Die Biene: Geschichte, Biologie, Arten - Noah Wilson-Rich (Hrsg.)

  • Noah Wilson-Rich (Hrsg.): Die Biene: Geschichte, Biologie, Arten, OT: The Bee: A Natural History, mit Beiträgen von Noah Wilson-Rich, Kelly Allin, Andrea Quigley und Norman Carreck, aus dem Englischen von Coralie Wink und Monika Niehaus, Bern 2015, Haupt Verlag, ISBN 978-3-258078694, Hardcover, 224 Seiten, über 180 farbige und 40 s/w Abbildungen, Format: 20,5 x 2,5 x 24,2 cm, EUR 29,90.


    „Es gibt etwa 20.000 Bienenarten, davon sind zirka 250 Hummeln, 500 – 600 sind Stachellose Bienen und sieben sind Honigbienen. Ein Großteil der anderen sind Solitärbienen, auch als solitär lebende oder Einsiedlerbienen bezeichnet.“ (Seite 140)


    Nachdem ich Laline Paulls Roman DIE BIENEN gelesen hatte, wurde mir klar, wie wenig ich über diese Insekten weiß. Um diesem Missstand abzuhelfen, kam mir das vorliegende Buch von Noah Wilson-Rich gerade recht. In der Tat erfährt man hier vieles über Bienen, von dem man als Laie noch nie etwas gehört hat. Dass es 20.000 Bienenarten auf der Welt gibt, war mir zum Beispiel neu. Dass die kleinste Bienenart gerade mal 1,8 mm lang ist, während die größte bis zu 3,9 mm misst, habe ich auch nicht gewusst. Mir war nicht mal klar, dass Hummeln ebenfalls Bienen sind. Ich hielt sie bestenfalls für so eine Art Bienen-Cousinen. ;-)


    Dass Bienen von Wespen abstammen, war für mich die größte Überraschung. Vor der Evolution der Blütenpflanzen gab es noch keine Bienen. Es gab aber Wespen, die Farne und andere Pflanzen besuchten um dort kleine Insekten zu erbeuten. Mit der Zeit änderten einige Wespenarten ihre Strategie zur Nahrungssuche: Sie gaben die Jagd nach tierischem Eiweiß zugunsten einer vegetarischen Lebensweise auf und ernährten sich von Nektar und Pollen der Blütenpflanzen … der Gegenleistung der Blüten fürs Bestäuben.


    Als zum Vegetarismus konvertierte Wespen hatte ich Bienen noch nie betrachtet!



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    Es gibt Einsiedlerbienen, die allein ein Nest bauen und für ihren Nachwuchs sorgen, es gibt Kuckucksbienen, die ihre Eier in die Nester bestimmter anderer Arten legen, es gibt subsoziale Bienen, die zusammenarbeiten und Gemeinschaftsnester anlegen und es gibt eusoziale Bienen, wie unsere Honigbienen, die in einer hochkomplexen Gruppe zusammenleben. Dort kann sich nur die Königin fortpflanzen, die unfruchtbaren Arbeiterinnen ziehen den Nachwuchs auf. Wie sich diese Eusozialität vermutlich entwickelt, erfahren wir auch. Denn im Tierreich ist es ja eher ungewöhnlich, dass Individuen ihre Fortpflanzungsfähigkeit aufgeben um eine Gruppe zu unterstützen.


    Das Buch beschreibt, wie die Honigbienen in einem eusozialen Staat zusammenleben, arbeiten und kommunizieren. Dass jede „Staatsbürgerin“ eine genau festgelegte „berufliche Laufbahn“ absolviert, zeigen uns die Autoren anhand einer Zeittafel. Frisch geschlüpfte erwachsene Honigbienen pflegen und versorgen zunächst die Brut. Später kümmern sie sich um die Königin, nehmen Futter von einfliegenden Bienen entgegen und verarbeiten es zu Honig. In weiteren Karriereschritten säubern den Stock von Abfällen und toten Artgenossen, sind für die Temperaturregulierung zuständig sowie für den Wabenbau, die Verarbeitung von Pollen und die Bewachung des Stocks. Nur die ältesten Arbeiterinnen verlassen den Stock um Nahrung zu sammeln.


    Es gibt unter den Bienen lang-, mittel- und kurzzüngige Arten, Spezialistinnen, die sich nur von bestimmten Pflanzen ernähren und Generalistinnen, die alles nehmen, was zur fraglichen Zeit blüht. Es gibt Bienen(königinnen), die sich mit nur einer Drohne paaren (Monandrie), mit mehreren (Polyandrie) oder mit sehr vielen (Hyperpolyandrie), was jeweils Vor- und Nachteile hat.


