde, wofür sie da ist: sich um ihre kranke Tochter kümmern. Lea ist ziemlich auf sich allein gestellt. Nicht nur im Kampf gegen ihre Krankheit, gegen ihren Kummer, sondern auch darin zu erkennen, was wirklich im Leben zählt. Zum Glück hat sie eine wirklich gute beste Freundin, die ihr treu zur Seite steht. Mehr und mehr nimmt die Handlung, die anfangs ein bisschen ins plätschern gerät, an Fahrt auf. Lea erkennt, dass innere Werte zählen, und der Leser, dass manchmal mehr in einem Menschen steckt, als auf den ersten Blick ersichtlich.