'Als der Himmel uns gehörte' - Seiten 499 - Ende

  • Ob Hannes etwas von der Tötungsanstalt Bernburg weis? Urteilt ihr da nicht etwas vorschnell? Er geht doch davon aus, dass ihm sein Kind als Druckmittel weggenommen wurde- mit einer Leiche kann man keinen Druck ausüben.

  • Es ist zumindest davon auszugehen, dass er sich erfolgreich einreden konnte, Fritze wuerde dort "versorgt", die Anstalt waere gut fuer ihn. Um gar keine Ahnung zu haben, hatte er zu viel Einblick - aber das Talent zum Nicht-wissen-wollen und Verdraengen gehoert ja zu den erstaunlichsten Faehigkeiten der gesamten Zeitspanne.
    Zweifellos hat es aber Eltern gegeben, die ihre Kinder oder andere Angehoerige tatsaechlich in gutem Glauben uebergeben haben und fassungslos waren.

  • Und eine Urne, sofern man dafuer bezahlte.
    Ueber diese Urnen habe ich waehrend der Ararat-Recherche so viel nachgedacht, darueber koennte ich ein eigenes Buch schreiben.
    Was hat jemand damit gemacht, wenn ihm klar wurde, dass da durchaus nicht die Asche des ermordeten Angehoerigen enthalten war, sondern willkuerlich hineingestopfte, die aber auch zu Menschen gehoerte?

  • Zitat

    Original von beowulf
    Die Realität für die Angehörigen war ja so, dass es eine Rechnung für die Beerdigungskosten gab und den Totenschein mit natürlichem Tod- Lungenentzündung z.B.


    Im buch stirbt ja auch eine Angehörige in einem dieser "Anstalten" an Herzversagen. Aber, dass die gehäuften Todesfälle keinen nachdenklich oder misstrauisch gemacht haben kann ich einfach nicht glauben.


    Und Hannes, wenn er mutiger gewesen wäre, hätte durchaus Mittel gehabt sich zu wehren.


    Ich denke da an meinen Großvater, der mehrmals von der Gestapo mitgenommen wurde, meine Mutter sagt immer, der hatte keine Angst, er wusste sie müssen ihn wieder gehen lassen. Was natürlich im Nachhinein auch hätte schief gehen können. Aber ich glaube auch, wer sich darauf einlässt lebt auch mit den Konsequenzen.

  • Mein Großcousin ist in Bernburg umgebracht worden und mir- dreißig Jahre später haben alle erzählt sie hätten gewusst was das heißt, als er dorthin verlegt wurde. Aber selbst sein Vater, Parteigenosse mit niedriger Mitgliedsnummer und Kreisleiter (das ist so was wie Kreisvorsitzender der Partei) konnte nichts tun, außer Klappe halten und bezahlen. Wobei auf die Idee es wäre nicht die richtige Asche sind die damals glaube ich nicht gekommen. Das Euthanasieprogramm ist ja dann auch vorzeitig abgebrochen worden. Nichts genaues weiß man nicht, aber es ist wohl anzunehmen, dass zu viele Menschen Bescheid wussten und der Druck zu groß wurde.

  • Meine Grossmutter hat es genau umgekehrt erzaehlt: Sie wusste nicht, was es bedeutete (ihre Mutter ist zwar im Rahmen des Euthanasie-Programms, aber nicht in Bernburg ermordet worden), aber als sie es erfuhr, hat sie sofort gedacht, dass sie nicht die Asche ihrer Mutter begraben hat.

  • Daran sieht man, dass die LEute unsicher waren, dass da eine Menge Gefühl, Gerüchte und Ängste waberten, die man aber in der Sucht erstmal selbst zu überleben leicht beiseite geschoben hat. So wie du eben Hannes beschrieben hast- nichts wissen wollen, Ängste verdrängen, die schließlich keine Gewissheiten waren, überleben.

  • Das finde ich gut beschrieben. So wollte ich ihn darstellen. Wissen koennen, aber nicht wissen muessen - und sich dagegen entscheiden.

  • Wieder ein buch von Charlie, das mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen hat, so dass nicht daran zu denken war, das Buch nach jedem Leserundenabschnitt zur Seite zu legen und sich erstmal an den Computer zu setzten.
    Das Ende hat mich echt überrascht, damit hatte ich nicht gerechnet, für mich ist es ein Happy-End, auch wenn James schwer verletzt wurde und den beiden nicht mehr allzu viel Zeit zusammen geblieben ist.


    Den 2011/12 Teil mit Jenny hätte ich nicht gebraucht, da sind die Figuren für mich doch recht blass geblieben, aber ansonsten ein rundum gelungenes Buch, das mich sehr bewegt hat, beim Lesen.


    Zitat

    Original von Schwarzes Schaf


    :yikes :yikes Stimmt, diese Szene habe ich noch gar nicht damit in Verbindung gebracht. Unfassbar, er hätte seinen eigenen Sohn zum Töten weggeschickt. :-(


    Das ist mir auch jetzt erst aufgegangen, dass er seinen eigenen Sohn wegschickt, selbst wenn ich davon ausgehe, dass er nicht weiß, bzw nicht wissen will, was es ist mit diesem Sanatorium wirklich auf sich hat, finde ich das unfassbar!

  • Eine grosse Bitte an die, die's gelesen haben:


    Ich sitze hier noch mit acht verschiedenen Stellen und kriege absolut nicht auf meinen Zettel, welche ich naechste Woche in Deutschland lesen soll.
    Falls einer unter euch, der ein bisschen Lesungserfahrung hat, mir einen Tipp - a la "das wirkt bestimmt" oder "das wirkt hoechstens als Schlafpille" - geben wuerde, waeren Mandi, Goldie und ich immens dankbar!


    Herzlich,
    Charlie

  • Darf ich nochmal was ganz Persoenliches fragen, das mir ziemlich nahe geht, jusch?
    Ich habe ein bisschen ein Problem damit, dass ich nun am Jahrestag des Genozids an den Armeniern lese, wo ich eigentlich in Yerevan sein wollte - und nicht aus einem meiner beiden (hach) Armenien-Buecher. Meinst Du, ich koennte die Szene sozusagen ersatzweise lesen? Eine schwaerzere finde ich ja in dem Buch nicht, denke ich.


    Vielen Dank fuer Deine Hilfe!


    Alles Liebe von Charlie

  • Danke, jusch! Dann lese ich das auf alle Faelle am 24., das hilft mir sehr.
    Eigenwerbung fuer meine Hatti wuerde ich immer und ueberall machen, egal ob man das darf - aber in diesem Fall nicht. Nur ein bisschen traurig sein. Ein bisschen still.


    Wirklich - vielen Dank!
    Alles Liebe von Charlie

  • Natuerlich kann die Buchhandlung Buecher von mir auslegen, und wenn sie meine Hatti auslegt (was leider aber nicht wahrscheinlich ist), freu ich mich so krumm, dass ich vermutlich kein Wort herausbringe.
    Aber ich sage dazu nichts.
    Ich moecht' nicht gern aussehen, als kaeme mir das Thema fuer meine Eigenwerbung gelegen, denn das tut es nicht. Ich hatte ja bisher viel Glueck mit Jahrestagen, aber dieser (der wie die anderen ein Zufall ist), ist keiner, den ich ausnutzen moechte.


    Trotzdem danke.