Originalversion: Der Wille und die Kraft Teil 1

  • Hallo Eulen, ich weiß natürlich nicht, ob ich durch die Veröffentlichung der Original-Geschichte jemanden von euch dazu bringen kann, diese Geschichte anders (besser) zu beurteilen, aber ich wurde darum gebeten, sie hier reinzustellen, als ich äußerte, ich würde nie mehr eine Geschichte von knapp 2.200 Wörtern auf ca. 1000 Wörter zu verkürzen. Im Original ist die Geschichte bewusst in einem Stil abgefasst, der die Naivität und überhebliche Einstellung des “Verfassers“ darstellen soll:
    Tom : Im Chat die Bemerkung war mit einem *g" gekennzeichnet, ich hoffe, Du hast das so verstanden, denn Deine Kritik, egal mit welcher Wucht ausgesprochen, ist jedes Wort wert!


    DER WILLE UND DIE KRAFT


    Ich hasse! Mein Hass ist grenzenlos im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hasse immer noch, obwohl mir mein Hass die Stunde des Todes immer näher gebracht hat. Oh, wie hasse ich und werde ich bis zur letzten Sekunde hassen. Jetzt noch mehr als zu Beginn, als mein klarer Verstand erfasste, was ich durch meinen Hass alles zu tun imstande war.


    Diese Seiten sollen dazu dienen, diejenigen, denen mein Hass gilt, wenigstens noch nach meinem Tode mit Entsetzen zu erfüllen. Sie sollen wissen, wer hinter allen diesen schrecklichen Vorkommnissen in der letzten Zeit stand.


    Seit meiner Jugend habe ich mich mit allen Berichten und Aufzeichnungen beschäftigt, die irgendwie mit übernatürlichen Fähigkeiten zusammenhingen. Ich verschlang sämtliche Literatur, derer ich habhaft wurde. Schon bald konnte ich die Spreu vom Weizen trennen.


    Meine wichtigste Erkenntnis war, nur der menschliche Wille konnte die Kraft erzeugen, die nötig war, um Taten zu vollbringen, die dann auch den größten wissenschaftlichen Gegner von meiner Theorie überzeugen mussten. Der menschliche Geist war entweder verkümmert oder besaß noch nicht die geistige Reife, die Menschheit allgemein mit dieser Befähigung auszustatten. Aber vielleicht bedurfte es nur eines winzigen Anstoßes, diese Kräfte zu wecken.


    Nur - diesen Anstoß zu finden. Ich wusste, wie schwierig es sein würde, auf diese im Grunde genommen recht dürftige Erkenntnis ein Training aufzubauen. Trotzdem wagte ich es. Ich begann mit recht einfachen Konzentrationsübungen. Immer wieder versenkte ich mich in absolute Tiefen und suchte nach der Quelle der Kraft. Mein laienhafter Verstand sagte mir aber bald, wie sinnlos das alles wäre, wenn ich einen eventuellen Erfolg nicht auch sichtbar machen konnte.


    Also begann ich sofort mit dem zweiten Schritt. Ich legte eine Feder aus meinem Kopfkissen auf meinen abgeräumten Schreibtisch. Dann konzentrierte ich mich auf dieses Objekt, versuchte es durch meine geistigen Kräfte zu bewegen. Wohlweislich aus einem größeren Abstand, denn ich wollte mich durch einen zu heftigen Atem nicht selbst betrügen. Allerdings war der Erfolg auch nicht viel größer. Bis heute weiß ich nicht, ob die von mir festgestellte Bewegung der Feder durch mich oder nur durch einen Luftzug verursacht wurde. Wie dem auch sei, damals versuchte ich mich sofort an ein schwereres Objekt, einer Bleikugel von einem Zentimeter Durchmesser.


    Heute weiß ich, ich war ein Narr, als ich glaubte, die Schwere des Gegenstandes hätte irgendeine Bedeutung. Aber das fand ich erst etwas später heraus.


    Den Anstoß, von dem ich sprach, bekam ich auf einer kleinen Feier, zu der mich ein Freund mitnahm, der mir einen interessanten Abend versprach. Von den Anwesenden war mir niemand ansonsten persönlich bekannt. Es ging recht zwanglos zu, jeder stellte sich bei Bedarf selber vor. Wie sich herausstellte, war einer der Gäste Professor Seitzing, ein anerkannter Experte für übernatürliche Phänomene, soweit man auf diesem Gebiet von einem Experten überhaupt sprechen darf.


