Dörte Hansen - Altes Land

  • Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
    Verlag: Albrecht Knaus Verlag
    ISBN-13: 978-3813506471


    Der Verlag über das Buch


    Zwei Frauen, ein altes Haus und eine Art von Familie


    Das „Polackenkind“ ist die fünfjährige Vera auf dem Hof im Alten Land, wohin sie 1945 aus Ostpreußen mit ihrer Mutter geflohen ist. Ihr Leben lang fühlt sie sich fremd in dem großen, kalten Bauernhaus und kann trotzdem nicht davon lassen. Bis sechzig Jahre später plötzlich ihre Nichte Anne vor der Tür steht. Sie ist mit ihrem kleinen Sohn aus Hamburg-Ottensen geflüchtet, wo ehrgeizige Vollwert-Eltern ihre Kinder wie Preispokale durch die Straßen tragen – und wo Annes Mann eine Andere liebt. Vera und Anne sind einander fremd und haben doch viel mehr gemeinsam, als sie ahnen.


    Mit scharfem Blick und trockenem Witz erzählt Dörte Hansen von zwei Einzelgängerinnen, die überraschend finden, was sie nie gesucht haben: eine Familie.


    Der Verlag über die Autorin


    Dörte Hansen, geboren 1964 in Husum, lernte in der Grundschule, dass es außer Plattdeutsch noch andere Sprachen auf der Welt gibt. Die Begeisterung darüber führte zum Studium etlicher Sprachen wie Gälisch, Finnisch oder Baskisch und hielt noch an bis zur Promotion in Linguistik. Danach wechselte sie zum Journalismus, war einige Jahre Redakteurin beim NDR und arbeitet heute als Autorin für Hörfunk und Print. Sie lebt in der Nähe von Hamburg. „Altes Land“ ist ihr erster Roman.


    Meine Gedanken zum Buch


    Es gibt Bücher, die sprechen mich auf den ersten Blick an. „Altes Land“ von Dörte Hansen war so eines und das Innere des Romans hielt, was das Äußere versprach.


    Zitat

    „Dit Huus is mien un doch nich mien, de no mi kummt, nennt’t ook noch sien.“ (S. 7)


    In dem Roman über Fluchten und der Suche nach Geborgenheit, über das entwurzelt Sein und das Heimatgefühl breitet die Autorin sehr leise, aber eindringlich ein Panorama von Land und Leuten in den nahe der Elbe gelegenen Obstmarschen aus. Sie erzählt von Hildegard, die nach dem Krieg als Flüchtling auf den Hof kam und durch ihre Heirat mit Karl, dem Hoferben, ein Stück Heimat suchte, aber nie dort ankam und wieder ging. Ganz anders Vera, ihre Tochter, die, von ihrer Mutter verlassen, mit Karl dort bleibt und über Jahrzehnte keine Hand an Haus und Hof legt, um etwas zu verändern. Sie lebt dort, doch ihre Wurzeln sind nur an der Oberfläche.


    Zitat

    „… sie konnte hier nicht weg. Sie war ein Moos, das nur an diesen Mauern hielt. Das hier nicht wachsen konnte oder blühen, aber doch bleiben. Sie war ein Flüchtling, einmal fast erfroren, nie wieder warmgeworden. Ein Haus gefunden, irgendeins, und dort geblieben, um nur nicht wieder in den Schnee zu müssen.“ (S. 222)


    Frischen Wind bringt dann Anne, ihre Nichte, auf das Gehöft, die mit ihrem Sohn Leon aus Hamburg-Ottensen vor einer gescheiterten Beziehung und den jungen, ökologisch korrekten Helikopter-Müttern geflohen ist.


    Dörte Hansen scheint sie alle persönlich zu kennen, ihre Romanfiguren. Sie hat sie facettenreich und wie aus dem Leben geschnitten beschrieben. Jeder hat seine eigenen charismatischen Zügen, ist ein Wesen, das einzigartig anmutet. Trotz aller Unterschiede sind sich die beiden Heldinnen näher, als sowohl der Leser und auch sie selbst zunächst vermuten. Sie sind allein, Einzelgängerinnen, die sie von der Allgemeinheit abheben. Die Autorin ist eine ausgezeichnete Beobachterin, warmherzig, aber mit spitzer Feder, einem Augenzwinkern und einer gewissen Scharfzüngigkeit zeigt sie unterschiedliche Lebenskonzepte auf.


    Dass die Autorin Linguistin ist, merkt man jeder Seite dieses Romans an. Kein Wort ist zu viel, keines zu wenig. Die Geschichte hat Tiefe, Herzenswärme und Witz und ist vollkommen frei von jeglichem Heimatkitsch und Herz-Schmerz-Geplänkel. Ich habe in den letzten Wochen viele gute und sehr gute Bücher gelesen, aber dieses war ein Wohlfühlbuch im allerbesten Wortsinn. Es nahm mich gefangen, in Gedanken schlenderte ich die Dorfstraße entlang und sah all die Menschen, die mir gute Bekannte zu sein schienen, vor meinem inneren Auge.


    „Altes Land“ ist ein Roman, mit dem Dörte Hansen in dem ihr eigenen, wunderbaren Sprachstil Land und Leuten ein Denkmal setzt. Ich habe jede Seite genossen, es ist schon jetzt eines meiner Jahreshighlights 2015. Er klingt immer noch in mir nach.

