Definition für den Begriff "Historischer Roman":
Ein "historischer Roman" ist dann ein historischer Roman, wenn Magali sagt, das der Roman ein "historischer Roman" ist.
Im Grunde doch ganz einfach und einleuchtend.
Definition für den Begriff "Historischer Roman":
Ein "historischer Roman" ist dann ein historischer Roman, wenn Magali sagt, das der Roman ein "historischer Roman" ist.
Im Grunde doch ganz einfach und einleuchtend.
Interessante Frage/Interessanter thread!
@ magali (nicht als Provokation gemeint!):
Also hätte Margaret Mitchell ihre Scarlett in einem von den Südstaaten gewonnenen Bürgerkrieg mit Rhett schnäbeln lassen dürfen?
Sie hätte lediglich im Nachwort nicht schreiben dürfen, dass das stimmt?
Oder hätte sie im Nachwort schreiben müssen, dass der Bürgerkrieg in Wirklichkeit von den Nordstaaten gewonnen wurde?
Was ist mit "ohne Nachwort"?
Wieviel Verantwortung (Allgemeinbildung/Googlebereitschaft) trägt der Leser?
Danke
ZitatOriginal von beowulf
Es stimmt ja auch nicht so ganz. Eher esoterisch, die Autorin hat m.E. Riten von Völkern auf Steinzeitniveau oder altindianische Motive als Grundidee angelegt.
Aber legt man die These zu Grunde, dann wäre Teresa mit die Träume der Libusa auch kein historischer Roman gelungen. Oder Iris Kammerer mit ihrer Trilogie Der Tribun.
na wenn man es ganz genau nimmt ist ja alles bis auf Autobiographien Phantasie/Fantasy. Denn selbst, wenn alle Personen eines "historischen" Romanes wirklich gelebt hätte - womöglich bis zum kleinsten Pferdeknecht - dann wären deren Gespräche und Handlungen doch zumindest teilweise der Phantasie des Autors entsprungen - also "Fantasy".
Ich weiß natürlich, dass der Begriff Fantasy anderes meint. Auch ich habe bei diesen zwei Büchern von Alvarez gezweifelt, ob es wirklich in die Histo-Ecke gehört. Wobei auch ich es nicht als negativ verstehen würde, wenn ein bisserl Fantasy mitschwingt. Manche Romane funktionieren sehr gut mit einer gesunden Genremischung und die rigide Einteilung liegt mir gar nicht.
ZitatOriginal von magali
Das eigentliche Problem sind die Erwartungen der Leserinnen. Sie glauben, daß sie via 'historischer Roman' über die Vergangenheit - Achtung - zuverlässig informiert werden.
Das ist tatsächlich immer wieder ein Problem (z.B. beim letzten Prange über Maximilian). Wieviel historische Fakten müssen korrekt belegt sein, wieviel Phantasie oder womöglich Änderung der Fakten darf sein.
Ich mache den Begriff "historisch" ja vor allem am Setting fest. Also wenn es in der Vergangenheit spielt, ist es für mich schon mal historisch. Ob es historisch korrekt ist und/oder mit historischen Persönlichkeiten ist dabei relativ nebensächlich. Ich mache allerdings für mich die Einschränkung, wenn bestimmte Elemente der Handlung die stärkere Gewichtung haben, als die historischen Fakten, dann würde ich diese auch kenntlich machen. Also z.B. ein historischer Krimi oder ein historischer Liebesroman. Umgekehrt mache ich es auch bei Fantasy (dort gibt es ja auch spezielle Begriffe für sowas), wo ich auch den Unterschied mache, wenn sie in einem historisch angehauchten (z.B. Mittelalterlichen) Setting spielt. High Fantasy, Urban Fantasy usw. Das sollte es für das Historische Genre auch geben.
Ich denke, das Problem taucht deshalb auf, weil es die verschiedensten Arten von hitorischen Romanen gibt.
Meine Erwartungen richten sich da vor allem nach den Aussagen der Autoren.
Nimmt jemand für sich in Anspruch, historische Ereignisse wiederzugeben, dann sollten da keine groben Schnitzer auftauchen.
Dabei geht es mir nicht darum, ob Person XY sich an diesem Tag mit rosa oder gelben Taschentüchern die Nase geputzt hat. Sondern um die Tatsache, dass zu dieser Zeit Taschentücher überhaupt in Benutzung waren.
Ich möchte bei Büchern, in denen real existierende Personen vorkommen, nichts lesen müssen, das zu historischen Tatsachen im Widerspruch steht.
Bei Romanen, die eine bestimmte Zeit lediglich als Rahmen für eine erfundene Handlung nutzen, mache ich mir überhaupt keine Gedanken um "historische Wahrheiten".
ZitatOriginal von magali
Gegenfrage: was erwartest Du von einem historischen Roman?
...
Dass der Roman auch das einlöst, was er verspricht.
Von einem Roman, der als historischer Roman gilt, erwarte ich z. B., dass die Haupthandlung in der Vergangenheit spielt und dass diese Vergangenheit halbwegs authentisch wirkt.
Sollte die beschriebene Zeit gar nicht "authentisch", so sollte sie wenigstens so gelungen sein, dass ich gerne bereit bin, zu glauben, dass es damals so gewesen sein könnte, selbst wenn ich weiß, dass das alles nur die Fantasie des/der Autors/Autorin ist.
Wenn der Roman sich dagegen z. B. als eine Liebesgeschichte aus der Zeit der Kreuzzüge präsentiert, dann erwarte ich zumindest, dass die Liebesgeschichte auch etwas mit der Zeit der Kreuzzüge zu tun hat. Allerdings erwarte ich hier keineswegs, dass z. B. ein Kreuzzug "authentisch" geschildert wird. (Wenn das aber auch noch der Fall ist, bin ich wohl positiv überrascht.)
Lässt ein/e Romanautor/in Menschen auftreten, die historisch belegt sind, so hängt für mich viel von der Rolle ab, die er/sie für die Handlung übernehmen.
Wenn der König / die Kaiserin / der Herzog / der Bischof z. B. nur vorkommt, um Heldin und Held zuletzt zu ihrem Glück zu verhelfen, reicht es mir gewöhnlich, wenn einleuchtend ist, warum er/sie letztlich Heldin und Held hilft.
Wenn er/sie dagegen eine Hauptfigur ist, denke ich, dass von einem/r guten/r Autor/in erwartet werden darf, dass ihr auch eine gelungene Mischung aus überlieferten Fakten und fiktiven Ideen gelingt.
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ZitatAlles anzeigenOriginal von Rumpelstilzchen
Ich denke, das Problem taucht deshalb auf, weil es die verschiedensten Arten von hitorischen Romanen gibt.
Meine Erwartungen richten sich da vor allem nach den Aussagen der Autoren.
Nimmt jemand für sich in Anspruch, historische Ereignisse wiederzugeben, dann sollten da keine groben Schnitzer auftauchen.
Dabei geht es mir nicht darum, ob Person XY sich an diesem Tag mit rosa oder gelben Taschentüchern die Nase geputzt hat. Sondern um die Tatsache, dass zu dieser Zeit Taschentücher überhaupt in Benutzung waren.
Ich möchte bei Büchern, in denen real existierende Personen vorkommen, nichts lesen müssen, das zu historischen Tatsachen im Widerspruch steht.
Bei Romanen, die eine bestimmte Zeit lediglich als Rahmen für eine erfundene Handlung nutzen, mache ich mir überhaupt keine Gedanken um "historische Wahrheiten".
Das kann ich nur unterschreiben (wenn ich auch vielleicht bei den Taschentüchern nachsichtig wäre, falls das der einzige Schnitzer ist und das Buch mich als Ganzes überzeugt), letztlich wichtig ist auch, was ein Buch verspricht und was es hält (bzw. sein/e Autor/in, der Verlag etc.).
Bei Veränderungen der Fakten erwarte ich allerdings, dass das einen Grund hat.
Nehmen wir ein fiktives Beispiel für dieses Mal:
Beim Turnier in der Reichsstadt N. war der Herzog von X. nicht anwesend, im Roman hat er hier einen ersten Auftritt.
Wenn die geschichtlichen Fakten dabei nicht völlig ins Gegenteil verdreht werden (Herzog hätte z. B. bei diesem Turnier tatsächlich dabei sein können) und dieser Auftritt für die Handlung des Romans etwas bringt (z. B. Herzog ist eine wichtige Nebenfigur, und es ist die ideale Gelegenheit für Autor/in ihn in die Handlung einzuführen), würde ich es gelten lassen.
Problematisch ist es für mich allerdings, wenn die Abwesenheit des Herzogs z. B. darauf zurückzuführen ist, weil er mit den Bürgern von N. ständig in Fehde war und sein Auftritt auf dem Turnier absolut unnötig ist.