    Neben Evolution und Entwicklung, Anatomie und Biologie, Sozialstrukturen und Verhalten sind auch Bienen und Mensch sowie Bienenhaltung Thema des Buchs.


    Die Vorstellung von 40 interessanten Bienenarten bringt den Leser zum Staunen: Da gibt es pummelige Bienen mit wuscheligem rotem Pelz, schwarz-weiß geringelte Exemplare, schwarze Bienen mit weißen Tupfen, golden, grün und kupferfarbene Prachtbienen, stachellose Bienen, die eher an fliegende Ameisen erinnern und eine pechschwarze Holzbiene, die ein bisschen wie Darth Vader aus STAR WARS aussieht. Die exotischsten Arten scheinen in Australien und Asien vorzukommen.



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    Natürlich gehen die Autoren auch das Bienensterben ein. Wenn es immer weniger Bienen gibt, heißt das ja nicht nur, dass eventuell Honig, Wachs, Pollen, Propolis und Bienengift knapp werden. (Interessant ist übrigens, wie man Bienengift für medizinische Zwecke gewinnt!) Da mindestens 130 Obst- und Gemüsesorten auf die Blütenbestäubung durch Insekten angewiesen sind, sollten wir diese Tierchen pfleglich behandeln! „Die Erträge dieser Nutzpflanzen würden auf unter 10 % des jetzigen Niveaus sinken, wenn die Bienen verschwänden.“ (Seite 96) Und wer weiß, welche Pflanzen darüber hinaus noch ausstürben – und welche Folgen das für die Tiere hätte, die sich von diesen Pflanzen ernähren?


    Wir erfahren, welche Klima- und Umweltfaktoren sowie Krankheiten die Bienen bedrohen, was dagegen unternommen wird – und was man als Einzelner tun kann, um die Bienen zu unterstützen. „Bienen bestäuben Blütenpflanzen seit Jahrmillionen, doch sie brauchen zunehmend Hilfe von uns, da wir ihren Lebensraum schädigen.“ (Seite 213)


    Das Thema „Bienen“ wird hier von mehreren Autoren aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet. Je nach Interessensschwerpunkt und Vorkenntnissen der Leser sind die einzelnen Beiträge unterschiedlich verständlich und relevant. Wer’s, sagen wir mal, partout nicht mit der inneren Anatomie, der Genetik oder der Immunologie hat, kann die eine oder andere Doppelseite ruhigen Gewissens querlesen oder überblättern und wird trotzdem noch jede Menge hochinteressanter Informationen über Bienen und Hummeln bekommen.


    Das Bildmaterial – Fotos, Illustrationen, Diagramme – ist faszinierend und aussagekräftig. Die Schriften sind recht klein und schmal, was sich besonders auf den Doppelseiten unangenehm bemerkbar macht, auf denen sie in Weiß auf schwarzem Grund steht. Da braucht man schon Adleraugen und/oder eine ausgezeichnete Beleuchtung. Das macht das Lesen ein bisschen anstrengend. Aber die Wissbegier lässt einen durchhalten …


    Der Herausgeber
    Noah Wilson-Rich ist Gründer und Wissenschaftlicher Leiter von The Best Bees Company, einer in Boston, Massachusetts, ansässigen Dienstleistungs- und Forschungsorganisation für Bienenhaltung. Er ist ein TED-Sprecher (Technology Entertainment Design) und ein Experte für urbane Imkerei (urban beekeeping) - sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Verbesserung der Gesundheit von Honigbienen. Er hat einen PhD der Tufts University.


    Die Autoren
    Kelly Allin war erste Laborleiterin am Urban Beekeeping Laboratory and Bee Sanctuary der Best Bees Company in Boston. Ihre Beiträge zu diesem Buch überschnitten sich mit ihrem Biologiestudium an der Northeastern University.
    Norman Carreck hält seit mehre als 30 Jahren Bienen und war über zwanzig Jahre in der Bienenforschung tätig. Er ist wissenschaftlicher Leiter der International Bee Research Association und leitender Heruasgeber des Journal of Apicultural Research.
    Dr. Andrea Quigley hat einen BSc in angewanter Biologie der Herfordshire Universität und einen OhD in Landwirtschaftlicher Botanik der University of Wales, Aberystwyth, UK. Sie hat mehr als zehn Jahre lang Bienen gehalten. Als freie Journalistin schreibt sie regelmäßig für Imkerzeitschriften.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner