Rob und Sophia Palmer: Zu Gast in Marokko. Verführerische Rezepte einer kulinarischen Reise, OT: Colour of Maroc, aus dem Englischen von Scriptorium, Köln, München 2015, Verlag Georg D.W. Callwey, ISBN: 978-3-7667-2143-3, Hardcover mit Prägung und Lesebändchen, 288 Seiten mit ca. 300 Farbfotos, Format: 23 x 3,8 x 29,4 cm, EUR 39,95 (D), EUR 41,10 (A), sFr. 53,90 (CH).
„Jeder Marokkaner wird bestätigen, dass Essen, Familie und Freunde die Grundlage für ein erfülltes Leben sind.“ (Seite 185)
Die Marketingleiterin Sophia Thomasset, Tochter eines Franzosen und einer Marokkanerin, ist noch nicht lange in Australien, als sie bei der Arbeit den Food- und Lifestyle-Fotografen Rob Palmer kennenlernt. Die beiden werden ein Paar und heiraten in Marokko, wo Sophia, die seit ihrer Teenagerzeit in Frankreich gelebt hat, noch eine schier unüberschaubare Anzahl von Verwandten hat.
Sophias Familie ist überaus gastreundlich und scheint aus einer Vielzahl begeisterter und begnadeter Köchinnen zu bestehen. Das bringt das junge Paar auf die Idee, ein Kochbuch mit marokkanischen Rezepten herauszubringen. Man muss ja nur die Verwandten um die Rezepte bitten, die Gerichte nachkochen und fotografieren.
Ja, denkste! Die Rezepte gibt es gar nicht in schriftlicher Form. Jede der Damen hat das Kochen nur duch Zuschauen, Mitarbeiten und Erfahrung gelernt. Mit ach und krach kriegen sie ein paar Zutatenlisten zusammen. Eine Beschreibung der Arbeitschritte? Gibt es nicht. Maßangaben? Da lachen die Tanten. „Aynek masanek“, sagen sie. „Deine Augen sind deine Messbecher.“
Wenn die Palmers also ihr Projekt realisieren wollen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu den Leuten in die Küche zu gehen, zuzusehen, mitzuschreiben und Fotos zu machen. Da die Familie groß und gut vernetzt ist, findet die kulinarische Entdeckungsreise die beiden durchs halbe Land. Ausgehend von Marrakesch besuchen sie Freunde, Verwandte, einheimische Familien und angesehene Köche. „Wir kochen in modernen Städten, historischen Medinas und in den entlegenen Dörfern, die sich in der Wüste, an den schier endlosen Küsten und in den hohen Bergen Marokkos finden.“ (Seite 16). Stationen sind unter anderem Essaouira, Mohammedia, Casablanca, Rabat, Volubilis und Quazarzate.
Rob und Sophia berichten von ihrer Reise, von den Menschen, denen sie unterwegs begegnen, präsentieren uns in Wort und Bild die leckersten Rezepte und erzählen kleine Geschichten dazu.
„Die Vorbereitung der Mahlzeiten ist in Marokko ein Gemeinschaftsereignis. Es gibt keine Eile, und alles beginnt mit einem Marktbesuch“, erzählt Sophia. (...) „Vielleicht gibt es in Marokko deshalb so viele langsam gegarte Gerichte. Die Leute mögen keine Gerichte, deren Zubereitung hektisch ist und präzises Timing erfordert. Sie möchten vor, während und nach dem Essen Zeit miteinander verbringen können.“ (Seite 170/171)
Genau da liegt der Hase im Pfeffer. Ich esse sehr gerne marokkanisch und habe keinerlei Berührungsängste, wenn Fleisch mit Feigen, Korinthen oder Mandeln kombiniert wird. Aber das Kochen muss bei mir schnell gehen. Wenn ich allein den Aufwand sehe, den Sophias Mutter mit dem Couscous betreibt, wird mir ganz anders. Zweifellos hat jeder Arbeitsschritt seine Berechtigung und ist für das perfekte Gelingen wichtig. Das basiert ja alles auf generationenlanger Erfahrung. Aber mir wäre das zu viel Umstand.
Marokkanisch kocht man nicht mal schnell so nebenbei. Da braucht man Muße, Zeit und Leidenschaft. Für hektische „Schnellköche“sind die Rezepte nur bedingt geeignet.
Man braucht schon eine gewisse Anzahl von Gewürzen, um die Gerichte nachkochen zu können. Aber allzu exotisch sind die Zutaten in der Regel nicht. Nur ob ich es fertigbrächte, Gummi arabicum in eine Speise zu rühren, da bin ich mir nicht so sicher. Es ist zwar auch nur ein pflanzliches Verdickungsmittel wie Speisestärke, aber mit dem Zeug haben wir früher in der Druckerei Offset-Druckplatten versiegelt.
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Die Fotos sind toll, das Buch ist aufwändig ausgestattet. Das Muster auf dem Cover ist geprägt, der vertikale weiße Streifen mit dem Titel besteht tatsächlich aus einem separaten Stück Karton, der bedruckt und aufgeklebt wurde. Auf den Innenseiten des Covers wiederholt sich das Rosettenmuster des Covers mittels Drucklackierung.
Immer wieder sind Doppelseiten in einem kleineren Format und aus strukturiertem Papier dazwischengeschossen. Auf diesen kleinen Seiten werden kurze Anekdoten erzählt, die zu dem sie umgebenden großformatigen Foto in Zusammenhang stehen. So etwas habe noch nie gesehen, zumindest nicht in einem Kochbuch.
Was mich enttäuscht hat, ist die generelle Qualität des Papiers. Das ist zwar schön dick, aber matt. Da wirken wie wunderschönen Fotos so dumpf wie die Produktabbildungen in einem Katalog für Ökoklamotten. Überhaupt habe ich Kochbücher lieber mit glatten, abwischbaren Seiten. Wenn sie wirklich in der Küche zum Einsatz gelangen, kommt doch auch mal was dran, was man gerne wieder rückstandslos entfernen möchte. Man will ja nicht, dass so ein schönes Buch einschmuddelt!
Auch wenn mir die Leidenschaft fehlt, die aufwändigeren Gerichte nachzukochen, war das Buch ein Erlebnis. Es ist unter unseren vielen Kochbüchern das einzige, das eine Geschichte erzählt und das ich von vorne bis hinten durchgelesen habe wie einen Roman. Es feiert nicht nur die marokkanische Küche. Es feiert das Leben.
Die Autoren
Rob Palmer ist ein australischer Fotograf, dessen Arbeit die Bereiche Lifestyle, Food und Werbung umfasst. Seine Frau Sophia Palmer wurde in Marokko geboren und lebte 13 Jahre dort. Sie reist für ihre Marketing-Karriere um die Welt.