Baptiste Beaulieu: Leben ist nicht schwer
FISCHER Taschenbuch 2015. 352 Seiten. Hardcover
ISBN-13: 978-3596031146. 12,99
Originaltitel: Alors Voilà!
Übersetzerin: Marlene Frucht
Verlagstext
Liebenswerte Hypochonder, experimentierfreudige Liebespaare und cholerische Chirurgen sind die Helden dieser wahren Geschichten. Baptiste Beaulieu, ein junger Arzt, erzählt mit viel Witz, Charme, und einem Ziel: seiner Lieblingspatientin auf Zimmer 7 ein Lächeln auf die blassen Wangen zu zaubern. Ein Buch über die existentiellen Momente des Menschseins – einfühlsam und klug.
Der Autor
Baptiste Beaulieu ist ein 28-jähriger Arzt und Schriftsteller. Seine Erfolgsgeschichte als Autor beginnt mit einem preisgekrönten Blog, in dem er von seinem Alltag in der Notaufnahme berichtet. Es folgt ein fulminantes Romandebüt, das in Frankreich wochenlang unter den Top Ten der Bestseller ist.
Inhalt
Der Tagebuchschreiber und Erzähler, der sich im Buch Samuel nennt, arbeitet als Assistenzarzt in einem französischen Krankenhaus. Die Tagebuchstruktur seiner Erlebnisse gibt die Schlagzahl seines Berufslebens während einer Arbeitswoche wieder. Gearbeitet wird von 7 bis 21 Uhr in geteiltem Dienst mit längerer Mittagspause; die jungen Ärzte wohnen auf dem Krankenhausgelände in bescheidenen Verhältnissen im Wohnheim. Samuel wechselt jeden Tag zwischen der Notaufnahme und anderen Stationen hin und her, u. a. der Geriatrie und der Palliativstation. Der junge Mediziner ist sich der Tatsache bewusst, dass die Person des Arztes als Plazebo eingesetzt werden kann, er erklärt und tröstet mit Geschichten. Meist wissen Arzt und Patient, wenn ein Patient am Ende seines Lebens angelangt ist, ohne diese Erkenntnis auszusprechen. „Wenn ich [den Patienten] nicht heilen kann, begleite ich ihn so friedlich wie möglich bis zu seinem Tod“, ist Samuels Devise. (S. 192) Samuels Geschichten haben inzwischen ein Eigenleben entwickelt, er tauscht sie mit Kollegen aus, die wiederum Samuels Geschichten nutzen, um Schwerkranke und Sterbende zu unterhalten. Ziel der Ärzte ist dabei u. a. die Einsicht zu vermitteln, dass es immer jemanden gibt, dem es noch schlechter geht als dem Betroffenen. Samuel scheint ein Mensch zu sein, der vom Leben dringend Wunder erwartet. Innerhalb der geschilderten Arbeitswoche wird deutlich, dass der junge Arzt bereits gelernt hat, was es bedeutet, alt und hilfebedürftig zu sein. Wie eine Art Subtext zeigt Samuels Tagebuch die sozialen Ursachen auf, warum Patienten in die Notaufnahme kommen anstatt zum Hausarzt zu gehen, und man erhält Einblick in die Familienverhältnisse der Kranken, die sich in hohem Alter zum Teil nicht mehr bewusst sind, dass ihre Kinder längst nicht mehr leben.
Fazit
Notärzte in aller Welt haben einen sehr speziellen Humor, Franzosen haben ihre spezielle Art, makabre Geschichten zu erzählen – als Assistenzarzt in einem französischen Krankenhaus konzentriert Baptiste Beaulieu die Essenz aus beiden Perspektiven. Kenntnisse des Französischen und über Frankreich schaden nicht, um seine Sicht der Dinge nachvollziehen zu können. Als Zielgruppe des Buches kann ich mir Leser vorstellen, denen die heitere Atmosphäre aus „Ziemlich beste Freunde“ gefällt. Beaulieus Sinn für Humor konnte ich nicht immer folgen; von alten Menschen als „Oma“ oder "Opa“ zu sprechen, finde ich beispielsweise überhaupt nicht witzig.
7 von 10 Punkten