Kurzbeschreibung (gem. Amazon)
Susan Webster hat keinerlei Erinnerung an den schrecklichsten Abend ihres Lebens: Sie soll ihren eigenen Sohn erstickt haben. Jahre später entdeckt sie Fotos, die die Hoffnung schüren, dass ihr geliebter Sohn noch lebt. Auf eigene Faust versucht Susan, den rätselhaften Bildern und ihrer eigenen Erinnerung auf den Grund zu gehen - und kommt dabei einem anderen grauenvollen Verbrechen auf die Spur, das sich vor zwanzig Jahren an einem Elite-College im Norden Englands ereignete ...
meine Meinung
Susan Webster wird nach 4 Jahren aus dem Vollzug entlassen. Ihre Tat: sie hat ihren 3 Monate alten Sohn Dylan getötet und dann versucht sich selbst umzubringen. Obwohl sie sich nicht an den Hergang erinnern kann, bereut sie zutiefst und versucht sich unter dem Namen Emma Cartwright ein neues Leben aufzubauen. Doch dieser Versuch wird jäh zerstört, als sie einen anonymen Brief bekommt. Einen Brief, der an ihren alten Namen adressiert ist und das Bild eines 4-jährigen Jungen enthält. Und dieser Junge soll Dylan sein. Susan kann es nicht fassen und setzt alles daran, herauszufinden, welches Spiel mit ihr gespielt wird!
"Die stille Kammer" ist das Debüt von Jenny Blackhurst und lässt mich zwiegespalten zurück. Auf der einen Seite ist die Idee, eine verurteilte Verbrecherin in den Mittelpunkt zu stellen, gelungen und hochinteressant, auf der anderen Seite verbaut sich die Autorin aber durch eine abstruse Liebesgeschichte Potenzial.
Die Geschichte wird aus von der verurteilten Straftäterin Susan Webster selbst erzählt. Und obwohl ich sie allein für ihr Verbrechen nicht hätte mögen dürfen, empfand ich sehr viel Mitgefühl für diese gebeutelte Frau. Sein eigenes Kind zu töten, sich nicht erinnern zu können und daher auf die Umwelt verlassen zu müssen, muss unvorstellbar grausam sein. Und daher konnte ich ihre Zweifel, die sie bekam, als sie diesem ominösen Brief erhielt, sofort nachvollziehen. Hier hat Jenny Blackhurst sehr viel Fingerspitzengefühl bewiesen.
Neben Susan gibt es auch immer wieder kapitelweise Rückblendungen, deren Sinn sich erst im Laufe des Thrillers erschließen. Dort lernt man eine Clique von Teenagern kennen, die man bis zum College und darüber hinaus begleiten darf. Diese Rückblicke werden aus der Erzählerperspektive wiedergegeben. Zu Beginn wusste ich damit überhaupt nichts anzufangen und habe sie zwar mit Neugierde, aber auch vielen Fragezeichen im Gesicht gelesen. Erst bei circa der Hälfte des Buches wird langsam klar, wie die Vergangenheit und Gegenwart zusammenhängen. In meinen Augen war dies etwas spät und ich hätte es besser gefunden, wenn ich schon früher gewusst hätte, DAS es einen Zusammenhang gibt.
Die Story selbst ist gerade zu Beginn sehr spannend, lässt dann im Mittelteil merklich nach, wird teilweise auch nicht mehr logisch nachvollziehbar und erst zum Ende hin nimmt das Ganze wieder Fahrt auf. Dieses Auf und Ab hat mich gestört, denn eine für den Roman sehr wichtige Wendung war für mich nicht schlüssig und nachvollziehbar erklärt. So habe ich zwar weiterhin mit Interesse gelesen und war auch gedanklich dabei, doch meine Begeisterung hatte sich abgekühlt. Auch so mancher Gedankengang von Susan gegenüber dem Journalisten Nick war mir zu schräg, zu weit weg von der Realität.
Und hier komme ich schon zu meinem größten Kritikpunkt: die mehr als krude und zu sehr gewollte Lovestory zwischen Susan und Nick. Dass es zwischen den beiden knistert, störte mich nicht. Allerdings war die Entwicklung der beiden zueinander mehr als kurios: mal schmilzt Susan fast dahin, wenn Nick sie nur anschaut. Dann ignoriert sie ihn komplett, als er ihr Avancen macht. Und zum Ende hin wird das Ganze dann noch so kitschig und unpassend, dass ich laut losgelacht habe. Die Autorin hat sich hier so viel Potenzial zerstört und sich um ein für mich mehr als passendes Finale gebracht. Schade!
Der Stil von Jenny Blackhurst ist sehr gut und flüssig zu lesen. Ihre Erzählweise passt zu der labilen Susan, die nicht mehr ein noch aus weiß und immer wieder an sich selbst zweifelt.
Fazit: ein spannende Grundidee, die leider durch einen unpassenden Erzählstrang kaputt gemacht wurde. Durchaus lesenswert, aber nicht begeisternd.