Da gibt es eine Autorin, die ist im Brotberuf Historikerin. Die hat einen Roman geschrieben in dem sie eine Menge Lokalgeschichte verarbeitet hat. Im Nachwort steht dann, wo sie mal was einfach einige Jahre in der Zeitschiene verlegt hat, weil das tatsächliche historische Ereignis so spannend war, dass sie es erzählen wollte und auch gut in die Geschichte passt, aber eben eine Generation später mit ganz anderen Leuten passiert ist. Macht mir nichts, so kenne ich das ansonsten mir unbekannte historische Ereignis und den Ort etwas besser als nur sein Bier. Das Nachwort macht es für mich wirklich aus, die Geschichte hätte als reine Fiktion auch funktioniert.
Fantasie wäre wenn Charlies Henry König von Frankreich Kaiser von Japan geworden wäre und Sissi geheiratet haette. Aber Kinder der Meere ist für mich ein richtiger historischer Roman.
Die Zeit, das Land und wichtige Personen stimmen.
Und ein historischer Roman macht Lust mehr echte Fakten zu sammeln.
Edit hofft besser Phantasie verwendet zu haben, Charlie. Frankreich war ja noch Wunschgedanken von Henry
Henry war Koenig von Frankreich.
Du fragst, ob Mitchell die Südstaaten hätte den Bürgerkrieg gewinnen lassen dürfen. Klar hätte sie es dürfen. Sie war Romanautorin.
Es gibt einige Romane aus dem Bereich der sog. Alternativ - oder kontrafaktischen Geschichte.
Von Harris' Vaterland bis Christian von Ditfurth. Es ist ein inzwischen etabliertes Subgenre des historischen Romans. Dabei wird vorausgesetzt, daß die Leserin den eigentlichen historischen Verlauf einigermaßen kennt, weil das Vergnügen beim Lesen ja darin besteht, das Alternativ-Szenario, das die Autorin entworfen hat, zu genießen.
Nachworte in historischen Romanen sind sicher interessant für Leserinnen, aber sie belegen eigentlich nur, daß das, was die Autorin getan hat, eben war, einen Roman, eine erfundene Geschichte zu schreiben. Um sie geht es, um sonst nichts, für den Handlungsverlauf, die Handlungslogik oder die schlüssige Figurenetwicklung werden tatsächliche historische Gegebenheiten immer aufgegeben. Der Roman hat grundsätzlich Vorrang vor den Fakten.
Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, warum man sich dabei Mühe mit einem Nachwort macht.
Letztlich steht da: Leuts, ich hab gelogen, aber hej, es ist 'ne gute Story, so what.
Denke ich darüber nach, finde ich es amüsant bis heuchlerisch, aber ich denke nicht viel darüber nach.
Mein Standpunkt ist der, daß man, wenn man sich tatsächlich über etwas verläßlich informieren will, das nicht mittels Romanlektüre tut.
Der Rest ist Vergnügen, anregende Unterhaltung oder auch Anregung, sich ordentlich zu informieren. Je nach Niveau der Vorlage.
Dann kann man sich natürlich noch über Ästhetisches, Handwerkliches etc. unterhalten, verwendete Sprache, Stil u.ä. Wie bei jedem Buch.
Die Qualität eines historischen Romans am Einsatz des historischen Materials zu messen, halt ich nicht für möglich.
magali
ZitatOriginal von Charlie
Henry war Koenig von Frankreich.
Na, das mußte kommen. *lachtränenabwisch*
Ich differenziere: die Franzosen sahen das ein wenig anders und staatsrechtlich war Henrys Anspruch eben das, ein Anspruch.
magali
ZitatOriginal von magali
Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, warum man sich dabei Mühe mit einem Nachwort macht.
Letztlich steht da: Leuts, ich hab gelogen, aber hej, es ist 'ne gute Story, so what.
Denke ich darüber nach, finde ich es amüsant bis heuchlerisch, aber ich denke nicht viel darüber nach.
Mein Standpunkt ist der, daß man, wenn man sich tatsächlich über etwas verläßlich informieren will, das nicht mittels Romanlektüre tut.
Dazu moecht ich mein Wackeldackel-Nicken nicken.
