Ich hätte auch gerne Meinungen

  • Jetzt bin ich auch neugierig geworden, wie man meine "Dumm gelaufen"-Geschichte besser schreiben könnte.
    Gebt ihr auch einem Neuling die Chance, Fehler zu verbessern?


    Erinnerungen


    Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
    Sie wusste nicht, ob sie erleichtert sein sollte oder doch lieber in Tränen ausbrechen.
    Dabei war es ihr Wunsch, ihr Wille gewesen, dass er geht.
    Sie hatte auf die Trennung gedrängt. Ihn so lange getriezt, bis auch er nicht mehr bei ihr bleiben wollte.
    Sie hatte ihn angeschrieen, an seinen kleinen Macken, die sie einmal so geliebt hatte, herumgemäkelt und zu guter Letzt gar nicht mehr mit ihm gesprochen.
    Und nun war er weg.
    Endgültig.
    Sie wusste nicht, wie lange sie am Küchentisch gesessen hatte, bis ihr wieder eingefallen war, warum sie ihn aus dem Haus haben wollte.
    Langsam erhob sie sich und ging ans Regal. Dort fand sie direkt, wonach sie gesucht hatte.
    Das Fotoalbum.
    Langsam schlug sie die erste Seite auf und blickte sofort in sein Gesicht.
    Frank.
    Auf diesem Bild musste er etwa achtzehn sein. Es war auf der Klassenfahrt nach München aufgenommen worden. In der Frauenkirche hatte er zum ersten Mal ihre Hand gehalten. Und nach dem traditionellen Besuch im Hofbräuhaus waren sie hinter den anderen zurückgeblieben und hatten sich geküsst.
    Das war der Anfang ihrer Beziehung gewesen.
    Während sie weiter die Bilder betrachtete, wurden immer mehr Erinnerungen wach.
    Erinnerungen, von denen sie geglaubt hatte, sie wären nach der Trennung für immer aus ihrem Gedächtnis gestrichen worden.
    Sie hatten sich nicht getrennt, weil sie sich nicht mehr geliebt hatten. Es war vielmehr eine Trennung aufgrund der Entfernung gewesen.
    Frank war nach dem Abitur in eine andere Stadt gezogen, weil ihn sein Studium dorthin verschlagen hatte.
    Sie jedoch war in der alten Heimatstadt geblieben.
    Eine Zeitlang hatte sie versucht eine Fernbeziehung zu führen. Aber wenn man jung ist, will man nicht nur am Wochenende einen Partner haben.
    Man will sein Leben genießen und Spaß haben.
    Nach und nach waren die Telefonat weniger geworden. Genauso wie die Besuche bei den Eltern und bei ihr.
    Nach etwa einem halben Jahr hörte sie nichts mehr von Frank. Gar nichts mehr.
    Doch auch sie hatte jemanden kennen gelernt. Er war zwar nicht wie Frank, aber er war zärtlich, romantisch und hatte Humor.
    Sie war glücklich.
    Glücklich, bis zu dem Tag, als sie zum Klassentreffen ging.
    Dort traf sie Frank wieder und es war, als wären sie nie getrennt gewesen.
    Sie konnten immer noch so wunderbar miteinander reden wie früher. Noch immer spürte sie ein Kribbeln, wenn er ihr in die Augen sah. Ihre Knie wurden weich, als sie nach dem Treffen gemeinsam die Straße entlang gingen.
    Tief in ihrem Innern wusste sie, dass Frank der Mann war, mit dem sie zusammen sein musste.
    Und sie spürte, dass es auch ihm bewusst war.
    Als Frank ihr dann erzählte, dass er seit einiger Zeit wieder in der Stadt sei, war dies der Moment, in dem sie beschloss ihren Freund zu verlassen.
    Alles zog sie zu Frank. Und obwohl sie an diesem Abend nichts weiter taten, als reden, konnte sie ihr Leben an seiner Seite genau sehen.
    Nun war es also soweit.
    Sie war frei und ungebunden. Sie konnte Frank anrufen und ihm berichten, dass sie endlich ihr gemeinsames Leben beginnen konnten.
    Nichts und niemand würde ihnen im Weg stehen. Dafür hatte sie gesorgt.
    Noch einmal blätterte sie das Album von vorne nach hinten durch. Doch dieses Mal beherrschten nicht die Erinnerungen ihre Gedanken, sondern die Zukunft.
    Sie würde ihn anrufen und ihm mitteilen, dass sie von nun an keinen Tag mehr getrennt sein würden.
    Sie wusste, dass von nun an alles anders sein würde.
    Besser. Viel besser als vorher.
    Frank.
    Sie sprach seinen Namen. Leise, flüsternd, zärtlich.
    Bald würde er es hören.
    Ein Geräusch ließ sie aufschrecken.
    Der Briefträger hatte die Post durch den Briefschlitz in der Tür gesteckt. Schnell stand sie auf und holte die Post.
    Werbung. Rechnungen.
    Und dann machte ihr Herz einen Sprung.
    Ein Brief von ihm. Von Frank.
    Mit zitternden Hände öffnete sie den Briefumschlag und eine Karte fiel zusammen mit einem Zettel heraus.
    Die Worte auf dem Zettel stachen ihr in die Augen.


