Die Hartz-IV-Diktatur - Inge Hannemann
Inhalt
Das mutige Debattenbuch der Hartz IV-Rebellin Warum werden Hartz-IV-Empfänger in vielen Jobcentern zu Bittstellern degradiert? Warum schickt man hochqualifizierte Fachkräfte in sinnlose Fortbildungen? Und warum zählt nur noch die Statistik – und nicht der Mensch? Diese und viele andere unbequeme Fragen stellte Inge Hannemann ihrem Arbeitgeber, der Bundesagentur für Arbeit in einem offenen Brief. Kurz darauf wurden ihr Computer überwacht, ihre Gespräche abgehört und ihr Arbeitsplatz durchsucht. Letztlich wurde sie freigestellt. Dabei war Inge Hannemann viele Jahre lang eine erfolgreiche Arbeitsvermittlerin gewesen, doch ihr Engagement für die Kunden sorgte für Unmut bei Kollegen und Vorgesetzten. Die Hartz-IV-Rebellin deckt auf, was in den Jobcentern Deutschlands Tag für Tag geschieht, welche menschlichen Tragödien die Hartz IV-Sanktionen auslösen – und wie teuer das unseren Staat zu stehen kommt.
Autorin
Inge Hannemann, Jahrgang 1968, arbeitete als Kaufmännische Angestellte und als Coach für Arbeitssuchende. 2006 wurde sie Arbeitsvermittlerin im Jobcenter Hamburg-Hamm, 2011 in Altona. Im Frühjahr 2013 stellte man sie aufgrund ihres «Brandbriefes» an die Agentur für Arbeit, in dem sie auf Missstände im Zusammenhang mit Hartz IV hinwies, frei.
Meine Meinung
Ein Buch, das schon lange fällig war. Das ich verschlungen habe, auch wenn mir persönlich bereits sehr vieles bekannt war - von Betroffenen, der Arbeit mit Betroffenen und auch langer Recherche - aber nicht alles und das ist für mich erschreckend, daß es noch schlimmer ist, als angenommen.
Die Schaffung eines Systems, das letztlich genau das Gegenteil dessen bewirkt hat, wozu es einmal gedacht war.
Gedacht war die Agenda 2010 mit Einfühung des SGB II zur Verringerung der Erwerbslosigkeit, der Schaffung von Arbeitsplätzen.
Bewirkt hat sie eine Spaltung in der Gesellschaft, soziale Ausgrenzung, Entsolidarisierung, einen der größten Niedriglohnsektoren, eine stetig wachsende Armut, Besonders bei Kindern...Ein sehr menschenverachtendes System.
In diesem Buch beschreibt Inge Hannemann die Arbeitsweise in einem Jobcenter, das nicht den Menschen, sondern Zahlen im Blickpunkt hat.
Der Verwaltungsapparat, die ständigen Neuerungen in der Gesetzgebung, der Zwang positve Zahlen zu erreichen stehen im Mittelpunkt und nicht die individuelle Förderung von Erwerbslosen.
Um Zahlen zu schönen, Zielvorgaben zu erreichen, werden Menschen auf alle mögliche Arten aus der Arbeitslosenstatistik gerechnet. Die tatsächliche Zahl wird wohlweislich der Gesellschaft vorenthalten.
"Wie stünden wir denn in Eurpoa da, wenn bekannt würde, daß ausgerechnet das reiche Deutschland nicht in der Lage ist, seinen Bürger vernünftige Arbeit zu bieten, von der sie auch in Würde leben können?"
In Ein-Euro Jobs gezwungen - an Zeitarbeitsfirmen "vermittelt", in Maßnahmen gepresst, egal, ob die Arbeitssuchenden für die jeweiligen Jobs oder Maßnahmen überhaupt geeignet sind.
Da kann es dann bsp. leicht mal einen ausgebildeteten ITler passieren, der jahrelang gearbeitet hat, aufgrund der Schließung seiner Firma erwerbslos wurde und nun danke seines reiferen Alters keinen adäquaten Job mehr bekommt, daß er in eine Maßnahme gestopft wird, in der Menschen lernen sollen mit einem PC umzugehen...
Egal, vergiß doch den Menschen dahinter- Hauptsache, die Statistik ist wieder um eine Person bereinigt.
Das ist nur eines von sehr vielen Beispielen, die tagtäglich in den Jobcentern in Deutschland vorkommen.
Auch stellt sie den Druck dar, dem die Jobcentermitarbeiter selber ausgesetzt sind. Daß ihnen letztlich aufgrund von Weisungen von oben nicht die Chance gegeben wird, sich überhaupt sinnvoll mit den jeweiligen "Kunden" - wie ironischerweise die Erwerbslosen genannt werden - zu befassen, wenn sie selber nicht die Schreibtischseite wechseln wollen.
Dadurch die nicht ausbleibende Resignation der Mitarbeiter und der folgende "Dienst nach Vorschrift", der dem tatsächlichen Zweck - Menschen in Arbeit bringen - nicht sonderlich förderlich ist.
Dazu kommt das arbeiten mit Druck und Zwang - Sanktionieren für die allerkleinsten "Vergehen".
Hineinzwingen in prekäre Job, von denen niemand leben kann, weiter aufstocken muß, hineinzwingen in Sinnlosmaßnahmen, die genau das nicht machen, was sie sollen - in Erwerbsarbeit führen, von der man leben kann.
Jeder Psychologe, jeder Pädagoge, weiß, daß Druck genau das Gegenteil bewirkt.
Die Situation für Betroffenen verschlimmert sich.
Eine Arbeit bekommt man davon nicht. Im Gegenteil, die Arbeitsfähigkeit wird rapide herabgesetzt.
Letztlich sind nicht die Erwerbslosen die Nutznießer des Systems, sondern andere, die daran reichlich verdienen.
Sei es die Zeitarbeitsfirmen, die seit 2005 wie Pilze aus dem Boden sprossen und noch weiter sprießen. Maßnahmeträger, die Erwerbslose "weiterbilden" sollen und dafür Steuergelder erhalten und wenn die Erwerbslosen nur eine "Weiterbildung" in Spaziergängen und ähnlich absurden Dingen erhalten.
Firmen und gesunde Unternehmen, die sich vom Jobcenter subventionieren lassen, indem sie gerinste Löhne zahlen und die Menschen so zu Aufstockern degradieren.
Inge Hannemann schreibt sachlich (viel sachlicher, als ich es bei dem Thema kann)
Klärt auf, nennt Beispiele von Erwerbslosengeschichten und berichtet auch von ihrem Kampf gegen das ungerechte System.
Ich könnte noch wesentlich mehr schreiben, laß das aber mal lieber und empfehle, sich selber ein Bild zu machen mit diesem Buch, das aufklärt.
Fazit
Ein Buch, das dringend notwendig war, die Agenda 2010, die tatsächlichen Folgen und Nutznießer des Systems und die Arbeit in einem Jocbenter zu beschreiben und darzustellen.
In einem sehr gutem, vor allem auch sachlichen Sprachstil gehalten.
Ich empfehle es besonders als Pflichtlektüre für Politiker um sich der Realität nicht länger verschließen zu können.