Susan Juby: Der Tag, an dem wir begannen, die Wahrheit zu sagen
Verlag: cbj 2015. 352 Seiten
ISBN-13: 978-3570159989. 16,99€
Vom Verlag empfohlenes Alter: Ab 12 Jahren
Originaltitel: The Truth Commission
Übersetzerin: Eva Müller-Hierteis
Verlagstext
Das Leben ist nichts für Feiglinge...
… denken sich die drei Freunde Dusk, Neil und Normandy, zu Beginn des 11. Schuljahres und starten ein gewagtes Experiment: Einmal jede Woche wird abwechselnd einer der drei einem Menschen aus ihrer Schule eine Frage stellen, die bisher keiner auszusprechen wagte, obwohl alle nach der Antwort lechzen.
Hasst die ewig grantige Sekretärin wirklich alle Schüler, ist der schöne Tyler jetzt schwul oder nicht, nimmt der Freak aus der 12. Drogen und hat die Coole aus dem Langlaufteam mit einem ihrer beiden Teamkollegen was oder gar mit beiden? Was die drei besten Freunde allerdings damit lostreten, hätten sie nie geahnt. Ein kluges Buch über Freundschaft, Liebe und die Frage, was wir mit uns und unserem Leben anfangen und, was das eigentlich alles zu bedeuten hat.
Die Autorin
Susan Juby begann bereits als Kind zu schreiben. Nach ihrem Literaturstudium arbeitete sie zunächst in einem Verlag, begann aber auch schon ihre eigenen Bücher zu veröffentlichen. Ihre erste Jugendbuch-Trilogie wurde erfolgreich fürs Fernsehen adaptiert. Susan lebt und arbeitet in Kanada.
Inhalt
Normandy Pale ist Schülerin einer kanadischen Highschool mit Schwerpunkt Kunst in Nanaimo/Vancouver Island. Ihren auffälligen Vornamen erhielt sie von ihrem Vater, der Dioramen berühmter Kriegsschauplätze bastelt. "Norm"s ältere Schwester Keira wurde als Zeichnerin von Graphic Novels bekannt, in denen ihre Familienmitglieder als Figuren vorkommen. Normandy muss damit leben, dass ihr Abbild als Comic-Figur landesweit bekannt ist. Für ein Essayprojekt in der 11. Klasse soll Norms Arbeitsgruppe mehreren Personen eine persönliche Frage stellen zu einem Thema, über das bisher niemand zu sprechen wagte. Das Essay wird von einer Dozentin für kreatives Schreiben betreut, mit der Normandy in den Fußnoten ihres Textes kommuniziert. Die zahlreichen Fußnoten und Referenzen zu Autoren und ihren Werken bremsen die Handlung stark aus und die Icherzählerin führt ihren Lesern damit wiederholt vor Augen, dass der Text fiktiv ist und seine Figuren Normandys Geschöpfe sind. Die Autorin schreibt demnach nicht für mich; ich werde zur Versuchsperson ihres schriftstellerischen Lernprozesses.
Die Interviews mit der Schulsekretärin Mrs Dekker und einigen Schülern bleiben auffällig an der Oberfläche. Mit den Themen sexuelle Orientierung, Mobbing in sozialen Netzwerken, ehrgeizige Tiger-Moms und Drogenkonsum geraten die Interviewer tief in die Privatsphäre ihrer Altersgenossen. Zweifel tauchen auf, ob private Probleme Siebzehnjähriger allein Mittel zum Zweck sein dürfen und wer den beginnenden Gruppenprozess professionell begleitet. Doch die Interviewpartner werden nur als Kulisse benötigt, zentrales Thema ist Normandys Verhältnis zu ihrer erfolgreichen Schwester. Dass Normandy ihrem persönlichen Problem immer wieder in wohlgesetzten Worten ausweicht, finde ich gut nachvollziehbar, für mich als Leser jedoch wenig fesselnd. Figurenzeichnung und Sprache der Geschichte sind deutlich das Werk einer Schülerin in einem Kurs für kreatives Schreiben – entwicklungsfähig.
Fazit
Susan Juby lässt ihre Protagonistin Normandy eine Geschichte schreiben, die über viele Seiten hinweg zunächst von der Icherzählerin und ihrem zentralen Problem fortführt (das Benutzen realer Personen durch Künstler/Autoren in ihren Werken). Formal ist der Selbstfindungsprozess 17- bis 20-jähriger Figuren im Rahmen ihrer Schreibwerkstatt durchaus interessant – aber nicht für die empfohlene Zielgruppe ab 12 Jahre.
5 von 10 Punkten
[edit:]
P.S.: Wenn der Begriff "Essay" hier mit Facharbeit oder Jahresarbeit übersetzt worden wäre, hätte ich vielleicht früher begriffen, dass ein Essay mit Fußnoten eine Plage für jeden kanadischen/amerikanischen Schüler sein muss und Juby sich durch die Schwemme von Fußnoten über das Schulsystem lustig macht. In Der Andere gelingt David Guterson mit wenigen Sätzen, mir diese Landplage eines Schülerlebens zu verdeutlichen. Dennoch finde ich charakteristische Ereignisse aus dem Leben eines Elftklässlers für die Zielgruppe des Romans am falschen Platz.