    Liebe Bianca,
    da wir uns auf dem Klassentreffen so wunderbar verstanden haben, möchte ich dich herzlich einladen, bei meiner Hochzeit...


    weiter kam sie nicht.


    Jetzt stellte sich die Frage, was sie tun sollte, nicht mehr.
    Sie brach in Tränen aus.




    Danke
    Nasenbär

  • Was mir auf den ersten Blick schon aufgefallen ist: Warum machst du spätestens hinter jedem zweiten Satz einen eigenen Absatz?


    Auf mich wirkt die Geschichte dadurch sehr abgehackt; man kommt nie in einen Lesefluß.


    Die Situation, in der die Erzählerin sich erinnert und ihr Plan sich offenbart, wird gar nicht geschildert. Es wird nur berichtet. Das ist mir persönlich zu steril. Ich kann die Erzählerin als Figur nicht greifen, geschweige denn fühlen.


    Der Erinnerungsteil sollte etwas sauberer durchgezogen werden, auf evtl. überflüssige Informationen abgeklopft werden. Wenn die Person der Erzählerin von vornherein besser greifbar und nachfühlbar wird, dann braucht es einige Informationen im späteren nicht mehr. Mir persönlich sind es ohnehin zu viele, und irgendwie liest sich alles wie schon tausendmal gesagt ... Es fehlt das Originelle, was die Sache einzigartig macht.


    Alles, was nach "Weiter kam sie nicht" steht, ist eigentlich überflüssig. Daß damit für sie alles zusammenbricht, ist klar, und ihre Reaktion darauf ist etwas, daß man m.A.n. der Phantasie der Leser überlassen sollte.

  • Die Geschichte erinnert mich an die von Nachtfuchs Robin.


    Eigentlich wollte ich keine Geschichte mehr kritisieren, weil Nachtfuchs nicht weiter geschrieben hat. Ich habe auch lange überlegt, was es konkret war, das mir nicht gefallen hat.


    Es ist das Gefühl in einem fremde Tagebuch zu lesen - Gedanken- und Gefühlsfetzen, so für sich selbst hingeschrieben.
    Nicht, daß ich es besser könnte, aber so in etwa würde es aussehen, wenn ich mir - einfach mal so etwas von der Seele schreiben will.
    Da fehlt das Gefühl, daß mir jemand wirklich etwas sagen will - ich fühle mich im wahrsten Sinn nicht angesprochen.


    Ich hoffe du bist nicht böse .... sonst sag ich NIE wieder was zu einer Geschichte :wave

  • Buchling


    Nein, böse bin ich nicht.
    Ich will doch lernen. Die Geschichte über Robin kannte ich noch nicht, aber als ich jetzt den ersten Teil gelesen hatte, wusste ich was du meinst.
    Die Sätze sind auch so kurz und nur "Gedankenfetzen".
    Allerdings wollte ich diese Gedankenfetzen gerade hier so herüberbringen. Anscheinend war das aber nicht der richtige Weg.



    Iris
    Vielen Dank für deine Beurteilung.
    Die Absätze nach den relativ kurzen Abständen habe ich gemacht, weil ich dachte, somit wäre es besser zu lesen.
    War wohl ein Trugschluss.
    Und schon wieder hab ich bei vier Sätzen drei Absätze. Hiermit verspreche ich, dass ich versuchen werde, mich in dieser Hinsicht zu bessern


    Wenn ich dich richtig verstanden habe, sollte man die Erinnerung an die Wiederbegegnung beim Klassentreffen und alles, was sich danach in Biancas Kopf abspielt, aus ihrer Sicht erzählen. Sprich auch die Gefühle und Hoffnungen, die sich daran knüpfen.
    Aber dabei nicht zu viele Informationen bringen.
    Stimmt das?


