Ab wann ist ein historischer Roman ein historischer Roman?

  • Zitat

    Original von Lesebiene
    Das ist die entscheidende Frage - wann fängt die Verrgangenheit an, historisch zu werden?


    Ist der II. Weltkrieg schon historisch? Ich würde den I. Weltkrieg jetzt langsam als historisch einordnen. Für mich fangen vergangene Ereignisse nach 100 Jahren an historisch zu werden. :gruebel


    Das ist eine Definitionsfrage. Aber so ca. zwei Generationen, also ca. sechzig Jahre sollten/können vergangen sein, dann kann man gut von 'historisch' sprechen. Tatsächlich fängt die Nachkriegszeit schon an, eine historische Epoche zu werden, für die Kinder der 1990er sind die 1950er schon sehr weit weg und die, die ab 2000 oder jetzt in den Zehnerjahren zur Welt kommen, werden die 1980er Jahre schon recht museal finden.
    Der WK I ist damit schon uuuralt!
    ;-)



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @ Lesebiene: Für mich beginnt "historisch" in etwa dort, wo es keine lebenden Zeitzeugen mehr gibt bzw. die im Roman handelnden realen und fiktiven Personen nach menschlichem Ermessen aus Altersgründen nicht mehr unter uns weilen können.


    Ja, mit dem Vernebeln ist das so eine Sache.
    Horizonterweiterung muss auch nicht immer sinnvoll sein.
    Ist vermutlich alles sehr relativ und individuell.
    Ich fand beispielsweise "Désirée" insofern horizonterweiternd, als es mein Interesse an der französischen Geschichte weckte. Okay, inzwischen habe ich irgendwo erfahren, dass sie keine Seidenhändlerstochter war, aber das ist eigentlich unwichtig. Die wesentlichen Informationen über Revolution, Krieg, Familenverhältnisse des Kaisers, Gründung der heute noch existierenden Dynastie Bernadotte etc. sind korrekt.
    Gleiches gilt für "Celia Garth" und "Vom Winde verweht" und ja! - Karl May.
    Durch sie wurde mein Interesse an der Geschichte der USA geweckt.
    Oder durch "Exodus" mein Interesse an den Geschehnissen in Israel. Auch, wenn ich weiß, dass da einiges verdreht wurde, die handelnden Personen sind für mich stimmig und die historischen Eckdaten authentisch. Und dass es etwas Israel-lastig ist, ist mir bewusst und stört mich nicht.
    Bei den Büchereulen habe ich dann Iris Kammerers, Sabine Weigands und Titus Müllers (um nur drei zu nennen, von denen ich nicht denke, dass sie sich darüber ärgern, wenn man sagt, dass man den Eindruck hat, sie schrieben aufgrund gründlicher Recherche) historische Romane kennengelernt.
    Und finde sie unterhaltend und horizonterweiternd. Shame on me, von der Möhnetalsperrensprengung beispielsweise hatte ich noch nie etwas gehört.
    Nun hätte ich bestimmt auch ohne diese geistige Bereicherung mein Dasein fristen können, aber ich fand das Buch dazu spannend und interessant.
    Was die kaiserliche Badewanne angeht... als Anekdötchen find ich sie nett.
    Und wer weiß, vielleicht geh ich ja mal zum Jauch :lache :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von maikaefer
    Bei den Büchereulen habe ich dann Iris Kammerers, Sabine Weigands und Titus Müllers (um nur drei zu nennen, von denen ich nicht denke, dass sie sich darüber ärgern, wenn man sagt, dass man den Eindruck hat, sie schrieben aufgrund gründlicher Recherche) historische Romane kennengelernt.


    Das ist etwas, was ich mich schon seit längerem frage: Immer wieder lese ich bei Buchbesprechungen, der Autor hätte gut recherchiert? Wie kann das ein Laie beurteilen? :gruebel

  • @ made: Das habe ich mich, als ich bei den Eulen zumn ersten Mal mit dem Thema Rezensionen konfrontiert wurde, ebenfalls gefragt! :grin
    Aber inzwischen glaube ich, man merkt schon, ob ein Autor von dem, über das er schreibt, auch wirklich eine Ahnung hat. :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von made
    Das ist etwas, was ich mich schon seit längerem frage: Immer wieder lese ich bei Buchbesprechungen, der Autor hätte gut recherchiert? Wie kann das ein Laie beurteilen? :gruebel


    Zum Beispiel, weil bestimmte Details der eigenen Heimat- oder Familiengeschichte korrekt dargestellt werden - und der Autor/die Autorin das recherchiert haben muss, wenn es nicht die eigene Geschichte ist. :kiss

  • Zitat

    Original von maikaefer
    @ made: Das habe ich mich, als ich bei den Eulen zumn ersten Mal mit dem Thema Rezensionen konfrontiert wurde, ebenfalls gefragt! :grin
    Aber inzwischen glaube ich, man merkt schon, ob ein Autor von dem, über das er schreibt, auch wirklich eine Ahnung hat. :wave


    Na ja, das ist aber doch eher ein vages Gefühl.

  • Zitat

    Original von streifi


    Das ist das was ich von einem historischen Roman erwarte, damit er mir gefällt.
    Ich möchte ein Gefühl für die Zeit bekommen und das Gefühl haben: So hätte es sein können.


    Das mochte ich sehr gern und dem fuehl' ich mich sehr nahe.
    Ich glaub: Deshalb schlepp ich mich und die meinen, solange wir krauchen koenne, durch Ausgrabungsstaetten. Deshalb hab ich das Genre mal so fuerchterlich gern gelesen (und lese es immer noch - wenn auch immer seltener Romane, die ich noch nicht gelesen habe), und deshalb wollt' ich's mal so gerne schreiben (obwohl das auch noch einen anderen Grund hat, der vielleicht schwerer wiegt, who knows). Weil das alles, was man studierend und lesend und reisend und streifend erlebt, nicht genuegt, weil man einmal dringesteckt haben will, einen einzigen Tag lang, einmal nicht hirnig, sondern sinnlich wissen: So war das, ich zu sein, bevor ich ich war.
    Das macht Spass, das ist aufregend, und wenn es richtig gut gemacht ist, hackt es womoeglich den Boden weich, in dem eine lange, gierige Liebe zur Geschichtswissenschaft waechst. (So war's bei mir. Meine Einstiegsdroge heisst Feuchtwanger.)
    Schade finde ich - um ehrlich zu sein - nur, wenn's dabei bleibt. Und wenn dann "das, was nicht stimmt", irgendeinem Autor historischer Romane angelastet wird.
    Wenn jemand einen historischen Roman liest und sagt: Prima, hat mir Spass gemacht, der naechste bitte, hat der Roman seinen Zweck erfuellt und der Autor seine Sache ordentlich gemacht, basta.
    Wenn jemand einen historischen Roman liest und sagt: Prima, hat mir Spass gemacht und jetzt wuerd' ich gern etwas ueber die Merowinger/die Azteken/das Indus Valley/Operation Mincemeat herausfinden, hat der Autor seine Sache richtig gut gemacht und ich moecht' ihm gern gratulieren, ihm meine Bewunderung und meinen freundlichen Neid senden.
    Wenn jemand einen historischen Roman liest und verkuendet: Toll, jetzt weiss ich was ueber die Tudors und koennt ihr mir bitte noch ganz viele andere Tudor-Romane empfehlen, weil ich noch viel mehr wissen will, dann stoesst mir das auf.
    Nur ein bisschen.
    Es gibt (weit) Tragischeres auf der Welt, und mich beschaeftigt das nicht stundenlang.
    Aber reichlich traege finde ich uns schon, wenn wir denken, wir kaufen uns einen netten Unterhaltungsroman, und danach haben wir uns historisch gebildet. Das kommt mir so vor, als wuerden wir uns pinke Knieschoner kaufen und dann glauben, wir haben ein Marathon-Training absolviert.
    Und wenn wir nicht abnehmen, ist der Autor schuld.


    Alles Liebe.
    Charlie

  • Ich bleibe bei meinem Lieblingszitat zu dem Thema. Nicole C. Vosseler hat bei den Eulen das Schreiben eines historischen Romanes mal mit dem Weben eines Teppiches verglichen. Die aktuelle historische Erkenntnis gibt die unverrückbaren Kettfäden und sie ergänzt nun die fehlenden Stücke um ein kenntliches und hoffentlich gutes Bild zu erzeugen.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend Hjort- Rosenfeld Die Schuld die man trägt. :lesend Kirk A. Denton The Columbia Companion to modern Chinese Literature

  • Zitat

    Original von beowulf
    Ich bleibe bei meinem Lieblingszitat zu dem Thema. Nicole C. Vosseler hat bei den Eulen das Schreiben eines historischen Romanes mal mit dem Weben eines Teppiches verglichen. Die aktuelle historische Erkenntnis gibt die unverrückbaren Kettfäden und sie ergänzt nun die fehlenden Stücke um ein kenntliches und hoffentlich gutes Bild zu erzeugen.


    das trifft es glaube ich ziemlich gut ....