Meiner persoenlichen Ansicht nach wird intensive, jahrelange Recherche nicht betrieben, weil ich gern Lesern beweisen will, was ich fuer'n fleissiges Hutschli bin und wie viel Lachgesichter ich fuer meine treudoof erledigten Schularbeiten verdient habe. Und auch nicht, weil ich Lesern gern Lachgesichter aufkleben moechte, weil die so beflissen "bei mir was lernen". Sondern weil mich ein Thema so brutal krallt, dass ich darueber alles in mich reinfressen muss - und irgendwann eine Geschichte darueber erzaehlen, damit von all dem Reingefressenen nicht mein Bauch platzt. Der Vorteil eines Themas, von dem man etwas WEISS, ist nicht, dass man dem Leser ein ordentliches und bei Google oder Wasweissich ueberpruefbares Tafelbild praesentieren kann, sondern dass ich offensichtlich ueber ein Thema schreibe, das mir nicht am schoensten Koerperteil vorbeirutscht, sondern mich kratzt. Und dass die Fuelle von Details, die man sich im Laufe der Jahre einfrisst, einen ueppigen Fundus bilden, aus dem ein phantasieunbegabter Autor (e.g. ich) sich nach Bedarf bedienen kann.
Ich wuerde jedes Datum, jeden Ort, jede Liebhaberinnenbiographie, jedes Kartoffelgericht, jedes Scheisshaus kaltlaechelnd der Dramaturgie opfern, wenn sie's denn moechte. Dazu ist sie da - um das Kommando zu uebernehmen, nicht um im Glied zu hopsen und sich mit Lachgesichtern bekleben zu lassen. Und im Nachwort auflisten wuerde ich das nur, wo ein Verleger, dessen Lied ich schliesslich sing', mich dazu noetigt. Ich bin nicht mehr in Klassenstufe Eins und meine Leser sind's auch nicht.
Nicht opfern wuerde ich das, was ich als Tenor und Textur einer Epoche und Kultur wahrnehme, denn ansonsten haette sich meine Geschichte ja an den eigenen Nagel gehaengt - das ist schliesslich mein Thema, und wenn ich das in den Wind schiesse, haett' ich gleich ein anderes nehmen koennen.
Wenn ich irgendwo "gut (respektive grandios, hervorragend, ausgezeichnet, akribisch, blabla, huschibuschi) recherchiert" lese, schwappt's mir bereits in der Kehle.
Ob einer acht populaere Sachbuecher zum selben Thema gelesen hat und deren Gehalt in jede dritte Zeile portionsweise einquetscht, schert mich einen Kaese.
Mehr als Kaese schert mich, ob einer erzaehlen kann. Und wenn er kann, ob er was zu erzaehlen hat - und das hat m.E. durchaus etwas mit Kenntnis des Themas zu tun. Aber nichts mit aufgeklebten Lachgesichtern. Wir sind doch nicht beim Elternsprechtag.
ZitatOriginal von Charlie
Nicht opfern wuerde ich das, was ich als Tenor und Textur einer Epoche und Kultur wahrnehme, denn ansonsten haette sich meine Geschichte ja an den eigenen Nagel gehaengt - das ist schliesslich mein Thema, und wenn ich das in den Wind schiesse, haett' ich gleich ein anderes nehmen koennen.
Das ist das was ich von einem historischen Roman erwarte, damit er mir gefällt.
Ich möchte ein Gefühl für die Zeit bekommen und das Gefühl haben: So hätte es sein können.
Wenn ich das Gefühl habe die Personen verhalten sich nicht so, wie ich es in dieser Zeit erwarten würde, bin ich hinterher enttäuscht. Ein historischer Roman wäre es für dann aber immer noch, nur eben kein guter
Was ich letztens bemerkenswert fand war, dass "Als wir unsterblich waren" bei unserem Thalia im Bereich Belletristik steht. Ich hatte mich mit einer älteren Dame bei den historischen Romanen unterhalten und ihr das Buch empfohlen und war ganz enttäuscht, dass es nicht im Regal stand, damit sie nen Blick reinwerfen konnte.
@ magali: Danke! Der letzte Satz unten bezieht sich auch auf Deine Antwort!
ZitatAlles anzeigenOriginal von Charlie
Meiner persoenlichen Ansicht nach wird intensive, jahrelange Recherche nicht betrieben, weil ich gern Lesern beweisen moechte, was ich fuer'n fleissiges Hutschli bin und wie viel Lachgesichter ich fuer meine treudoof erledigten Schularbeiten verdient habe.
Und auch nicht, weil ich Lesern gern Lachgesichter aufkleben moechte, weil die so beflissen "bei mir was lernen".