    Das die Geschichte nicht besonders originell ist, weiß ich auch. Aber mir ist halt nichts besseres eingefallen. Doofe Ausrede, okay.
    Aber ich wollte halt mal wissen, wie sie bei euch ankommt.


    Was das Ende angeht, so habe ich lange überlegt, nach dem besagten Satz aufzuhören. Was mich letzendlich dazu bewogen hat, die letzten Sätze doch aufzuschreiben, war, dass ich dachte es wäre ein "gelungener" Übergang zum Anfang, als sie sich fragte, ob sie lachen oder weinen soll.
    Hätte ich doch nur auf meinen Bauch gehört, dann hätte ich einen Kritikpunkt weniger gehabt.


    Ich hoffe, ich habe in den nächsten Tagen Zeit die Geschichte zu überarbeiten. Dann werde ich euch das Ergebnis hier präsentieren.
    Bis dahin, scheut euch nicht die Geschichte weiter zu zerpflücken.
    Solange ich daraus etwas lernen kann, bin ich auch nicht böse oder sonst was.
    Schließlich war es meine erste Kurzgeschichte überhaupt. Bis jetzt habe ich nur für meine Kinder ein paar Dinge geschrieben und die finden die Geschichten von Mama selbstverständlich immer gut :-)

  • Nasenbär , dann lese bitte weiter - den ersten Teil fand ich sogar richtig gut - aber dann wird es eine lose Aneinanderreihung - eine nicht begründete Ablehnung gegen alles, ein hin und her der Gefühle, die der Autor vielleicht noch versteht, die er sicher versteht - so wie er schreibt wirkt es aber "autistisch" - nur so für sich selbst hingeschrieben.


    Deine Geschichte ist schon ein guter Ansatz - also eine Frau, die sich in ihrer momentanen Liebe nicht ganz so wohl fühlt, sich vielleicht vergangene Zeiten zurück sehnt oder auch ganz anders. Nur der Leser ist mit diesem Bericht, schlicht überfordert, denn er kann ja mit der Protagonistin nicht in einen Dialog treten.


    Ja so ungefähr ist es - hätte ich so etwas in Ich-Form gehört, dann wäre hier ständig das Bedürfnis nachzufragen, auf den einzelnen Menschen einzugehen, gerade weil es so eine alltägliche Situation ist.


    Schön, daß du nicht sauer bist - vielleicht schreib ich auch mal was - wird sicher viel schlechter ... aber mir fällt nie was ein :grin


    Edit - PS. für die Absätze bin ich dir sehr dankbar - ich hätte es als "Block" vermutlich gar nicht gelesen.

  • hallo, Nasenbär


    das Grundproblem bei dieser gar nicht schlechten Geschichte ist keineswegs die Originalität. Das Grundproblem liegt darin, daß Du Dich schon im zweiten Satz von Deiner Heldin verabschiedest. Du enthältst uns beim Lesen ihre Gefühlsebene vor.


    Zitat

    Sie wußte nicht, ob sie erleichtert sein sollte...


    Ja, wer sagt ihr denn, was sie soll? Da schiebst eine Instanz dazwischen und die überwindest Du auch beim Weiterschreiben nicht.
    Laß doch Bianca erzählen, sie weiß es doch am besten ;-)
    Sie wußte nicht, ob sie erleichtert war oder gleich anfangen würde zu weinen.
    In der Art.
    Aus Deiner distanzierten Haltung ergeben sich dann weitere Ungereimtheiten.


    Der folgende Abschnitt 'Sie wußte nicht...'
    Ich wußte hier nicht, warum Du das in die Vorvergangenheit setzt. Das gibt einen Bruch, so, als ob die Handlung hier zum zweiten Mal einsetzen würde. Dabei läuft der Film doch, seit die Tür ins Schloß fiel.
    Bleib bei Bianca. Ja, sie scheint ein bißchen abweisend zu sein, aber das mußt Du Dir doch nicht bieten lassen. Schließlich stammt sie von Dir! :grin


    Wieso muß sie das Fotoalbum suchen? Hat sie Dir das so erzählt? Glaub dem Mädel kein Wort, die hatte das inzwischen hundertmal in der Hand! Versteckt hat sie es sicher vor ihrem Ex, aber der ist nun weg, also kann sie es höchstens aus einem Versteck ziehen. Aber suchen??


    Frank mußte etwa 18 gewesen sein? Sie weiß doch genau, wie alt sie beide da waren, sie waren in einer Klasse und verliebt. Also wirklich!


