Wald – Doris Knecht

  • Die Autorin
    Doris Knecht, geboren in Vorarlberg, ist Kolumnistin («Kurier», «Falter») und Schriftstellerin. Ihr erster Roman «Gruber geht» (2011) war für den Deutschen Buchpreis nominiert, derzeit wird er verfilmt, im Frühjahr 2015 kommt der Film in die Kinos. Für ihren vielgelobten Nachfolger «Besser» (2013) erhielt Doris Knecht den Buchpreis der Stiftung Ravensburger Verlag. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.


    Das Buch
    Eine Frau allein in einem abgelegenen Haus in den Voralpen: Marian haust primitiv, in unfreiwilliger Autarkie, denn sie hat alles verloren. Früher, in der Stadt, hatte Marian Mode entworfen und lebte gut, dann trieben die Krise und eigene Fehler sie in den Bankrott, zum völligen Rückzug. Aber auch der Versuch, im geerbten Haus wieder zu sich zu finden, wird für Marian zum Überlebenskampf. Mühsam lernt sie, sich zu versorgen, sie fischt, wildert, stiehlt Gemüse und Hühner. Und sie muss sich arrangieren, in neuen Abhängigkeiten: Der reiche Grundbesitzer Franz versorgt sie mit dem Nötigsten – nicht ganz uneigennützig. Im Dorf feindet man die Außenseiterin immer mehr an. Als sie beschimpft und bedroht wird, muss Marian sich den Dingen stellen. Was ist das nun eigentlich mit Franz? Und wie kann sie ihr Leben wieder in den Griff bekommen? Stückweise enthüllt der Roman Marians Sturz, schnell und unverblümt erzählt er, wie sie sich in ihrem neuen, archaischen Leben zu behaupten lernt. Eine starke, gefallene Frau mit dem Willen zum Neuanfang, und das Dasein auf dem Land als Spiegel einer brüchigen bürgerlichen Welt – in «Wald» findet Doris Knecht nicht nur einen unverwechselbaren Ton, sie erzählt auch auf mitreißende Weise davon, wie es ist, wenn man sein schönes Leben auf einen Schlag verliert.


    Meinung
    Okay, nach „Gruber geht“ und „Besser“ waren meinen Erwartungen möglicherweise zu hochgeschraubt. Nach den ersten hundert Seiten dachte ich, das müsse eine andere Autorin geschrieben haben. Wo war die amüsant-spritzige und hintersinnige Schreibe geblieben? Stattdessen stieß ich auf Geschwätzigkeit – immerhin gutgeschriebene.


    Welcher Leser interessiert sich für die ellenlange Beschreibung überteuerter Schicksenschuhe? Kurz: Die ersten hundert Seiten hätte man gut auf 30 Seiten zusammenfassen können. Und für 270 Seiten kommt auch das Geschichterl zu kurz. Auf der anderen Seite hat sie den Absturz und die Ängste der Protagonistin, das Landleben und die Atmosphäre wirklich klasse beschrieben. Auch das offene Ende hat mir gefallen. Die Nähmaschine deutete einen Aufbruch an. War das Säubern der Haustür ein Zeichen für den Neuanfang?


    Ein schwächeres Knecht-Buch ist immerhin noch 7 Eulenpunkte wert.

  • Mein Lesejahr 2018 ist geprägt von Wandern, Wildnis und Wald. Ich ziehe das weiter durch, weil es einfach unheimlich interessant ist, was der jeweilige Autor draus macht.

    Im Gegensatz zu Anna Quindlens Figur aus "Ein Jahr auf dem Land" hat Knechts Marian wirklich alles verloren, hat mehr als Luxus-Probleme. Nicht einmal das Haus, in dem sie gerade so überlebt, gehört ihr.

    Marian(ne) kommt aus einer Schicki-Micki-Welt, der gehobenen Mittelklasse, wie sie sich selber ausdrückt, da bleiben Beschreibungen von Luxus-Artikeln wohl nicht aus. Sind vielleicht sogar notwendig, um den krassen Unterschied zu ihrem jetzigen Leben noch besser darzustellen, was der Autorin aber aus meiner Sicht hervorragend gelungen ist (kein Einkaufen mehr auf dem Markt, sondern selber Nüsse pflücken, lernen zu Fischen, Brot backen und auch mal Mais zu stehlen usw. usf.).

    Wenn die anderen Knecht-Bücher noch besser sind, als dieses hier, muss ich mir die vielleicht auch nochmal irgendwann vornehmen.

    Dieses hier ist mir jedenfalls 8 gute Punkte wert. Absolut lesenswert, mit einem ganz eigenen Stil.

    Das Landleben in Selbstversorgung ist hart, egal, ob man in den Voralpen oder in Alaska ist, und das Zusammenleben in einer Dorfgemeinschaft ist auch nicht einfacher als in der Stadt. Schon gar nicht als Dazugezogene und "Hur".

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“