Übers. von Elena Münscher
OT: Assiniboin Girl 2009
Marys Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, das ist noch nicht lange her. Zur Zeit lebt sie bei ihre Tante Janet in einer kleinen Stadt in Georgia. Dort hat Mary es schwer, eine Gruppe rassistischer Mitschülerinnen läßt nichts aus, sie zu quälen. Mary ist eine ‚Rothaut‘.
Die Lage wird auch nicht besser, als Mary den netten Nachbarsjungen Steve kennenlernt, im Gegenteil bestätigt er ihr, daß Rassisten die Kleinstadt beherrschen. Eben aus dem Grund aber lebt Marys Tante dort, sie ist FBI-Agentin, die verdeckt gegen die Rassisten ermitteln soll. Ihre Nichte hättet sie aber gern aus der Schußlinie, deswegen schickt sie Mary zur Großmutter weit in den Nordosten, ins Reservat in Montana. Mary geht unwillig, sie kennt die Großmutter nicht und hat auch keine Ahnung, was sie im Reservat anfangen soll.
Ausgehend von dieser recht verwickelten Ausgangsgeschichte erzählt Kathi Wallace eine ausgesprochen spannende, recht vielschichtige und vor allem schlüssige Geschichte über Identitätssuche in den USA heute vor dem Hintergrund eines gewalttätigen Rassismus. Die Rahmenhandlung ist dabei recht kurz, Hauptaugenmerk liegt auf Mary und ihrer Rückeroberung ihrer Familiengeschichte und dem Finden einer Heimat. Die Sioux-Assiniboin-Kultur gerät dabei keineswegs museal. Die Stadtbewohnerin Mary erfährt einen regelrechten Kulturschock beim Alltag auf dem platten Land, in ihrem Fall zusätzlich geprägt durch Lebensvorstellungen der Assiniboin.
Die Figuren wirken sehr lebendig, allen voran Mary, an deren Seite gerade jüngere Leserinnen voll Staunen, Schreck und entzückter Neugier jeden Schritt in das andere Leben mitmachen. Baden im Fluß (Schlange!!), Wasser trinken, das nicht aus der Plastikflasche kommt (Keime!!), Kanincheneintopf (schlachten? Häuten??) und eine mikusi (Großmutter) die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Hexe ist, halten eine beim Lesen in Atem.
Gespiegelt wird Marys Suche nach der, der sie eigentlich ist, an einer Art Traumgeschichte, mit der unaufdringlich einiges aus der Vergangenheit der Assiniboin erzählt wird. Die Teilstücke sind geschickt ineinandergefügt, am Ende ist auch der letzte Faden verknüpft.
Wallace scheut sich nicht, das Grundproblem, den aktuellen Rassismus in seiner ganzen Bösartigkeit darzustellen. Marys Geschichte hat ein gutes, aber auch ein sehr böses Ende. Rosarot ist hier nichts.
Erschienen ist das Buch in einem sehr kleinen Verlag, was zeigt, daß es sich sehr lohnen kann, auch abseits der Publikumsverlage nach Jugendbüchern zu stöbern. Eine Einschränkung muß gemacht werden, wie so oft bei Kleinstverlagen, haben sich auch hier einige Schreibfehler in den Text geschlichen. Dazu kommen ein paar Ausrutscher in der Übersetzung. Gerade bei Büchern für Kinder und Jugendliche darf das nicht passieren.
Trotzdem kann man die Geschichte nur empfehlen, weil sie in Vielem anders und überraschend ist und eine sehr sympathische Hauptfigur zum Leben erweckt.
Ausgestattet ist das Büchlein mit einem Verzeichnis der Nakota-Ausdrücke, drei Worten zu den Assiniboin (aus Wikipedia), einer Kurzbiographie der Autorin und drei kleinen Innenillustration.