    Bei dem Satz mit dem 'Anfang ihrer Beziehung' bin ich nicht sicher, ob der nicht ganz überflüssig ist. Sicher bin ich mir allerdings, daß Bianca NICHT Beziehung gesagt hätte. Das klingt wie in einer Therapie, ebenso wie nachher das 'Trennung aufgrund Entfernung' nach Scheidungsrichter klingt. Oder 'Partner'
    So redet doch keine, die auf Wolke 7 schwebt!


    Von dem 'Nichts und niemand' bis '...'besser als vorher' ist manches de facto doppelt gesagt. Kann man konzentrieren. Wenn man sich auf Bianca Gefühle konzentriert.


    Das 'Bald' ist zu vage. So lange warte sie nicht mehr, sie hat den Hörer ja schon fast in der Hand.


    sprachlich/stilistisch: Du hast eine Neigung zu diesen Doppelungen
    Wunsch und Wille
    Nichts und niemand
    Frei und ungebunden


    Da mußt Du besser aufpassen, weil Du ja schreibst. Da kommt es auf die Bedeutung jedes einzelnen Wortes an.


    Der dritte Satz: dabei war es ihr Wunsch, ihr Wille gewesen kommt deswegen z.B. ganz flach an. Dabei ist es wichtig!
    Du hast gemerkt, daß etwas nicht stimmt und setzt das Possesivpronomen cum Komma. Trotzdem schrappst Du an der Bordsteinkante.
    Du willst eine Steigerung zum Ausdruck bringen, durch die Alliteration sind die zentralen Substantive aber gleichgeordnet.
    Eine einfache Lösung: Dabei war es ihr Wunsch gewesen, ihr Wille...
    Das weist dann schon auf ihre Bessenheit hin, die ja weiter unten noch stärker beschrieben wird.


    Das eine oder andere 'Und' am Satzfang müssen gestrichen werden (da sündige ich auch immer mächtig!), dito 'zwar' im Satz. Zwar schwächt ab, Vorsichtig damit. Nicht auf Biancas blaue Augen reinfallen, sie muß raus mit der Sprache!!


    'Zettel' finde ich unschön von Frank. Hochzeitskare mit Zettel? Was hat der denn für Manieren. Kleiner Brief? Zusammengefaltetes Stück Papier?


    Der Schluß ist nicht leicht in den Griff zu kriegen, weil Du auf das 'sollte' vom Anfang baust.
    Ich kann da nicht zustimmen, weil Deine Protagonistin ja eine sein soll, die selber genau weiß, was sie tut. Das Ganze ist auch zu knapp, um etwaige Zweifel, die sie tief im Inern doch plagen, einzuführen.
    Vielleicht wirklich am besten mitten im Brief aufhören?
    Noch ein Wort zum äußeren Aufbau:
    stilistisch läßt Du Abschnitt für Abschnitt auf eine Pointe zulaufen.
    Das ist zuviel für einen Text. Wähle die Pointen sorgfältig aus.
    Dort fand sie direkt, wonach sie gesucht hatte.
    Das Fotoalbum.
    Langsam schluf sie die erste seite auf und blickte sofort in sein Gesicht.
    Frank.
    usw.
    Das ist zuviel und wirkt eintönig durch die dauernde Wiederholung.
    Das heißt auch nicht, daß alles in einem Block heruntergeschrieben werden muß, im Gegenteil. Absätze gehören dazu.
    Fasse mehrere Sätze zusammen, z.B. am Anfang von 'Die Tür...' bis '...war er weg.'
    Und setze erst das 'endgültig' ab.


    Fällt mir grad noch ein: Macken-mäkeln?? Besser vielleicht nörgeln
    Studium-verschlagen? Ach, nein, so doch nicht. Schicksal schlägt, und selbst das ist heutzutage abgegriffen. Einfach halten.
    'Eine Zeitlang hatte sie versucht...' Hat bloß Bianca versucht oder ist das ein Tipfehler?
    :wave

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Nasenbär
    Wenn ich dich richtig verstanden habe, sollte man die Erinnerung an die Wiederbegegnung beim Klassentreffen und alles, was sich danach in Biancas Kopf abspielt, aus ihrer Sicht erzählen. Sprich auch die Gefühle und Hoffnungen, die sich daran knüpfen.
    Aber dabei nicht zu viele Informationen bringen.
    Stimmt das?


    Oje, was hab ich denn da für ein konfuses Zeug geschrieben ...