Sondern weil mich ein Thema so brutal krallt, dass ich darueber alles in mich reinfressen muss - und irgendwann eine Geschichte darueber erzaehlen, damit von all dem Reingefressenen nicht mein Bauch platzt. Der Vorteil eines Themas, von dem man etwas WEISS, ist nicht, dass man dem Leser ein ordentliches und bei Google oder Wasweissich ueberpruefbares Tafelbild praesentieren kann, sondern dass ich offensichtlich ueber ein Thema schreibe, das mir nicht am schoensten Koerperteil vorbeirutscht, sondern mich kratzt. Und dass die Fuelle von Details, die man sich im Laufe der Jahre einfrisst, einen ueppigen Fundus bilden, aus dem ein phantasieunbegabter Autor (e.g. ich) sich nach Bedarf bedienen kann.
Ich wuerde jedes Datum, jeden Ort, jede Liebhaberinnenbiographie, jedes Kartoffelgericht, jedes Scheisshaus kaltlaechelnd der Dramaturgie opfern, wenn sie's denn moechte. Dazu ist sie da - um das Kommando zu uebernehmen, nicht um im Glied zu hopsen und sich mit Lachgesichtern bekleben zu lassen. Und im Nachwort auflisten wuerde ich das nur, wo ein Verleger, dessen Lied ich schliesslich sing', mich dazu noetigt. Ich bin nicht mehr in Klassenstufe Eins und meine Leser sind's auch nicht.
Nicht opfern wuerde ich das, was ich als Tenor und Textur einer Epoche und Kultur wahrnehme, denn ansonsten haette sich meine Geschichte ja an den eigenen Nagel gehaengt - das ist schliesslich mein Thema, und wenn ich das in den Wind schiesse, haett' ich gleich ein anderes nehmen koennen.
Wenn ich irgendwo "gut (respektive grandios, hervorragend, ausgezeichnet, akribisch, blabla, huschibuschi) recherchiert" lese, schwappt's mir bereits in der Kehle.
Ob einer acht populaere Sachbuecher zum selben Thema gelesen hat und deren Gehalt in jede dritte Zeile portionsweise einquetscht, schert mich einen Kaese.
Mehr als Kaese schert mich, ob einer erzaehlen kann. Und wenn er kann, ob er was zu erzaehlen hat - und das hat m.E. durchaus etwas mit Kenntnis des Themas zu tun. Aber nichts mit aufgeklebten Lachgesichtern. Wir sind doch nicht beim Elternsprechtag.
Ich setze das auf die Liste zu "Herzblut" und "Protagonist"!
Trotzdem freue ich mich nach wie vor, wenn ich ein unterhaltsames Buch lese, das aufgrund guter Recherche seiner Autorin meinen Horizont erweitert.
Original von Teresa
Dass der Roman auch das einlöst, was er verspricht.
Von einem Roman, der als historischer Roman gilt, erwarte ich z. B., dass die Haupthandlung in der Vergangenheit spielt und dass diese Vergangenheit halbwegs authentisch wirkt.
Sollte die beschriebene Zeit gar nicht "authentisch", so sollte sie wenigstens so gelungen sein, dass ich gerne bereit bin, zu glauben, dass es damals so gewesen sein könnte, selbst wenn ich weiß, dass das alles nur die Fantasie des/der Autors/Autorin ist.
Wenn der Roman sich dagegen z. B. als eine Liebesgeschichte aus der Zeit der Kreuzzüge präsentiert, dann erwarte ich zumindest, dass die Liebesgeschichte auch etwas mit der Zeit der Kreuzzüge zu tun hat. Allerdings erwarte ich hier keineswegs, dass z. B. ein Kreuzzug "authentisch" geschildert wird. (Wenn das aber auch noch der Fall ist, bin ich wohl positiv überrascht.)
Lässt ein/e Romanautor/in Menschen auftreten, die historisch belegt sind, so hängt für mich viel von der Rolle ab, die er/sie für die Handlung übernehmen.
Wenn der König / die Kaiserin / der Herzog / der Bischof z. B. nur vorkommt, um Heldin und Held zuletzt zu ihrem Glück zu verhelfen, reicht es mir gewöhnlich, wenn einleuchtend ist, warum er/sie letztlich Heldin und Held hilft.
Wenn er/sie dagegen eine Hauptfigur ist, denke ich, dass von einem/r guten/r Autor/in erwartet werden darf, dass ihr auch eine gelungene Mischung aus überlieferten Fakten und fiktiven Ideen gelingt.