    Doch geschahen irgendwo seltsame Dinge, dann wurde er zu Rate gezogen. Fast immer löste er die angeblichen Phänomene als Schwindel, Scharlatanerie oder Betrug auf. Und - wie er augenzwinkernd hinzufügte, die nicht zufriedenstellend gelösten Fälle waren sicher ebenfalls irgendein Schwindel. Aber eben so raffiniert gemacht, dass er die Lösung noch nicht gefunden hatte.

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

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  • Das war nun eine Erklärung die mir überhaupt nicht behagte. So begann unser Streitgespräch. Wir ereiferten uns im gleichen Maße, nur stand er bei den Anwesenden aufgrund seines Rufes wesentlich glaubwürdiger da. Er war ein nicht zu unterschätzender Gegner, der keine Gelegenheit ausließ, mich mit wohlüberlegten Spitzen bei den Gästen zu blamieren. Die Schamesröte wechselte sich bei mir gleichermaßen mit der Zornesröte ab. Das Gespräch entwickelte sich zu einem Streit, der so heftig wurde, dass wir uns anschrieen. Den Höhepunkt erreichte er, als mich der Professor als einen Narren beschimpfte, der an seiner eigenen Narretei zugrunde gehen würde.


    Ich holte gerade Luft für eine beleidigende Antwort, als er süffisant hinzufügte, sollte ich jemals glauben, einen Beweis für meine Behauptungen vorweisen zu können, solle ich ihn konsultieren. Er würde auch meine Beweise mit wenig Aufwand als Betrug aufdecken. Die übrigen Gäste lachten wegen dieser Worte, aber meine Wut war grenzenlos. Nur mit großer Anstrengung dämpfte ich meine Stimme. Ich würde es ihm schon beweisen, entgegnete ich, aber anders, als er es sich vorstellen könnte. Unter dem Gelächter der Gäste und des Professors verließ ich wütend das Haus.


    Da war der Anstoß, auf den ich gewartet, an den ich geglaubt hatte. Mein Hass! Oh ja, ich hasste diesen Mann. Ich wünschte ihm alles Schlechte dieser Welt. Nur die Anwesenheit von Zeugen hatte mich zurückhalten können, ihm Gewalt anzutun.


    Während der Hass in mir wuchs, stürzte ich nach Hause. Mein Blick und alle Gefühle in mir konzentrierten sich auf die Bleikugel auf meinem Schreibtisch bis meine Augen brannten. Aber ich war einfach zu aufgeregt. Meine Konzentration litt unter der brodelnden Aufregung in mir.


    Meine Hände zitterten. Immer wieder schweiften meine Gedanken ab. Nach einem Glas Kognak wurde ich etwas ruhiger. Doch ich spürte, wie der Hass immer mehr die Oberhand gewann.


    Wieder an meinem Schreibtisch sitzend, ließ ich den Hass in mir frei, benutzte ihn als Verstärker meiner Konzentration. Mein Hass galt jetzt auch der Kugel, dieser dreimal verfluchten Kugel auf der Schreibtischplatte vor mir, die - was war das?


    Erst jetzt bemerkte ich, dass ich vor lauter Anstrengung die Augen geschlossen hatte. Mühsam riss ich mich los aus meiner Versunkenheit. Die Kugel hatte sich bewegt! Nicht nur um Millimeter, nein, sie war über den gesamten Schreibtisch gerollt, hatte sogar das Kognakglas etwas zur Seite geschoben. Dieses klingende Geräusch hatte mich aus meiner Trance zurückgeholt. Deutlich erkannte ich die Spur der Kugel in der leichten Staubschicht auf der Tischplatte.


    Geschafft, ich hatte es geschafft, der tiefe Hass hatte den Anstoß gegeben, eine Tür geöffnet, die sonst wohl für mich auf ewig verschlossen geblieben wäre.


    Vielleicht wird mir nun jemand vorwerfen, ich hätte doch etwas Dankbarkeit gegenüber dem Professor empfinden müssen, der mir mit unserem Streit einen Weg, wenn auch unfreiwillig, aufgezeigt hatte. Aber dieser Gedanke kam mir damals nicht. Ich schreibe das nur auf, damit jeder sieht, dass ich heute, nach meiner Abrechnung mit dem Professor, auch diese Möglichkeit durchdacht habe. Nein, ich bereute und bereue nichts, höchstens... doch davon gleich mehr.


    Wie gerne hätte ich in dieser Nacht noch einen zweiten Versuch unternommen, doch ich war einfach zu erschöpft. Von da an verging allerdings kein Tag, an dem ich meine Übungen nicht vollzog und ich schreibe voller Stolz - und Hass, ich hatte weiterhin Erfolg. Sichtbaren Erfolg!