    Ich meinte eigentlich, daß ein Leser so gar nichts über die Ausgangssituation erfährt, in der die Erzählerin real steckt -- ich meine die unmittelbare Situation. Sitzt sie allein am Küchentisch? Auf der Couch? Steht sie am Fenster und schaut hinaus? Liegt sie auf dem Bett?
    Diese Situation würde dem ganzen sehr viel Leben einhauchen, weil genau das -- nämlich das Verhalten der Frau in eben diesem Augenblick, da sie verlassen wird -- sie sehr stark charakterisieren würde.
    Aber genau diese Chance vergibst du und präsentierst dafür einen langen Bericht, wie es zu der Ausgangssituation kam.
    Ich würde es für sinnvoll halten, ihr Verhalten vom Zuklappen der Tür bis zum Klappern des Briefkastendeckels in den Bericht einzuflechten, zwischen Präsens (eben dieses Verhalten, z.B. eine rauchen, Essen machen oder auch nur zum Fenster rausschauen, Tischdecke glattstreichen etc.) und Präteritum (Erinnerungs"bericht") zu wechseln. Dieser Bericht darf ruchig emotional sein, dabei sollte sich die Emotionalität in ihrem aktualen Verhalten auch ausdrücken (Übersprungshandlungen, wenn ihr etwas zu Herzen geht etc.).


    Überlege dir einfach: Was tut diese Frau jetzt, in diesen ... sagen wir mal 5 min., in denen sie die Vorgeschichte rekapituliert? Was beginnt sie danach vielleicht, ehe die böse Nachricht eintrifft ...
    Sie hat doch ein Leben, eine Persönlichkeit -- und genau das fehlt mir bisher.[/quote]


    Zitat

    Das die Geschichte nicht besonders originell ist, weiß ich auch. Aber mir ist halt nichts besseres eingefallen. Doofe Ausrede, okay.


    In der Tat! :lache
    Wenn es darum ginge, beim Was besonders originell zu sein, hätte die Menschheit in der Steinzeit schon das Erzählen drangeben müssen, und nichtmal ein Homer hätte je zum Griffel gegriffen. :grin
    Es ist das Wie, das jede gute Geschichte gut und besonders macht.


    Denk darüber nach, welcher Aspekt deine Geschichte und/oder deine Figur Bianca auszeichnet, so daß sie -- abgesehen von ihrer menschlichen Allgemeingültigkeit, die sie ja hat -- etwas Besonderes ist.

  • Hallo, Nasenbär.


    Viel neues kann ich Dir nicht erzählen. Deine Story wirkt sehr nüchtern, berichtshaft, distanziert. Die Protagonistin entscheidet sich gegen den Mann, den sie eigentlich liebt, um mit dem Mann, von dem sie glaubt, ihn zu lieben, eine sehr viel praktischere Beziehung eingehen zu können. Leider heiratet letzterer - eine andere.


    Die Dramatik besteht also darin, daß eine (zu Teilen auch emotional begründete) Vernunftentscheidung getroffen wird, die sich als falsch herausstellt, weil der Gegenstand der Entscheidung nicht mitspielen will/wird. Kern der Geschichte ist die kurze Zeit nach dem Rausschmiß des eigentlich geliebten Mannes, bis die Hochzeitseinladung vom neuen/alten Beziehungskandidaten ins Haus flattert.


    Schnappen wir uns mal ein Stück vom Anfang:


    Zitat

    Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
    Sie wusste nicht, ob sie erleichtert sein sollte oder doch lieber in Tränen ausbrechen.


    Ein Gutteil der Nüchternheit der Story entsteht dadurch, daß Deine Figuren lange Zeit namen- und eigentlich bis zum Ende gesichtslos bleiben. Erst zehn Sätze später kommt sein Name, der Name des Wunsch-/Vernunftkandidaten - Frank. Ihren Namen, Bianca, erfahren wir erst ganz am Ende, denjenigen des soeben rausgeworfenen Mannes überhaupt nicht. Und auch sonst nichts über die Figuren, außer ein paar Erinnerungsstücke, die ziemlich beliebig und austauschbar sind. Um das eigentliche Setting herum bewegt sich in dieser Geschichte nicht viel, und deshalb bewegt diese Story auch nicht.