Original von Rumpelstilzchen
Ich denke, das Problem taucht deshalb auf, weil es die verschiedensten Arten von hitorischen Romanen gibt.
Meine Erwartungen richten sich da vor allem nach den Aussagen der Autoren.
Nimmt jemand für sich in Anspruch, historische Ereignisse wiederzugeben, dann sollten da keine groben Schnitzer auftauchen.
Dabei geht es mir nicht darum, ob Person XY sich an diesem Tag mit rosa oder gelben Taschentüchern die Nase geputzt hat. Sondern um die Tatsache, dass zu dieser Zeit Taschentücher überhaupt in Benutzung waren.
Ich möchte bei Büchern, in denen real existierende Personen vorkommen, nichts lesen müssen, das zu historischen Tatsachen im Widerspruch steht.
Wie Beowulf schon schrieb, finde ich das Nachwort sehr Interessant. Ob wahre Handlungen/ Personen/ Daten bei der Geschichte mit einbezogen worden sind oder nur zum teil oder halt fiktiv. Ob es Zeitlich sich etwas verändert hat bzw etwas verschoben worden ist oder ob diese Geschichte tatsächlich da stattgefunden hat. Ich kann mich dann als Leser dadurch besser hineinversetzen "Ok damals war es so oder ist dies passiert".
Und den Zitat von Streifi find ich sehr gut und das denke ich auch:
"Ich möchte ein Gefühl für die Zeit bekommen und das Gefühl haben: So hätte es sein können."
Edit: Zitate wollen nicht so wie ich das will
ZitatOriginal von magali
und staatsrechtlich war Henrys Anspruch eben das, ein Anspruch.
was er mit einer ganzen Menge "gut recherchierter" historischer Romane gemein hat, auch wenn ich den Vergleich biegen muss, bis er birst.
Das ist die entscheidende Frage - wann fängt die Verrgangenheit an, historisch zu werden?
Ist der II. Weltkrieg schon historisch? Ich würde den I. Weltkrieg jetzt langsam als historisch einordnen. Für mich fangen vergangene Ereignisse nach 100 Jahren an historisch zu werden.
gern!
Du schreibst. Trotzdem freue ich mich nach wie vor, wenn ich ein unterhaltsames Buch lese, das aufgrund guter Recherche seiner Autorin meinen Horizont erweitert.
Woher weißt Du, ob sich Dein Horizont erweitert oder grad vernebelt wird?
Das ist bei historischen Romanen nämlich genau der heikle Punkt.
Ein 'guter' Roman ist eine Geschichte, die auf die bestmögliche Weise das Thema behandelt, das uns eigentlich interessiert: den Menschen und die Welt um ihn herum. Seine Probleme, Einsichten, Gefühle, Erkenntnisse. Eigentlich handeln die Geschichten immer nur von uns, entweder in Übereinstimmung mit den erfundenen Figuren oder in Ablehnung. Und mit allem dazwischen.
Gelingt das, haben wir also als Leserin davon einen Gewinn in Form einer Erkenntnis, einer Einsicht, mittels Handlung und in Verbindung mit der benutzten Sprache, dann empfinden wir echte Befriedigung mit dem Buch. Unser Horizont wurde erweitert. Wir verstehen die Welt anders, neu, im günstigsten Fall besser.
Das kann bei einem Krimi passieren oder bei Shakespeares Sonetten.
Im Text enthaltene Realia, Sachinformationen, wie groß der Diamant der Kaiserkrone war, ob es am 15 April 1645 regnete oder Wilhelm I. sich zum Baden eine Kupferwanne aus dem Adlon ins Schloß bringen ließ, sind nicht ausschlaggebend. Eigentlich sind sie völlig egal.
Ebenso egal, wie die herzzereißenden Berichte der Autorin, wie viele Fingernägel sie bei der Recherche abgekaut hat.
Das alles macht den Roman nicht wahrer.
Charlie
Danke.
In meiner Kehle schwappt es in solchen Fällen auch. Manchmal aktiviert es aber auch die Lachmuskeln. Kräftig.
magali
ZitatOriginal von magali
In meiner Kehle schwappt es in solchen Fällen auch. Manchmal aktiviert es aber auch die Lachmuskeln. Kräftig.
Seit meinem letzten Zwerchfellbruch klappt das bei mir gleichzeitig.
Nur daran, beim Lachen wie beim Wuergen sarkastisch zu bleiben, nicht sardonisch, uebe ich noch.
Zwerchfellbruch? Na, Du machst Sachen! Bleib mal gesund, bitteschön.