Fragen an Jacob Nomus

  • Hallo Thomas,


    für mich ist der Name eine wesentliche Eigenschaft eines Objektes. Namensgeneratoren benutze ich nicht, eher Listen, z.B. wenn ich Namen aus einer bestimmten Region oder einer bestimmten Ära suche. Manchmal nehme ich eine Eigenschaft des zu benennenden Objektes, übersetze sie in eine andere Sprache, in Relictio z.B. ins Lateinische oder Griechische, und erzeuge mir aus dem gefundenen Wort heraus den Namen. Aber wie auch immer ich an einen Namen komme, stets wähle ich ihn nach Klang und Rhythmus.


    In Relictio hatte ich bzgl. der beiden Schüler Vorgaben. Der Name Daniel Treaghus entstand aus der Erfordernis, den Spielernamen "dan_t", sprich "Dante", zu generieren. Bei Philipp Smiddlethorp war nur der Vorname vorgegeben, eben durch Giordano Brunos Geburtsnamen "Filippo". Der Nachname, in welchem Philipps Seltsamkeit widerklingen sollte, ist - und hier möchhte ich dem Feingefühl der Büchereulen ein Riesenlob aussprechen - tatsächlich Evelyn Hamann geschuldet.


    Jacob

  • Zitat

    Original von Jacob Nomus
    Bei Philipp Smiddlethorp war nur der Vorname vorgegeben, eben durch Giordano Brunos Geburtsnamen "Filippo". Der Nachname, in welchem Philipps Seltsamkeit widerklingen sollte, ist - und hier möchhte ich dem Feingefühl der Büchereulen ein Riesenlob aussprechen - tatsächlich Evelyn Hamann geschuldet.


    Jacob


    Itht ja withig! Ich habe mir unter den Schlagworten
    "Eyelyn Hamann englisch"
    gleich noch einmal die Geschichte der beiden Cousinen Gwyneth und Priscilla anhören müssen.
    Evelyn Hamann und Loriot sitzen jetzt gerade gewiss mit klingenden Ohren oben auf einer Wolke und lachen sich eines!
    :lache :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Ah Danke Jacob!


    Die mathematischen bzw. Logikthemen, hast Du as recherchiert oder bist Du "zufällig" Mathematiker (oder etwas adäquates?). Ist ja kein so leichtes Thema, dass man so nebenbei den Lesern näher bringen kann.
    Ich finds bisher gut gelungen!

    Viele Grüße
    Thomas


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    wyrd bid ful aræd - Das Schicksal ist unausweichlich

  • Jetzt hab ich doch noch eine Frage Jacob!


    Das Computerspiel "Relictio" orientiert sich das an etwas tatsächliches (bin auf dem Spielemarkt nicht so bewandert) oder entsprint die Spielidee Deiner Fantasie?

    Viele Grüße
    Thomas


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    wyrd bid ful aræd - Das Schicksal ist unausweichlich

  • Hallo Thomas,


    ich bin kein Mathematiker, aber zu Beginn meiner Laufbahn als Autor habe ich mir das Ziel gesetzt, willkürliche Handlungsabläufe wenn möglich zu unterlassen. "Der Mörder ist den linken Weg entlang geflohen. Frag mich nicht warum. Ich spüre es einfach." Solche Sätze hyperempathischer Protagonisten vermeide ich. Abläufe sollen bei mir in irgendeiner Form nachvollziehbar sein. Entscheidungen können hier auf logischen Schlussfolgerungen (z.B. Mathematik), den Eigenschaften des Charakters (z.B. Psychologie) oder der Situation (z.B. Kultur) beruhen.


    Wie im Vorwort von "Relictio" erwähnt, fußt "Nemesis" auf einer wahren Begebenheit. Sie ereignete sich 2005 auf einem Server des Online-Spiels "Ogame". Es erschien mir schlüssig, die Verbindung zwischen jenem Tetraeder und dem von Giordano Bruno aufgeführten Dreieck mathematisch herbeizuführen. Dadurch, dass Daniel Treaghus Philipps Gedanken ins Epos übernimmt, wird das Epos zur mathematischen Blaupause.