    "Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss" ist sehr klischeehaft. Ich weiß nicht, ob man nicht weiß, ob man erleichtert sein oder in Tränen ausbrechen soll, aber ich kenne das Gefühl, dazwischen zu schwanken - unbewußt. Das ist aber etwas Anderes. Es ist in jedem Fall unglücklich formuliert, zu behauptend, zu weit von der Protagonistin weg. Es klingt formell, distanziert, aber es geht doch um eine hochemotionale Situation!


    Zitat

    Dabei war es ihr Wunsch, ihr Wille gewesen, dass er geht.
    Sie hatte auf die Trennung gedrängt. Ihn so lange getriezt, bis auch er nicht mehr bei ihr bleiben wollte.
    Sie hatte ihn angeschrieen, an seinen kleinen Macken, die sie einmal so geliebt hatte, herumgemäkelt und zu guter Letzt gar nicht mehr mit ihm gesprochen.
    Und nun war er weg.
    Endgültig.


    Das ist irgendwie leblos heruntererzählt, daherbehauptet. Es hat wenig Eigenes, und aufgrund der o.g. fehlenden Personalisierung ist es auch kaum zu verstehen. Der "Er", der in den nächsten Sätzen auftaucht, ist vom ersten Er schwer zu unterscheiden. Und - Du erzählst nicht. Du reihst auf, recht kurz und knapp, und zwar Ereignisse, die schwerwiegend sind.


    Du versuchst, mit knapper Sprache Dramatik aufzubauen. Das Gegenteil kommt dabei raus.


    Zitat

    Sie wusste nicht, wie lange sie am Küchentisch gesessen hatte, bis ihr wieder eingefallen war, warum sie ihn aus dem Haus haben wollte.


    "aus dem Haus haben" will man Leute, die einen echt nerven, Vertreter und Schwiegermütter. Die Situation in dieser Story ist eine andere. Und auch der erste Halbsatz - ich weiß nicht. Du siehst Deine Figuren nicht vor Dir. Es sind Pappkameraden. Die Geschichte ist zu situativ, unempathisch.


    Dann folgen die titelgebenden Erinnerungen. Iris hat es schon gesagt - das kann man im Präsens erzählen. Figuren handeln lassen! Nicht berichten, sondern unterhalten, erzählen, leben lassen. Die Idee der Geschichte mag gut sein, obwohl ich eine Frau, die sich so entscheidet, so agiert, nicht sympathisch finden kann (insofern hat die Geschichte ein Grundproblem).


    t.b.c.b.o.

  • Zitat

    Die Idee der Geschichte mag gut sein, obwohl ich eine Frau, die sich so entscheidet, so agiert, nicht sympathisch finden kann (insofern hat die Geschichte ein Grundproblem).


    Tom, ja, ist problematisch. Aber Obsessionen und Täuschungen sind ein attraktives Thema.


    Nasenbär, einen schwierigen Charakter als Hauptfigur zu wählen, ist eine heikle Sache. Es zu versuchen, grad wenn man Anfängerin ist, finde ich mutig! Und werte es als postives Faktum, als Versuch, sich in der Flut der Kurztexte einen eigenen Raum zu schaffen.
    Ich befürworte auch den nüchternen Stil. Es geht für mich nur darum, WAS du so schön lakonisch zum Ausdruck bringen willst.
    Also, locke mir mal Bianca noch ein bißchen mehr aus ihrem Eckchen.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali


    Tom, ja, ist problematisch.


    Offen gestanden, sehe ich das Problem nicht. Aber ich habe ohnehin eine Vorliebe für schwierige, zweifelhafte und ambivalente Charaktere. :grin


    Zitat

    Ich befürworte auch den nüchternen Stil. Es geht für mich nur darum, WAS du so schön lakonisch zum Ausdruck bringen willst.


    Um 's mal gradheraus zu sagen: Gerade das Lakonische ist sehr schwer. Das macht richtig Arbeit. Und Kurztexte haben ohnehin etwas von mittelalterlicher Buchmalerei -- wenn ich da an die Schilderung der Illuminationen des Adelmo di Otranto denke ... :grin


    Ich bin durchaus für den lakonischen Stil, aber -- wie Tom schon schrieb -- nicht in Form eine Aneinanderreihung von Behauptungen, sondern als Gefüge von Jetzt und Erinnerung mit weitaus mehr Handlungselementen als bisher (Verhalten der Hauptfigur in diesem Moment, aktive Verben in der Erinnerung etc.).

