Gregor Gysi, Friedrich Schorlemmer
Was bleiben wird - Ein Gespräch über Herkunft und Zukunft
Ich lese gerade dieses Gespräch zwischen Gysi und Schorlemmer, zweier Persönlichkeiten, die in Weltanschauung und Werdegang in der DDR nicht unterschiedlicher sein könnten.
Habe ich Streitgespräche erwartet?
Vielleicht.
Was von Beginn an auffällt, ist die Achtung, die sie einander entgegenbringen, dass sie die Absichten des anderen gelten und stehen lassen können. So verwischen sich schnell die Grenzen der unterschiedlichen Seiten des Systems auf denen sie standen und stehen. Was bleibt, ist Wertschätzung dem gegenüber, der Ansichten hat, sie vertreten kann und dennoch Gegensätzliches gelten lässt.
Bisher lese ich mit Genuss und Interesse.
Ich habe immer wieder das Gefühl, dass ich mir Stellen anstreichen muss, um sie später wieder zu finden und noch mal überdenken zu können (geht leider nicht, Bibliotheksbuch). Vielleicht mag sich ja jemand, der das Buch gelesen hat oder den es interessiert, mit mir austauschen.
Vielleicht schon mal ein Gedanke:
Schütt, der das Gespräch mit den beiden führt, gibt gute Anstöße, ab und an auch Erklärungen von in der Unterhaltung Gefallenem.
"...Anpassung setzt das Bewusstsein voraus, sich durchaus anders verhalten zu können, diese Distanz zum Geforderten aber aus bestimmten Gründen gezielt aufzugeben." (Seite 26)
So ein Satz beschäftigt mich, und ich bin mir sicher, dass das keine schnelle Lektüre wird.
Als dieser Satz fällt, geht es zum Beispiel um den Widerspruch, dass Jugendliche durchaus beides machten, Jugendweihe und Konfirmation, Bekenntnis zum Staat und zur eigenen Religion, und nichts dabei fanden. Ich schließe mich da mit ein. Konfirmiert wollte ich werden, zur Jugendweihe ging ich, weil ich Abitur machen und studieren wollte. So einfach war das. Wirklich einfach? War das Bewusstsein für das Treffen solcher lebensentscheidenden Schritte bei den Jugendlichen da? Ich denke, dass hier entscheidend war, mit welchen Leuten man zusammen war, wer einen stärkte, inspirierte oder ob da eben niemand als, ich nenne es mal "Vorbild", war.
Schorlemmer sagt dazu, dass er nichts weiß, was denen, die sich der Jugendweihe verweigerten, an Nachteilen entstand. Ich schon.
Ich muss nachdenken.