  • Eine wunderbare Buchvorstellung. Herzlichen Dank dafür. Wenn ich mich recht entsinne, dann liegt das Buch bereits auf meinem SUB - der langsam völlig unübersichtlich ist.
    Unabhängig davon hoffe ich aber, das Buch möglichst zeitnah zu lesen. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Das ist mir jetzt auch schon ein paar Mal begegnet und hat mich auch sofort angesprochen. Nach dieser positiven Rezi wird es wohl demnächst mal bei mir einziehen. Danke dafür. :wave

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Das Buch war eine von sechs Buchvorstellungen des 2. Bremerhavener Frauenleseabends letzten Monat und alle Buchhändlerinnen meiner Lieblingsbuchhandlung waren begeistert. Ich habe es gleich an dem Abend gekauft und freue mich schon aufs lesen. :-)

  • Feiertage haben doch ihre guten Seiten, bei mir waren es jetzt 288 sehr gute Seiten.


    Das alte Land liegt sehr weit weg von meinem Leben, Ich kann also nicht bewerten wie "echt" das ist, wie die Autorin beschreibt wie das Land seine Bewohner prägt, beeindruckt hat es mich allemal. Karg ist die Sprache der Personen dieses Buches, karg ist die Sprache der Autorin. Kurze, knappe Sätze, mit wenigen Worten ist alles gesagt. Es gelingt der Autorin mit dem geschriebenen Wort eine Atmosphäre zu beschreiben, in der das gesprochene Wort durch Gesten oder Blicke ersetzt wird, wo jeder Handgriff Bedeutungen vielschichtiger Art hat und das nicht gesprochene Wort oft mehr verletzt als das gesprochene. Ein wunderschönes Buch.

  • Am Anfang musste ich mich erst einmal gewöhnen an die vielen Personen und an die knappe Sprache. Nach dreißig Seiten war ich drin und dann wollte ich nicht mehr raus.


    Das Buch ist eine Hommage auf die Obstbauern des Alten Landes. Es geht um das Schicksal der Vertriebenen, die nicht mehr ganz heimisch werden können. Und um das Vermächtnis einer Familie. Von der Erbschaft des Leids, das unerbittlich durch die Generationen marschiert.


    Die Autorin schildert die Figuren, als ob sie alle persönlich kennen würde. In einem Satz, in dem kein Wort zu viel oder zu wenig ist, verbindet sie Witz und Drama mit einem außergewöhnlichen Charme.


    Ein Buch, das man gerne noch einmal liest. Ebenso wie weitere Werke dieser Autorin. Eine Entdeckung.

  • Das Buch steht meiner Meinung nach zu Recht auf den Bestsellerlisten ganz weit oben. Es ist voller Witz, voller Liebe, voller Details und hat mich berührt. Die Sprache ist wunderbar, auf den Punkt, bildlich. Ein ausgesprochen gelungenes Debüt, in dem mir alle Romanfiguren mit ihren Einzelheiten ans Herz gewachsen sind.


    Wenn ich also etwas zu bemängeln habe, dann, dass man nicht weiß, wie es mit Vera und Anne weiter geht und ob Carsten bleibt.


    Lesenswert!

  • 1945 kam Vera als fünfjährige als Flüchtlingskind auf einem Hof im Alten Land an. Sie fühlt sich dort nie heimisch, ist aber andererseits trotzdem damit verbunden.


    Sechzig Jahre später steht Veras Nichte Anne mit ihrem kleinen Sohn aus Hamburg vor der Tür. Die beiden kennen sich kaum und haben doch viele Gemeinsamkeiten.




    Die Geschichte beginnt mit der Ankunft des Flüchtlingskindes Vera. Sie kommt mit Ihrer Mutter 1945 auf den Hof von Ida Eckhof im Alten Land an. Dort lernt sie schnell mit den Anfeindungen umzugehen und wird zur Einsiedlerin.


    Nachdem ihre Mutter fortgegangen und die anderen verstorben sind, lebt sie alleine in dem Haus weiter. Einerseits fühlt sie sich dort nie heimisch, andererseits fühlt sie sich doch mit dem Haus verbunden. Plötzlich steht ihre Nichte Anne mit ihrem kleinen Sohn aus Hamburg vor der Tür. Ihr Mann hat sie wegen einer anderen Frau verlassen. Können die beiden Frauen ihr Leben zusammen verbringen? Das müsst ihr schon selber lesen. ;-)


    Das Buch hatte einen Sog, den ich mich nicht entziehen konnte. Man erfährt viel über das „Alte Land“ und seine Bewohner. Es gibt zwei Handlungsstränge. In dem einen erfährt man, wie es Vera in der Vergangenheit so ergangen ist. In dem anderen Handlungsstrang bekommt man einen Einblick in das Leben von Anne und ihrem kleinen Sohn. Bis sich die Lebenswege von Vera und Anne kreuzen.


    Ich vergebe 10 Punkte für dieses tolle Buch.

  • Ich bin durch einen Verriss der Verfilmung im Literaturcafe auf das Buch aufmerksam geworden. Noch selten hat mich ein Roman derart berührt und gefesselt. Jede der Figuren ist von der Autorin mit Herzblut gezeichnet. Und das wunderbare Gespür für Sprache hat mich einfach fasziniert. Das findet man nicht so oft. Muss man einfach lesen. Höchste Punktezahl.