  • Zitat

    Original von Iris


    Tom, ja, ist problematischOffen gestanden, sehe ich das Problem nicht. Aber ich habe ohnehin eine Vorliebe für schwierige, zweifelhafte und ambivalente Charaktere. :grin



    Hallo Iris,


    ich sehe das Problem schon, vielleicht ist das überhaupt das Grundproblem der Geschichte.
    Ich will auch einen schwierigen Charakter verstehen. Auch wenn seine Taten verwerflich sind, ich den Protagonisten nicht mag - ich will sein Problem erkennen. Ist es Hass, innere Leere, sind es Depressionen, Obsessionen ...


    So wie das in der Geschichte geschildert wird, ist es eine überhebliche Zicke, die ihren Freund, den sie eigentlich mag abschießt, weil sie sich etwas Besseres (WAS?) erhofft. Offensichtlich ist sie so von sich eingenommen, daß sie denkt, die Jugendliebe kommt zu ihr zurück - sobald sie auftaucht (hat er ihr Hoffnungen gemacht, was will sie, was erträumt sie sich, was gibt sie auf?)


    Das alles bleibt völlig im Dunkeln, wenn sie die Wahl gehabt hätte, hätte sie vermutlich beide Männer genommen - und irgendwie, wenn man überhaupt Bezug zu ihr aufbauen kann, dann bleibt doch als Gefühl nur Schadenfreude.

  • Zitat

    Original von Iris


    Offen gestanden, sehe ich das Problem nicht. Aber ich habe ohnehin eine Vorliebe für schwierige, zweifelhafte und ambivalente Charaktere. :grin


    Iris,
    endlich! Weißt Du, daß Du mir seit gut 14 Tagen nicht ein einziges Mal widersprochen hast?? Du hast mich nicht mal verbessert. Und ich habe eine Menge Böcke geschossen, voreilig, wie ich bin. :grin
    Ich fing grad an, mir Sorgen zu machen! :wave


    Du siehst das Problem nicht?
    Brille putzen, psst (geflüstert)


    Du beschreibst es doch selber. Du hast eine Vorliebe für schwierige Charaktere. Das läuft Konventionen zuwider. Wie auch schwierige Charaktere. Wenn man sich für einen entscheidet, schreibt man gegen Konventionen. Und muß deshalb besondere Sorgfalt walten lassen. Sich besonders anstrengen.
    Darüber muß man sich im Vorfeld im Klaren sein. ( Nasenbär )
    Ich finde Bianca auch klasse. Ich liebe Geschichten von Obsessionen.
    Wenn Du eine vorurteilsfreie Minute hast, Iris, dann lies die Beiträge mal unter dem Gender-Aspekt. Ich hätte mich kringeln können. Nein, nicht Feuer spucken, sachlich-abstrakte Ebene, no kidding, luv.


    Buchling
    nein, so zickig ist sie gar nicht. Sie träumt von der Großen Liebe, der Echten, Wahren, Einzigen.
    Ich finde das so toll an der Geschichte, daß sie durch dieses Motiv der Täuschung eine zweite Ebene bekommt. Es ist nicht nur einfach: Tussi spinnt, wirft Typ raus, sondern Tussi ist seit dieser ersten Liebe eigentlich tiefunglücklich, -der Satz: er war zwar nicht wie Frank - zeigt z.B., daß Frank immer Biancas Maßstab geblieben ist, - träumt von großen Glück (noch nicht erwachsen geworden) und will etwas nachholen, das sie meint, verpaßt zu haben.
    Das passiert doch so oft, damit kann man sich doch identifizieren.
    Immerhin hat die Geschichte im Wettbewerb eine Menge Punkte kassiert.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Zitat

    Original von Buchling
    Ich will auch einen schwierigen Charakter verstehen. Auch wenn seine Taten verwerflich sind, ich den Protagonisten nicht mag - ich will sein Problem erkennen. Ist es Hass, innere Leere, sind es Depressionen, Obsessionen ...


    Richtig -- und genau das ist, wie du ganz richtig feststellst, in dieser Geschichte nicht der Fall, und deshalb kommst du ja auch zu dem Schluß:

    Zitat

    - und irgendwie, wenn man überhaupt Bezug zu ihr aufbauen kann, dann bleibt doch als Gefühl nur Schadenfreude.


    Deshalb muß die Figur Bianca, gerade als Perspektiventräger, erheblich plastischer werden.


    Das gelingt allerdings nicht durch noch heftigere Behauptungen (es wird ohnehin schon recht dick aufgetragen), sondern indem man die Person durch ihre Eigenheiten, die Art, wie sie tickt kennenlernt. So, wie die Geschichte hier vorgestellt wurde, ist diese Figur zu beliebig -- und deshalb funktioniert es nicht.