    Als weiteres Beispiel einer auf Mathematik basierten Handlung, anbei ein Artikel über die Kurzgeschichte "Der Tod und der Kompass" von Jorge Luis Borges: http://www.huffingtonpost.de/j…uis-borges_b_7106898.html


    Jacob

  • "Relictio" ist ein Spiel der Dimensionen. Daniels Handlungsstrang fächert sich auf in reale, virtuelle und fiktive Welt, Philipps hingegen in wahrgenommene, geistig erschlossene und immaginäre Welt; seien es Chips, Haare oder Holzwürmer, nur Philipps Umgebung ist belebt, ist er doch der Ursprung dieses Treibens. Nicht festgelegt ist die Anzahl der Welten der Kreaturen und Schöpfer, seien es drei (Daniel als Kreatur und Schöpfer von Cilers Universum), seien es fünf, sollte Philipp mit seinem Dimensionsmodell Recht haben und der Ursprung allen Seins in der 0. Dimension liegen.


    Dieses Gebilde aus Ebenen erlaubt es, Aussagen in verschiedenen Kombinationen durchzuspielen, wobei sich ihr Sinn je nach Bezugsobjekt ändert. Sei es eine Diskussion zweier Haare, ob sie Teil der Schöpfung oder der Evolution sind, oder Cilers Erkenntnis, es gäbe in Abhängigkeit des Betrachtungspunktes in derselben Welt einen oder mehrere Schöpfer. Der Gedanke, dass sich die Absurdität einer Frage nicht aus ihrem Inhalt, sondern aus dem Umstand der Betrachtung ergibt, zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman.


    Es ist für mich sehr interessant zu sehen, dass Daniels und Philipps Tod, herbeigeführt durch Sucht, Übermüdung und Wahn, die Leser mehr erschüttert als das Ableben Midors. Der Sucht-Aspekt, auf dessen Phasen die in deutsch und lateinisch verfassten Kapitelüberschriften hinweisen, wurde von den Teilnehmern dieser Leserunde wunderbar herausgearbeitet.


    Die Beziehung zwischen realer und fiktiver Welt in "Relictio" ähnelt jener aus Michael Endes "Die unendliche Geschichte". In beiden Romanen existiert für die Protagonisten (Treaghus und Bux) die fiktive Welt neben der realen. Doch während Phantásien bereits vor Bux existierte, schafft und formt Treaghus seine fiktive Welt, in dem er die von Smiddlethorp gelieferten Elemente einbringt. Ebenfalls ist in beiden Büchern der fiktive Charakter stärker als der reale; dass Atréju Bux rettet, Ciler Treaghus hingegen ins Verderben stürzt, ist allein der individuellen Zielsetzung des fiktiven Charakters geschuldet. Thomas Gerwert hatte auf diesen Aspekt hingewiesen.


    Schließt man das Buch nach dem Kapitel "K", wird "Relictio" zur Abhandlung über die wechselseitige Beziehung zwischen Kreatur und Schöpfer und die zerstörerische Kraft der Leidenschaft, eingebettet in so gegensätzliche literarische Werke über Universum und Hölle wie die Giordano Brunos und Dante Alighieris.


    Was hat es nun mit dem Epilog auf sich?


    Mit den folgenden Ausführungen soll nicht der Eindruck erweckt werden, man könne "Relictio" nur mit Gebrauchsanleitung lesen. Vielmehr eröffnet sich dem Leser ein weiterer Blickwinkel.


    Der Spiegel nimmt in "Relictio" eine besondere Rolle ein; dessen Eigenschaft, ein dreidimensionales Objekt in eine zweidimensionale Fläche umzuwandeln, wird zum Tor zwischen Philipps geometriebasierten Welten. Cilers Ziel, der Quell O'it, konnte keinen anderen Namen haben, ergibt sich doch aus "O'it + Ciler" in Spiegelschrift "Relictio". Bereits der Titel des Romans kündigt also das Ende an: Gor wird dank Thys Karte den inneren Tetraeder Furogons betreten und seinem Schöpfer begegnen. Die Handlung des Romans scheint einem vorgegeben Plan zu folgen. Sehr interessant war an dieser Stelle für mich Thomas Gerwerts Überlegung, ob Philipp überlebte, würde Daniel Thy nicht sterben lassen.


