Heftromane .... ein Relikt längst vergangener Tage?

  • Hand aufs Herz: Wer kann wirklich von sich behaupten, noch nie im Leben einen Heftroman gelesen zu haben?


    Ich nicht. Ich versuche es auch gar nicht erst zu leugnen, obwohl es ja wirklich einen peinlichen Tatsch hat :engel


    Zugegeben, mein letzter Ausflug in diesen Bereich der Unterhaltungsliteratur liegt schon viele Jahre zurück. Ich war begeisterte Leserin von "Geisterjäger John Sinclair", der ja nach wie vor noch auf Dämonenjagd zu gehen scheint.


    In der Zeit findet sich die Tage zu diesem Thema ein ganz interessanter Bericht:


    http://www.zeit.de/2015/22/ann…groschenroman-ebook-china

  • Was ist denn daran peinlich - wenn man Heftromane liest?
    Nichts!
    Peinlich ist ggf. - wenn man gar nichts liest.


    Zudem gibt es keinen Grund diese Literaturart geringschätzig anzusehen. Das Schreiben dieser Romane ist nicht einfach. Mein ehemaliger Schwager hat diese Romane geschrieben - in einer Zeit, als es weder Internet geschweige denn Google gab.
    Je Roman bekam er - wenn ich es recht erinnere - so um die 1100 DM - und mehr als zwei Romane schaffte er im Monat nicht. Das Handlungsgerüst wurde vom Verlag vorgegeben und dann musste die Handlung auf 64 Heftseiten passen. Abweichungen davon gab es nicht.


    Und gerade bei dieser Literaturgattung muss die Recherche hundertprozentig sein.


    So beschwerte sich beispielsweise einer der Jerry-Cotton-Leser darüber, dass eine Straße in New York Schauplatz war, obwohl diese Straße gerade durch umfangreiche Bauarbeiten gesperrt war und insofern eine Verfolgungsjagd durch sie hindurch nicht möglich.
    Und man könne ja vom Autor wohl verlangen, dass solche Dinge berücksichtigt würden.


    Ich habe mit großer Begeisterung selbst Jerry Cotton, Wyatt Earp und Perry Rhodan gelesen. Leider habe ich dann diese Hefte entsorgt - heute wären sie unter Sammlern ein Vermögen wert.


    Man soll auch nicht vergessen, dass diese Heftromane, gerade auch die Liebes- und Arztromane für viele Menschen eine Hilfe war, den harten Alltag für eine kleine Weile zu vergessen.


    Niemand hat das Recht - in seiner unbegrenzten Arroganz - auf die herabzublicken, die Heftromane lesen - denn wahrscheinlich lesen diese Arroganzler nachts heimlich mit der Taschenlampe unter der Bettdecke auch solche Herz-Schmerz-Sex-and-Crime-Heftromane.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Oh ja viel gelesen, als die Mauer noch stand sahen die geschmuggelten Hefte sehr zerlesen und vergilbt aus, meist ohne Titelblatt, x- Mal gelesen bis eventuell Nachschub kam.


    Nach der Maueröffnung gings ja mal richtig los.


    John Sinclair, Arzt,-Heimat und was es da gab Romane.


    Aber mein bevorzugtes Genre war Mitternachtsromane.


    Hat viel Spaß gemacht für unterwegs unschlagbar.



    Ich hatte damals einen Rucksack, der hatte im Boden eine Tasche die war randvoll damit, falls man auf der Arbeit genug Lesestoff hatte. :lache

  • Wir haben als Teenies immer die "denise"-Romane aus dem Cora-Verlag gelesen, da gab's alle 14 Tage zwei Highschool-Liebesromane und dann alle paar Monate sog. "Happy Denise"-Sonderbände und auch "Mystery-Denise" oder so ähnlich, ging dann Richtung Grusel/Fantasy.


    Ein Nachbarsmädel hat mir ab und zu die Sinclair-Romane geliehen, die waren eine Zeitlang bei uns auch ganz hip.


    Aber mit dem Ende der Pubertät war dann auch die Heftchen-Zeit durch und irgendwann war mir dann auch mein Geld zu schade dafür.


    Auf der Zugfahrt zum letzten Eulentreffen saß aber tatsächlich jemand bei mir im Abteil, der so ein Heftchen gelesen hat; da kam mir auch wieder in den Sinn, dass man die heutzutage kaum noch sieht. D.h. am Kiosk sehe ich sie schon immer noch, ich kenne nur niemanden, der sie liest! ;-)


    LG, Bella

  • Als ich noch ein Kind war, hat eine meiner Cousinen für einen Pressevertrieb gearbeitet und brachte ganze Plastiktüten voller Zeitschriften und Heftromane - Remittenden - mit nach Hause. Da fehlte zwar ein Stück vom Cover, aber ich hab alles gelesen, was mir in die Finger kam. Horror, Jerry Cotton, Western, Arzt-, Heimat- und Liebesromane und jedwedes Magazin, das sie ins Haus schleppte. Wenn der Schweinkram nicht vorher aussortiert war, auch den.