    Die Bleikugel war schnell vergessen. Meine Objekte wurden immer größer, bis ich durch einen Zufall entdeckte, dass die Masse eines Objektes nicht entscheidend war. Entscheidend war nur der durch Hass gesteuerte Wille, um die Kraft zu entfalten. Der Hass auf den Professor war mein Stimulans, war Aladins Wunderlampe, mein Sesam-öffne-Dich für die Quelle der Kraft.


    Nachdem ich merkte, was für Fortschritte meine täglichen Übungen erzielten, kündigte ich meine Stellung bei einem kleinen Verlag. Meine Arbeit dort hatte mich nie ausgefüllt und war jetzt nur unnötiger Ballast. Dank meiner Ersparnisse konnte ich es mir leisten, einige Zeit ohne Arbeit auszukommen. Nach meiner Abrechnung mit dem Professor würde ich meine neue Fähigkeit finanziell ausnutzen.


    Ich begann meinen Kreuzzug gegen den Professor auf die gleiche Weise, wie unser Streitgespräch begonnen hatte. Mit kleinen Bosheiten gegenüber den Professor und einigen der Gäste, welche zu laut gelacht hatten, eröffnete ich das Spiel. Anfangs begnügte ich mich damit, sie stolpern zu lassen oder ihnen die Stühle wegzuziehen. Ganz lustig vielleicht, aber auf Dauer nicht befriedigend. So wurden meine Aktionen immer verwegener.


    Einen der Gäste, der sich am unverschämtesten an dem Streitgespräch beteiligt hatte, ließ ich mit seinem Wagen gegen einen Alleebaum fahren. Das war schon besser - der körperliche Schaden, den er davontrug, belastete mich in keinster Weise. Wenn ich mich richtig erinnere, ist er bis heute nicht aus seiner Bewusstlosigkeit aufgewacht.


    Zufällig war das der Abend, an dem ich feststellte, wie sehr mich die letzten Tage verändert hatten. Meinen Geist durch die Übungen fest unter Kontrolle, begann ich mich körperlich zu verändern. Die Haare zeigten erste Ansätze von Grau und mein Gesicht schien älter, fast verbrauchter. Ich verglich mein Spiegelbild mit einem erst fünf Wochen alten Foto und erschrak. Diese Veränderung war unübersehbar und mit messerscharfer Logik erkannte ich sofort den Grund. Meine Versuche und meine Aktionen kosteten Kraft und Energie.


    Diese Feststellung beunruhigte mich. Ich wollte Rache - und später persönliche Vorteile, aber zu diesem Preis? Doch ich war nicht in der Lage, den einmal beschrittenen Weg zu verlassen. Wenn es so sein sollte, musste ich eben diesen Preis bezahlen, auf die Erfüllung meiner Rache konnte ich nicht verzichten.


    Schon am nächsten Tag ging ich zielstrebiger vor. Ich verfolgte den Professor täglich von seinem Haus zur Universität, von dort zu allen möglichen Terminen und begleitete ihn auch wieder nach Hause. So, dass er mich einfach bemerken musste. Jedes Mal, wenn ich durch meinen Willen und die Kraft in sein Leben eingriff, richtete ich es so ein, von ihm danach bemerkt zu werden. Zugegeben, meine Bestrafungen wurden immer brutaler, aber mein Hass trieb mich dazu. Vor allem, als ich bemerkte, wie sehr meine körperlichen Kräfte von den geistigen Anstrengungen aufgezehrt wurden.


    Immer aufreizender wurden meine Bestrafungen - und jedes Mal danach konnte er mein grinsendes Gesicht in seiner Nähe sehen. Langsam jedoch musste ich das Spiel beenden. Im Spiegel erkannte ich mich fast schon selbst nicht mehr, so alt und verbraucht sah mich mein Gesicht an. Der Hass ist ein Feuer, welches sich gut schüren lässt. Noch hatte ich Kraft genug. Noch!


    Ich beschloss, das Spiel mit einem gewaltigen Finale zu beenden. Warum nur wollte ich es so theatralisch machen? Warum habe ich nicht einfach sein Herz angehalten? Doch genug der Vorwürfe, ich hatte mich anders entschieden.


    Er wollte fliehen, dieser Feigling floh vor mir, einem Amateur, dem er nichts beweisen konnte und der ihm das Fürchten beigebracht hatte. Diese Information entnahm ich der Abendzeitung. Angeblich flog er am nächsten Tag zur Erholung seines angegriffenen Gesundheitszustandes nach Amerika. Also musste es morgen geschehen. Ich legte mich sofort ins Bett, um für das Finale Kräfte zu sammeln.