  • Zitat

    Original von magali
    Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, warum man sich dabei Mühe mit einem Nachwort macht.


    Und ich verstehe nicht, wie man sich nicht die Mühe eines Nachwortes machen kann. ;-)


    Aus Lesersicht: wenn ich einen Roman lese, der als „historischer Roman“ bezeichnet wird, dann erwarte ich, daß die wesentlichen geschilderten Ereignisse sich auch so zugetragen haben, wie sie im Buch vorkommen. Ansonsten soll man das Buch schlicht als "Roman" (ohne den Zusatz "historisch") bezeichnen. Wenn historische Personen vorkommen, weiß ich zwar, daß Gespräche, Gedanken usw. der Fantasie des Autors entstammen (außer er entnimmt diese Aufzeichungen etc.), aber Schlußfolgerungen, Handlungen, Ereignisse sollten stimmen. Da aber - das sei unbestritten - die Dramaturgie bisweilen einen anderen Ablauf wie die überlieferte Historie verlangt, sollte das - z. B. in einem Nachwort - angesprochen werden.


    Die „Luxusversion“ eines solchen Nachwortes, eigentlich ist es ein ganzer Anhang, ist mir soeben in Titus Müllers „Berlin Feuerland“ begegnet. Absolut vorbildlich! :anbet



    Zitat

    Original von magali
    Mein Standpunkt ist der, daß man, wenn man sich tatsächlich über etwas verläßlich informieren will, das nicht mittels Romanlektüre tut.


    Richtig. Aber ein Roman kann der erste Kontakt zu einem historischen Ereignis sein. Und wenn ich dann ein Sachbuch zum Thema lese und feststellen muß, daß - überspitzt ausgedrückt - alles im Roman schlichtweg erfunden war und nur die Begriffe und Namen stimmen, bin ich als Leser sauer. Ziemlich sauer. Vermutlich auch ziemlich wütend. Und wenn der Autor nicht von vorneherein deutlich erklärt hätte, daß die Handlung frei erfunden ist, wäre das das erste - und letzte Buch des Autors für mich.



    Zitat

    Original von Lesebiene
    Das ist die entscheidende Frage - wann fängt die Verrgangenheit an, historisch zu werden?


    Ohne mich zu entsinnen, wo und in welchem Zusammenhang ich das gelesen habe, ist mir einmal die Definition begegnet, daß ein Ereignis (bzw. eine Zeit) historisch wird, wenn es keine lebenden Zeitzeugen mehr gibt.



    Zitat

    Original von Charlie
    Wenn jemand einen historischen Roman liest und sagt: Prima, hat mir Spass gemacht und jetzt wuerd' ich gern etwas ueber die Merowinger/die Azteken/das Indus Valley/Operation Mincemeat herausfinden, hat der Autor seine Sache richtig gut gemacht (...)


    :write Genau das erwarte ich von einem historischen Roman. Im ungünstigsten Falle stelle ich fest, daß mich das Thema eigentlich gar nicht interessiert und ich habe ein paar (hoffentlich) schöne Lesestunden mit dem Buch gehabt. Und im günstigsten Fall hat das Buch mein Interesse für ein Thema (eine Person) geweckt und ich gehe auf Informationssuche, die unweigerlich über Romane hinaus zu Sachbüchern führen wird.
    Eben dies habe ich gerade mit „Berlin Feuerland“ erlebt. Und bisher die wesentlichen Dinge im Sachbuch wiedergefunden. Dabei spielt für mich keine Rolle, daß die Masse der Romanfiguren fiktiv sind und demgemäß etliches der Handlung auch. Aber die Eckpunkte, das Gerüst (wenn man so will, das Skelett) stimmt. Das ist für mich dann „gut recherchiert“. Und das ist das, was ich von einem (guten) historischen Roman erwarte.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich finde nicht, dass bei einem historischen Roman keine fiktiven Personen enthalten sein dürfen. Mir geht es da eher darum, dass die Vergangenheit beschrieben wird. Ich lese zwar total gern von realen Personen, aber wenn es ein Roman mit nur fiktiven Figuren ist, ist das auch ok, wenn er mich packt.