    Irgendwann wurden mir die Heftromane fad, weil es doch immer das gleiche Strickmuster war.


    Erst Jahre später kam ich wieder in Berührung damit. Ein Schulkamerad versuchte, als Autor in eine Horror-Reihe reinzukommen, schaffte es aber nicht. Da ahnte ich, dass das gar nicht so einfach ist.


    Eine frühere Kollegin von mir schrieb Liebesromane für so eine Reihe, hat aber nie ihr Pseudonym gelüftet. Sie sagte, das zu schreiben falle ihr leicht. Aber es ist nicht jedem gegeben, mit den strengen Vorgaben umzugehen. Eine befreundete Autorin, die sonst ganz andere Themen beackerte, hatte ihre liebe Not damit, ihre Heldinnen auch ja so brav zu gestalten, wie es gewünscht war. Ihre aufmüpfig maulenden Weibsen waren da nicht gerne gesehen.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Ich hab sowas noch nie gelesen. Und wenn ich mir den Artikel durchlese und die Zitate aus dem Roman, dann weiß ich auch warum. :lache

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

  • Ich hab die als junges Ding gelesen, mehr die aus dem Mystery-Bereich, die fand ich damals toll. Weiß allerdings nicht mehr genau wie die hießen, aber die passten damals super ins Taschengeldbudget.

  • Hand aufs Herz, 100% Ehrlich.


    Habe noch nie einen gelesen.



    Was ich gerne gelesen habe in früheren Jahren (wenn man es lesen nennen kann), die "Gespenster Geschichten" Comics :-)


    Aber wie Voltaire geschrieben hat, wieso sollte es peinlich sein? Lesen ist lesen. Ich lese auch gerne mal einen Frauenroman oder ein Jugendbuch, alles ist besser als das tägliche Fernsehprogramm :-)

  • Es gab (oder gibt es noch?) eine Reihe, die irgendwas mit Grusel… hieß. Eine Freundin meinte damals, das sei doch mehr was anstelle meines Schneiderbuchs. Ich habe zwei davon gelesen und habe meine *huhuhu* Gespensterphase damit auch abgeschlossen. Inzwischen bin dann wieder zu anderen Genres zurückgekehrt.


    Peinlich ist es mir nicht. Wenn ich etwas lesen will, ist es mir egal, was andere darüber denken. Ich finde es peinlicher, wenn Shades of Grey plötzlich unter der Buchhülle hervorguckt, wenn man vorher etwas anderes behauptet hat zu lesen.

  • Hätte ich damals ein Smartphone mit Kindle-Apps besessen- vielleicht hätte ich nie solche Romane gelesen. Aber so wie die Welt war, war dieser Spaltensatz ideal die Dinger in die Jeanstasche hinten links zur versenken und zur lesen, wenn Zeit zum Lesen war.

  • Ohja!!!


    Ich habe Jerry Cotton verschlungen, geteilt mit meinem Papa. Wir haben uns immer auf Flohmärkten versorgt. :-)
    Dann natürlich auch John Sinclair und diese ComicReihe, die hier jemand erwähnt hat, Gespenster... hab ich auch ein paar mal in der Hand gehabt.


    Versuchsweise hab ich sogar mal in den Sommerferien 2 Liebesromane gekauft. Naja, das war ganz nett, aber nicht mein Beuteschema.


    Wenn ich damals gekonnt hätte, hätte ich mir wahrscheinlich jede Gruselserie zugelegt. Ich bin ja auch so ein Sammelfreak, aber das war dann kostentechnisch einfach nicht drin.


    Wenn ich solche Sammlungen heute auf Flohmärkten sehe, juckts mich wirklich manchmal in den Fingern... :lache

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Meine Großeltern lesen, solange ich mich zurückerinnern kann, Heftromane. Meine Oma die ganzen Arzt- und Heimatromane, bei meinem Opa stapeln sich die Landserheftchen. Ich selbst habe als Jugendliche mit Begeisterung Geisterjäger John Sinclair gelesen. Und bei meinem Hausarzt steht in der Ecke ein kleiner Zeitschriftenständer, der gut bestückt mit den Heften ist. Da lese ich dann auch häufig darin.


    Mein Interesse an John Sinclair hat sich irgendwann im Sande verlaufen. Die gesammelten Hefte habe ich einem guten Freund geschenkt, der sich unheimlich gefreut hat und der noch heute ein begeisterter Leser der Geschichten ist.


    Peinlich ist das weder mir oder meinen Großeltern, noch den Frauen die neben mir im Wartezimmer des Arztes sitzen und in den Heften schmökern.