    Gleich in der Frühe fuhr ich zu seinem Haus. Diesmal allerdings versteckte ich mich. Es war mir klar, er wusste, wer hinter den Widrigkeiten der letzten Tage stand. Nur beweisen konnte er es nicht. Seine eigene Überzeugung ließ ihm keinen Ausweg. Er hätte sich vor allen Menschen blamiert.


    Ich wartete versteckt hinter einem großen Gebüsch. Meine Geduld wurde belohnt. Ein älterer Hausangestellter des Professors fuhr die Limousine aus der Garage, holte das Reisegepäck aus dem Haus und verstaute dieses im Kofferraum. Gleich darauf kam der Professor mit seiner Familie aus dem Haus. Er sah wirklich sehr angegriffen aus, aber was war das schon im Vergleich zu meiner Veränderung. Ganz kurz hielt ich, sozusagen als Test, sein Herz an. Er taumelte kurz, wurde aber sofort von seiner Tochter gestützt. Sie war ihm dann auch beim Einsteigen behilflich und setzte sich selber hinter das Steuer. Hochzufrieden lief ich zu meinem Wagen und fuhr, so schnell es der Verkehr zuließ, zum Flughafen.


    Dort angekommen, spazierte ich solange am Zaun entlang, bis ich freie Sicht auf die Startbahn hatte. Es gab nur einen Flug täglich nach Amerika, ich kannte den Abflugtermin und hatte noch genügend Zeit. Also legte ich mich in das hohe Gras, genoss die Sonnenstrahlen und bereitete mich auf meinen Sieg vor.


    Endlich war es soweit. Die Maschine rollte auf die Startbahn. Ich grinste bei dem Gedanken an den Professor, der vor mir zu fliehen versuchte und genoss meine Vorfreude. Als sich die Maschine endlich in Bewegung setzte war ich entschlossen, kühl und ruhig. Nur mein Hass bohrte in mir, doch der Augenblick der Befriedigung war da. Die Maschine erhob sich in die Luft und stieg langsam auf. Im letzten Augenblick änderte ich meinen Plan. Ein kleines Sportflugzeug erregte meine Aufmerksamkeit. Ich konzentrierte mich auf diese kleine Maschine. Ohne Anstrengung übernahm ich die Kontrolle über die Flugrichtung, zwang es immer näher an die Passagiermaschine um es dann mit einem gewaltigen Hassausbruch mitten in dessen Flugbahn zu lenken.


    Ich hörte den Knall des Zusammenstoß. Teile der beiden Flugzeuge fielen zu Boden, mitten in der Luft explodierte die Passagiermaschine, das kleine Sportflugzeug prallte am Boden auf. Noch eine Explosion, dann Qualm, Feuer, Sirenen. Dantes Inferno durch meine geistigen Kräfte - und eine erfüllte Rache.


    Erschöpft und ausgemergelt schritt ich zum Parkplatz zurück. Ich war müde und hatte Schwierigkeiten, mich auf den Verkehr zu konzentrieren. Zu Hause angekommen, führte mich mein erster Weg vor den Spiegel. Wie der leibhaftige Tod sah mich mein Gesicht an. Ich spürte meine körperliche Schwäche, den immer schneller voranschreitenden körperlichen Verfall. Jeder Versuch, jedes Attentat, jede geistige Anstrengung hatte mir Monate gekostet. Monate meines Lebens, zu Jahren vervielfacht.


    Mein Körper zitterte. Geschwächt ließ ich mich auf mein Bett fallen. Stunde für Stunde hörte ich mir im Radio die Nachrichten an, nicht fähig, mich zu bewegen. Immer wieder hörte ich die Meldungen: Größtes Flugzeugunglück, über hundert Tote, ungeklärte Ursache. Geschwächt genoss ich meinen befriedigten Hass. Endlich brachten sie im Radio einen ausführlicheren Bericht und als der Name des Professors fiel, hörte ich aufmerksam zu.


    "Dass Professor Seitzing diesem Unglück nur knapp entging, verdankt er einem kleinen Herzanfall, als er zum Flughafen fahren wollte".


    Ich weinte, ich versuchte zu schreien. Alles umsonst, er lebte noch, ich konnte es nicht fassen. Ein letzter Versuch, meine Kräfte zu aktivieren, schlug fehl. Aber meine Rache will ich trotzdem, deshalb schreibe ich alles so auf, wie es sich zugetragen hat.


    Gebt ihm diese Seiten. Er soll erfahren, was er mit seinem Streit ermöglicht hat. Er soll es wissen und leiden.

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen