Der Autor (Amazon)
Dave Eggers, geboren 1970, ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autoren. Sein Werk wurde mit zahlreichen literarischen Preisen ausgezeichnet. Sein Roman Ein Hologramm für den König war nominiert für den National Book Award, für Zeitoun wurde ihm u.a. der American Book Award und der Albatros-Preis der Günter-Grass-Stiftung verliehen. Weit Gegangen wurde in Frankreich mit dem Prix Médicis ausgezeichnet. Eggers ist Gründer und Herausgeber von McSweeney’s, einem unabhängigen Verlag mit Sitz in San Francisco. 2002 rief er ein gemeinnütziges Schreib- und Förderzentrum für Jugendliche ins Leben, 826 Valencia, das heute Ableger in mehreren amerikanischen Städten hat. Eggers stammt aus Chicago und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Nordkalifornien.
Das Buch (Amazon)
Thomas ist ein Getriebener, der Antworten sucht. Antworten auf die Fragen, die er sich als junger weißer Amerikaner, der aus vielen Rastern fällt, selbst stellt. Und Thomas hat nur ein Mittel, diese Antworten zu finden: Er fragt. Er entführt nacheinander Menschen in eine stillgelegte Militäranlage, kettet sie dort in alten Baracken an und fragt. Fragt einen Astronauten, warum er nie zum Mars geflogen ist. Fragt einen Kongressabgeordneten, wie er die Zukunft des Landes sieht. Fragt seine Mutter, warum sie ihn auf ein Leben vorbereitet hat, das nicht existiert. Und er fragt, warum sein Freund Don unschuldig sterben musste. Thomas gerät immer tiefer in den Strudel der Sinnfrage, bis er den Verstand zu verlieren droht. Dave Eggers zeigt uns einen verzweifelten jungen Amerikaner, der seinen Platz im Leben nicht finden kann und der herausfinden will, worin seine Aufgabe auf diesem Planeten besteht.
Meinung
Die Idee ist gut und der Leser wird ohne Vorgeplänkel in die Geschichte hineingeworfen. Zwei Dinge sind mir bitter aufgestoßen, worüber ich lange nachgedacht habe, und die nicht richtig zur Story passen. Der Protagonist müsste eigentlich zehn Jahre jünger sein. Er ist kein junger Mann mehr, auch wenn der Erzähler bemüht ist, das glaubhaft zu machen. Ist ein Mann seines Alters wirklich noch so naiv? Zweitens wirken die Entführungen nur wenig glaubwürdig. Man entführt nicht hintereinander mehrere Personen zwischen Mittag- und Abendessen, ohne Widerstand und ohne unvorhergesehene Pannen. Das wirkt ein wenig lustlos zusammengezimmert – das hätte der Autor sorgfältiger ausarbeiten müssen.
Davon abgesehen, ist es eine gelungene Erzählung über die alltägliche Abstumpfung des Daseins – die Vernachlässigung von Vernunft und Moral. Der Schrecken im Hier und Jetzt ist eine moderne Mutation. Ein verzweifelter Mensch kann von Polizisten durchlöchert werden, weil es die Vorschriften zulassen, an die wir uns halten, ohne nachzudenken. Das macht uns unmenschlich, obwohl wir scheinbar menschlich handeln:
„Wir alle haben Liebe und Hass und Leidenschaft und das Bedürfnis zu essen und zu schreien und zu vögeln, das sind Dinge, die jeder Mensch hat. Aber es gibt diese neue Mutation, die Fähigkeit, sich zwischen einen Menschen und ein Mindestmaß an Gerechtigkeit zu stellen und das mit irgendeiner Vorschrift zu rechtfertigen. Zu sagen, dass das Formular nicht richtig ausgefüllt wurde“ (Seite 194).
Der nicht mehr ganz so junge Protagonist, der sich recht ungewöhnlich auf Sinnsuche begibt, fragt am Ende des Buches:
„Haben wir keine großen menschlichen Projekte verdient, die uns Sinn geben?“ (Seite 220).
Ist das der Hilfeschrei einer Generation, der die Langeweile des Daseins zu dürftig ist?