Sieben Tage Hexerei – Diana Wynne Jones (ab ca. 11 J.)

  • OT: Witch Week 1982


    Das Internat Larwood ist eine normale und zugleich eine besondere Schule. Hier werden SchülerInnen aufgenommen, die aus Hexenfamilien stammen. Allerdings wird das im Schulalltag streng verschwiegen, denn Hexen sind nicht angesehen in dieser Welt. Sie werden verfolgt und bei Gefangennahme öffentlich verbrannt. Schließlich sind Hexen gefährlich, die Geschichte lehrt, daß sie nichts im Sinn haben als den nächsten Staatsstreich. Staatliche Inquisitoren sind deswegen ständig unterwegs, um sie aufzuspüren. DenunziantInnen helfen ihnen.


    Auch die Kinder werden überwacht, eine Überwachungsmaßnahme ist das Tagebuch, in das sie täglich eintragen müssen, was sie getan haben, was sie denken und wie sie sich fühlen.
    Als ein Lehrer unter einem Bücherstapel eine anonyme Notiz findet, auf der steht: Jemand in dieser Klasse ist eine/r Hexe/r denkt er zuerst an einen schlechten Scherz.


    ‚Diese Klasse‘ ist die 6B und sie ist eine etwas schwierige Gruppe von Teenagern. Es gibt viele Spannungen unter den Jugendlichen. Die Lehrerinnen und Lehrer sind sich einig, daß man hier nur mit Druck regieren kann.
    Aber Mr. Crossley, der Klassenlehrer, ist nicht der einzige, der den Zettel gesehen hat. Einige der Schülerinnen und Schüler haben ihn auch entdeckt, gar nicht zu reden von der Person, die ihn geschrieben und hingelegt hat.


    Schon bald fangen die Verdächtigungen an. Das ist aber nicht alles, einige der Jungen und Mädchen überlegen, ob sie nicht Hexer oder Hexe sind. Das ist der Augenblick, in dem die merkwürdigsten Vorfälle das Internat heimsuchen. Schülerinnen sagen offen Frechheiten, sie sind unfähig, den Mund zu halten. Vögel fliegen durchs Klassenzimmer, alle Schuhe aller InternatsbewohnerInnen liegen eines Morgens auf einem Haufen in der Aula. Besen werden lebendig, jemand wird unsichtbar. Die Direktorin ist gezwungen, einen Inquisitor zu rufen. Was für ein Glück, daß es eine Untergrundbewegung zur Rettung von Hexen gibt. So kommt Chrestomanci nach Larwood. Aber er muß feststellen, daß die Welt von Larwood ein weit größeres Problem hat, das unbedingt beseitig werden muß. Und das alles in der Woche vor Hallowe’en!


    Dieses Buch aus der kleinen Reihe um Chrestomanci ist zugleich eines der besten Bücher von Jones. Nicht nur die zugrunde liegende Idee ist einzigartig und wird mit zahlreichen unerwarteten Wendungen ausgeführt. Auch die Figuren in dieser Geschichte sind ganz besonders gelungen. Der Schwerpunkt liegt auf den SchülerInnen der 6B. Es ist eine quicklebendige Klasse, mit ihrer Streberin, dem Klassenclown, dem Siegertyp, den Stillen, den Unterdrückten. Es gibt viel Boshaftigkeit, Druck, alltägliche Gemeinheiten. Die Atmosphäre der Angst und Bespitzelung hat auch vor den Kindern nicht haltgemacht. Sie reagieren, in dem sie sich abschotten, private Codes entwickeln, vor allem aber mit Rückzug. Eine Diktatur verhindert Gemeinschaft.


    Angst ist auch die erste Reaktion, sobald die SchülerInnen entdecken, daß sie tatsächlich hexen können. Zugleich sind sie fasziniert von der Gabe, zugleich aber auch von der Gefahr. Der eine benutzt die Gabe, um sich an Mitschülern zu rächen, eine andere, um endlich frei zu sein, mutig, zu tun, wofür sie im Alltag nie den Mut hätte. Sie wissen, daß sie mit ihrem Leben spielen, aber auch mit dem ihrer MitschülerInnen. Gefahr fasziniert, es ist ein Spiel mit dem Feuer im Wortsinn. Gewissensnöte bleiben nicht aus. Das ist sehr authentisch eingefangen.


    Auch die LehrerInnen haben viel zu verbergen, stellt sich heraus. Verliebtheiten und Aufstiegspläne, Konkurrenzkämpfe unter KollegInnen sind nur ein Teil davon. Die beschriebene Hexenmagie ist nicht ungefährlich, sie ist nicht geeignet, damit herumzuspielen. In ihrer Naivität richten die Kinder Schaden an, weil sie Folgen nicht übersehen. Es gibt höchst aufschlußreiche Einblicke in die Wirkungsweise unbedacht auferlegter Zauber. Zaubern hat nichts Niedliches, sondern viel mit Verantwortung zu tun.


    Jones schreibt schwungvoll, mit deutlicher Lust am Spielen mit ihrer ungewöhnlichen Idee. Es gibt eine Menge urkomischer Szenen, aber auch atemberaubend Spannendes. Ob und wie die Rettung kommt, klärt sich erst ganz am Schluß. Die Themen Leben in einer Diktatur, die Fragen nach der Bedeutung von Gemeinschaft und gegenseitiger Verantwortung, nach dem richtigen und falschen Handeln werden ernst genommen.
    Insgesamt ist die Geschichte so überzeugend, daß auch Erwachsene sie mit Gewinn lesen können.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Gelesen habe ich die englische Ausgabe, allerdings nicht die unten verlinkte, sondern eine ältere von 1997. Zur Qualität der Übersetzung kann ich also nichts sagen.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von magali ()