    Der Epilog erzählt die Hinrichtung Giordano Brunos aus der Sicht eines Schülers, der einst bei Bruno die Kunst der Erinnerung erlernte. Mag es noch zufällig anmuten, dass der Unbekannte den letzten Gruß an seinen Mentor mit dem Begriff "Relictio" einleitet, die Anzahl der Schritte vom Gefängnis bis zum Scheiterhaufen ist es nicht: Die beschriebenen Teilstrecken, deren Namen inspiriert sind von tatsächlichen Orten in Rom, finden sich in Daniels Epos wieder. Aus Tor Sanguinea wird der Turm des Blutes, aus Tor di Nona die Wendeltreppe des neunten Turmes.


    Im Roman verstreute Informationen, die auf den ersten Blick als überflüssig erscheinen mögen, dienen dem Knüpfen eines engmaschigen Netzes im Spiel der Parallelen. Es ist kein Zufall, dass die Planetennamen des Epos Brunos Erinnerungsmodell folgen, so wie auch die Handlung des gesamten Romans in die Buchstaben B bis K eingeteilt ist. Vielmehr sind es Hnweise darauf, dass beide Handlungsstränge, Epos und Realität, Erinnerungen sind, die gemäß Brunos Ars Memoriae kodifiziert wurden. Ich empfand es als erfrischend, eine Hommage an Giordano Bruno zu schreiben, die gänzlich, in Inhalt und Form, von dessen Ideen durchdrungen ist, auch wenn der Bezug zur geometrieverliebten Renaissance zuweilen den Lesefluss lähmen mag.


    Jacob

  • Zitat

    Original von Jacob Nomus
    Im Roman verstreute Informationen, die auf den ersten Blick als überflüssig erscheinen mögen, dienen dem Knüpfen eines engmaschigen Netzes im Spiel der Parallelen. Es ist kein Zufall, dass die Planetennamen des Epos Brunos Erinnerungsmodell folgen, so wie auch die Handlung des gesamten Romans in die Buchstaben B bis K eingeteilt ist. Vielmehr sind es Hnweise darauf, dass beide Handlungsstränge, Epos und Realität, Erinnerungen sind, die gemäß Brunos Ars Memoriae kodifiziert wurden. Ich empfand es als erfrischend, eine Hommage an Giordano Bruno zu schreiben, die gänzlich, in Inhalt und Form, von dessen Ideen durchdrungen ist, auch wenn der Bezug zur geometrieverliebten Renaissance zuweilen den Lesefluss lähmen mag.


    Jacob


    Wow! Ok. Gut. Das ist mir jetzt beim Lesen direkt nicht so aufgefallen, aber wenn ich das reflektiere, kann ich es durchaus erkennen. Da steckt echt so viel drin, dass man das gar nicht alles beim Lesen erkennen kann, vor allem dann nicht, wenn man selber nciht so tief in der Materie drin ist! Aber sehr gut gemacht!

  • Ich möchte mich bei allen Teilnehmern dieser Leserunde recht herzlich bedanken. "Relictio" konnte hoffentlich, obwohl inhaltlich sicherlich keine Mainstream-Lektüre, trotzdem gefallen.


    Die Echtzeitkritiken der Leserundenteilnehmer sind sehr interessant für mich, vor allem bezüglich der aus ihnen ableitbaren Wahrnehmung von Innen- und Rahmenhandlung. Auf mein aktuelles Romanprojekt, ein "klassischer" Thriller, wird sich dieser Erkenntnisgewinn allerdings nicht auswirken, denn dort geht es von der ersten Seite geradewegs aufs Ende zu, ohne Netz und doppelten Boden.


    Es kann sich nur um Jahre handeln, aber vielleicht möchte die/der ein oder andere ja beim nächsten Buch wieder an einer Leserunde teilnehmen. : D


    Jacob

  • Wenn wir Dich denn erkennen werden. Wird er denn ebenfalls unter Jacob Nomus erscheinen? Das ist aber ein Künstlername, oder (falls diese Frage erlaubt ist)?
    :anbet :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Hallo Maikäfer,


    es ist unwahrscheinlich, dass ich unter einem anderen Namen veröffentlichen werde. Mein aktuelles Projekt ist die Fortsetzung des Romans "Das Amarna-Grab". Der Autorenname des zweiten Teils sollte schon mit dem des ersten Teils übereinstimmen, ansonsten erzeugt das neue Buch den Anschein von Fanfiction. : D


    Liebe Grüße,
    Jacob