    Also, Nasenbär: Deine Aufgabe ist es herauszufinden, was für ein Mensch diese Bianca ist. Das muß du bis ins Detail wissen.
    Aber für die Geschichte schilderst du uns nur den Teil, der Bianca aus ihrer eigenen Sicht zeigt, was sie tut, was sie fühlt, was sie denkt.


    Den Rest überlasse getrost unserer Phantasie -- und dann darf Bianca auch eine Zicke sein! :grin

  • So, jetzt habt ihr es geschafft, ich bin völlig verwirrt und denke nur noch an die Geschichte
    Vielen Dank!! :grin


    Leider hab ich im Augenblick keine Zeit zu allem Stellung zu nehmen, was ihr alles geschrieben habt.
    Kommt aber noch!


    Allerdings möchte ich zu Buchlings letztem Beitrag etwas sagen.
    Genauso war die Geschichte gemeint. Sie ist eine überhebliche Zicke, die der Meinung ist, dass die Welt sich nur um sie dreht.
    Sie glaubt, nur weil sich ihr Ex-Freund auf dem Klassentreffen mit ihr unterhalten hat, wird er auch den Rest seines Lebens mit ihr verbringen.
    Darauf baut sie ihr ganzes weiters Handeln auf.
    Jetzt geht es nur daraum, zu schlidern, warum sie so ist und warum sie denkt, dass sich ihr Ex-Freund wieder mit ihr einlassen sollte.
    Sehe ich das richtig?


    Wir schon gesagt, ich bin


    Mensch, ich hätte nie gedacht, dass es soooo kompliziert sein kann, eine Geschichte zu schreiben. Doch wenn ich ehrlich bin, hab ich mir auch zu wenig Gedanken um das ganze Drumherum gemacht.
    Aber wie schon gesagt, man kann nur lernen. Besonders wenn man so erfahrene Autoren zur Seite hat.
    Und das war jetzt richtig ernst gemeint :anbet


    Gibt es eigentlich sowas, dass man "nur" lange Romane schreiben kann und keine Kurzgeschichten? Weil man in Romanen mehr Zeit hat, die Figuren auszuarbeiten und in Kurzgeschichten alles genau auf den Punkt bringen muss?

  • Zitat

    Original von Nasenbär
    Gibt es eigentlich sowas, dass man "nur" lange Romane schreiben kann und keine Kurzgeschichten? Weil man in Romanen mehr Zeit hat, die Figuren auszuarbeiten und in Kurzgeschichten alles genau auf den Punkt bringen muss?


    Ja.
    Es gibt AutorInnen, die haben nur Romane geschrieben. Es gibt welche, die haben Erzählungen geschrieben, das ist eine längere Form als diese Kurzgeschichten. Es gibt durchaus Erzählungen von sechzig, achtzig Seiten.
    Kurzgeschichte ist ein ganz spezifisches Genre, da gelten eigene Gesetze neben denen, die sowieso gelten.
    Manche sagen, beim Kurzgeschichten schreiben kann man gut lernen, wie man schreibt.
    Denn etwas über eine längere Strecke entwickeln, seien es Charaktere, sei es eine Handlung, will auch gelernt sein. Mehr Platz zu haben ist nicht nur ein Vorteil. Man gerät leicht in die Versuchung einfach zu labern. Auch nicht gut.
    Schreiben ist schwer?
    Just so.
    :wave

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Nasenbär


    Gibt es eigentlich sowas, dass man "nur" lange Romane schreiben kann und keine Kurzgeschichten? Weil man in Romanen mehr Zeit hat, die Figuren auszuarbeiten und in Kurzgeschichten alles genau auf den Punkt bringen muss?


    Ab in die Autorenecke :grin



    JASS :keks

  • JASS


    Sorry, die Frage kam mir einfach so in den Kopf.


    magali


    Nein, schreiben ist nicht schwer, sondern kompliziert.
    Bis jetzt hab ich einfach so drauflos geschrieben, aber hier bekommt man so viele Tipps, über die ich mir vorher einfach keine Gedanken gemacht habe, z.B. die Tatsache, dass man die Erinnerungen in der Geschichte im Präsens schreiben sollte/könnte. Ich dachte immer, eine Geschichte müsse durchgehend in der Vergangenheit geschrieben werden.
    Ich bin ganz verwirrt und muss erstmal alles auf mich wirken lassen. Aber vom Schreiben wird es mich nicht abhalten. :-)