  • Zitat

    Original von Booklooker
    Ich finde nicht, dass bei einem historischen Roman keine fiktiven Personen enthalten sein dürfen. Mir geht es da eher darum, dass die Vergangenheit beschrieben wird. Ich lese zwar total gern von realen Personen, aber wenn es ein Roman mit nur fiktiven Figuren ist, ist das auch ok, wenn er mich packt.


    Das geht mir eigentlich auch so, doch ich möchte gern das Gefühl haben, die Personen passen in ihre Zeit.


    Zu dem Thema "gut recherchiert" war ich ein wenig erstaunt, dass es auch so negativ gesehen werden kann. Ich finde, man merkt schon, ob sich ein Autor gut vorbereitet hat und etwas über die Zeit schreiben kann, oder ob er, nur weil es gerade aktuell ist, seine Geschichte in eine bestimmte Zeit setzt, ohne irgendetwas darüber zu wissen. Bisher war es für mich immer ein Lob bzw. die Anerkennung an die Vorbereitung und Arbeit des Autors, wenn ich etwas als "gut recherchiert" bezeichnet habe.

  • Mir ist es noch wichtig anzufügen, dass der Begriff der historischen Wahrheit nicht so ganz unproblematisch ist.
    Je nachdem aus welcher Perspektive geschichtliche Ereignisse betrachtet werden, kommen ganz unterschiedliche Positionen raus. Jahreszahlen mögen ja noch verlässlich sein. Aber sobald es um Ursachen von irgendwas geht, wird die Sache äußerst schwierig.
    Hinzu kommt noch die Frage der Nationalität der Autorin. Ob ein historischer Roman von einem Briten, einem Franzosen oder einer Deutschen geschrieben wurde, kann einen großen Unterschied machen. Auch wenn letztlich die gleichen Ereignisse erzählt werden.
    Ich finde das äußerst spannend.

  • Zitat

    Original von Eskalina
    Zu dem Thema "gut recherchiert" war ich ein wenig erstaunt, dass es auch so negativ gesehen werden kann. Ich finde, man merkt schon, ob sich ein Autor gut vorbereitet hat und etwas über die Zeit schreiben kann, oder ob er, nur weil es gerade aktuell ist, seine Geschichte in eine bestimmte Zeit setzt, ohne irgendetwas darüber zu wissen. Bisher war es für mich immer ein Lob bzw. die Anerkennung an die Vorbereitung und Arbeit des Autors, wenn ich etwas als "gut recherchiert" bezeichnet habe.


    :write :write
    Allerdings bereitet es mir keine Probleme, dieses Lob künftig zu unterlassen, wenn ich weiß, dass es die bedachte Person nicht erfreut.
    Ob ein historischer Roman nur oder ganz ohne oder zu welchem %Satz mit realen Personen besetzt ist, stellt für mich kein Entscheidungskriterium über die Frage dar, ob ich ihn mag. Allerdings gefällt es mir, wenn reale Begebenheiten geschickt eingebaut sind.
    :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Könnte das "gut recherchiert" einfach floskelhaft und nichtssagend sein? Selten wird ja exakt benannt, was gut recherchiert ist.


    Neulich las ich auf der Webseite einer Autorin, sie hätte sich aus alten Zeitungsbänden die für die beschriebene Zeit typischen Markennamen herausgesucht. Wenn auf diese Weise eine Figur herauskommt, die 1920 schnell einen Kaffee herunterstürzt und sich auf dem Weg zur Sraßenbahn eine Juno ansteckt, haut das trotzdem nicht hin, weil eine Frau das zu der Zeit vermutlich nicht tat, egal ob Juno oder x-beliebige Zigarette. :chen Diese Art der Recherche kann nicht den Instinkt für glaubwürdiges Handeln in einer bestimmten Epoche ersetzen.

  • Zitat

    Original von Buchdoktor
    Könnte das "gut recherchiert" einfach floskelhaft und nichtssagend sein? Selten wird ja exakt benannt, was gut recherchiert ist.