  • Aber wenn man so in den Supermärkten und KAufhäusern schaut, sind Heftromane auch heute wohl noch durchaus modern. Sehe oft und viele Aufsteller/Wühltische mit Heftromanen.


    @ Voltaire


    Sehr interessant, es mal von der Seite des Verfassers zu betrachten. Irgendwann habe ich mal ein Buch gelesen, mit einem Protagonisten/Protagonistin, der/die Heftromane schrieb. Leider weiss ich den Titel nicht mehr.

  • Zitat

    Original von Voltaire


    Niemand hat das Recht - in seiner unbegrenzten Arroganz - auf die herabzublicken, die Heftromane lesen (...)


    Sehr wahr. Und man sollte nicht glauben, das Schreiben solcher "Groschenromane" sei etwas für Nichtskönner. Es gehört große Professionalität dazu. Die Verlage stellen hohe Anforderungen an ihre Schreiber, und die Arbeit ist nicht leicht. Ich kenne zwei Schriftsteller, die so ihren Lebensunterhalt verdienen. Möchte nicht mit ihnen tauschen.
    Es ist doch so: Es gibt nach wie vor eine bedeutende Nachfrage nach diesen Heften, und natürlich sind alle denkbaren Arztgeschichten schon hundert Mal erzählt worden. Dennoch immer wieder stilistisch saubere Stories zu verfassen, die gern gelesen werden, ist durchaus eine Kunst.

  • Ich hatte zu wenig Taschengeld (nämlich keines :grin ) dafür und in meiner Familie hat keiner so was gelesen. Also ich 16 war, fing meine Freundin an, Mysterie Heftromane zu lesen, die hat sie dann an mich weiter gegeben und die mochte ich sehr gerne. :-)


    Welche strengen Vorgaben machen denn die Verlage?

  • Zitat

    Original von Prombär


    Welche strengen Vorgaben machen denn die Verlage?


    Nun, vor allem sind es zwei Dinge, die gefordert sind, und die sich eigentlich teilweise entgegenstehen: Einerseits ein fundiertes schriftstellerisches Können (handwerkliche Fertigkeit, Stilistik, Duktus, Sprachrichtigkeit u.v.m.) und andererseits eine Selbstbeschränkung bei der Individualität.
    Ein kleines Beispiel: Ich arbeite gerade an einem neuen Roman. Niemand schreibt mir vor, wie ich den gestalten soll, welche Stilmittel ich einsetze, im übertragenen Sinne: mit welchen "Farben ich male", nicht einmal das Abgabedatum fürs Manuskript ist vom Verlag sehr viel exakter definiert als "im Frühjahr 2016". Das ist bei den Heftautoren ganz anders. Sie haben klare inhaltliche und auch stilistische Vorgaben. Schließlich sollen die Leser z. B. von Fortsetzungsreihen wie "Jerry Cotton" o. ä. nicht merken, dass die Geschichten aus unterschiedlichen Federn stammen. Aber einer allein kann andererseits die engen Terminvorgaben niemals erfüllen. Wer wollte schon alle 14 Tage (oder gar jede Woche - solche Serien gibt´s auch) ein neues Manuskript mit 70 Seiten vorlegen? Das ginge gar nicht, zumindest nicht, wenn eine gewisse Qualität gefordert ist. Und darauf achten die durchaus. Na ja, und das Wichtigste ist natürlich, dass die Protagonisten immer ihren Charakter behalten, wie gewohnt, ihr Aussehen nicht plötzlich verändern usw. Das engt den Schreiber in seiner Kreativität enorm ein, und dennoch soll er kreative, spannende Geschichten am laufenden Band produzieren ...
    Ein harter Job. Aber die Könner in der Szene verdienen recht gutes Geld damit - und vor allem zuverlässig und regelmäßig. Und das ist für 90 Prozent der "normalen" Schriftsteller nie gegeben.

  • Zumindestens die Perry Rhodan Autoren haben ja was fürs Ego erhalten, sie sind die Stars der Fantreffen und daher als Autoren auch bekannt. Die Mutter eines Freundes hat Arztromane geschrieben- so erfolgreich, dass sie mehr verdient hat als Papa Oberstudienrat. Aber dass sie nie ein Buch mit ihrem Namen auf dem Cover hatte, das hat sie schon getroffen.

  • Ich gestehe, als Teenie die "Denise" - Romane gelesen zu haben. Fand sie zu der Zeit auch ganz gut.


    Shades of Grey hat weniger Niveau und wurde als "richtiges " Buch publiziert, nur mal so zum Nachdenken... :lache

    "Literatur ist die Verteidigung gegen die Angriffe des Lebens."


    "...if you don't know who I am - then maybe your best course would be to tread lightly."