    Neulich las ich auf der Webseite einer Autorin, sie hätte sich aus alten Zeitungsbänden die für die beschriebene Zeit typischen Markennamen herausgesucht. Wenn auf diese Weise eine Figur herauskommt, die 1920 schnell einen Kaffee herunterstürzt und sich auf dem Weg zur Sraßenbahn eine Juno ansteckt, haut das trotzdem nicht hin, weil eine Frau das zu der Zeit vermutlich nicht tat, egal ob Juno oder x-beliebige Zigarette. :chen Diese Art der Recherche kann nicht den Instinkt für glaubwürdiges Handeln in einer bestimmten Epoche ersetzen.


    Genau das meinte ich.
    Danke.

  • Für mich etwas befremdlich ist die Gegenüberstellung Unterhaltung gegen Information. Für mich schließt das eine das andere überhaupt nicht aus! Gerade diese Mischung finde ich an (guten) historischen Romanen ja so reizvoll! Ich mag eine gute (fiktive) Geschichte lesen (und dabei unterhalten werden), gleichzeitig mag ich aber auch meine Weltsicht/Allgemeinbildung erweitern (und dabei was Neues, hier geschichtliches, lernen). Ich bin erstaunt, dass dieser Wunsch anscheinend teilweise negativ gesehen wird! Dass ein Roman kein Sachbuch ist (und auch nie eins werden sollte) und infolgedessen auch nie dessen sachliche Qualität erreicht, ist keine Frage. Darum geht es mir ja auch überhaupt nicht, sondern um interessante Infos (nach denen ich wahrscheinlich nie gesucht hätte), die "ganz automatisch" aufgenommen werden.


    Und um die Trennung von Fiktion und Realität hinzubekommen finde ich ein Nachwort ganz unerläßlich. Profis brauchen das nicht, klar. Aber ich als Laie schon. Da kann ich SiColliers Posting ganz und gar unterschreiben! :write

    „Wer nur Menschen um sich herum haben will, die einem in allen gleichen, lebt bald schon in einer verdammt kleinen Welt.“ Nicole Wellemin, Das Echo der Moore, Piper 2025

  • Zitat

    Original von maikaefer
    [Allerdings gefällt es mir, wenn reale Begebenheiten geschickt eingebaut sind.
    :wave


    Das sehe ich auch so. Historische Fakten und Fiktion in einer gelungenen Mischung, das mag ich. Ich denke da z.B. an die Bücher von Sandra Lessmann, die u.a. zur Zeit des Großen Feuers in London spielen.
    Genau wie Tom Finneks "Unter der Asche", der sogar eine Auflösung dafür gibt, wer genau an dem Feuer schuld war. Und es hätte tatsächlich so gewesen sein können, wer weiß das heute schon noch wirklich? ;-)


    Ab wann ein Roman historisch ist, finde ich, hängt vom Alter des Lesers ab. Ich selbst bin Anfang der 70er geboren und finde schon, dass Romane aus dem 2. Weltkrieg historisch sind.


    Richtig historisch sind heute natürlich die Bücher, die auch tatsächlich in vergangenen Jahrhunderten geschrieben wurden. Spontan fallen mir da "Dracula" oder "Frankenstein" ein, alles von den Bronte-Schwestern usw.

  • Ich habe mal vor fast fünfzig Jahren ein Referat in der Schule gehalten und bin in der Schulbibliothek auf mehrere uralte Geschichtslehrbücher gestoßen. Da habe ich meinem Referat dann noch eine geschichtsvergleichendes Kapitel angehängt. Das war ein Referat über Napoleon, da war in dem Buch von 1968 kein neuerer Historischer Forschungsstand als in dem von 1880something. Aber der Blickwinkel auf verschiedene historische Ereignisse wechselte in den Zeitläuften enorm. Deswegen ist Recherche auch immer ein Kriterium das schwierig ist zu beurteilen, welche historische Wahrheit akzeptiert der Leser?


    Aber- Information hin oder her, Wahrheitsgehalt hin oder her. Natürlich beeinflusst der historische Roman die Urteile seiner Leser. Wer Charlies vorletztes Buch gelesen hat wird ungefragt Erdogan widersprechen und Papst Franziskus Recht geben, was den Genozid an den Armeniern angeht. Auch wenn er kein Sachbuch dazu gelesen haben sollte.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend Hjort- Rosenfeld Die Schuld die man trägt. :lesend Kirk A. Denton The Columbia Companion to modern Chinese Literature