Haymon Verlag 2014, 214 Seiten
Über den Inhalt:
Ein Auffahrunfall irgendwo in einem Straßentunnel. Drei Autos krachen ineinander; ein Mann ist tot, ein zweiter schwer verletzt: Die Notrufsäulen funktionieren nicht, kein Auto fährt vorbei, keine Rettung kommt – fünf Menschen sind von der Außenwelt abgeschlossen. Fünf Menschen, jeder von ihnen mit seiner eigenen Geschichte, jeder mit seinen Geheimnissen. Je länger sie eingesperrt sind, desto größer wird die Panik. Die ersten Masken fallen, die ersten unangenehmen Wahrheiten treten ans Licht, die ersten Konflikte brechen aus – während draußen, vor dem Tunnel, sanft der Schnee vom Himmel fällt und die Welt unter einer weißen Decke verbirgt.
Über den Autor:
Bernhard Aichner (geb. 1972) lebt als Schriftsteller und Fotograf in Innsbruck/Österreich. Aichner schreibt Romane, Hörspiele und Theaterstücke. Für seine Arbeit wurde er mit mehreren Literaturpreisen und Stipendien ausgezeichnet. Nach den Spannungsromanen Nur Blau (2006) und Schnee kommt (2009) erschienen bei Haymon die Max-Broll-Krimis Die Schöne und der Tod (2010), Für immer tot (2011) und Leichenspiele (2012). Totenfrau ist der erste Thriller, der bei btb erscheint. Für die Recherche dazu arbeitete Aichner ein halbes Jahr bei einem Bestattungsinstitut als Aushilfe.
Meine Meinung:
„Schnee kommt“ ist Aichners dritter Roman, 2009 im Scarabaeus-Verlag erschienen und 2014 bei Haymon neu aufgelegt. „Totenfrau“ hatte ich vorher gelesen und kann nun sagen, dass für mich die sprachliche Entwicklung des Autors gut zu erkennen ist.
Im dicksten Schneetreiben lässt ein Auffahrunfall in einem Tunnel fünf Menschen scheinbar zufällig aufeinandertreffen. Dadurch entsteht quasi ein geschlossener Raum, in dem die Betroffenen sich ihrer Situation stellen müssen.
Aichner ist es gelungen, auf nur 214 Seiten deutlich zu machen, was eine solche Ausnahmesituation mit Menschen machen kann. In reduzierter Sprache, konzentriert auf das Wesentliche, entwickelt er ein eindringliches Szenario, dem ich gebannt folgte. Schnell entstand bei mir ein Bild der zugegebenermaßen sehr seltsamen Menschen im Kopf, einer Schauspielerin, die Blindheit simuliert beispielweise oder einem Mann ohne Nase. Zusammen mit der Situation, in der sie sich befinden, mutet das alles surreal an und je mehr Einblick man in die Charaktere erhält und je weiter sich die Situation entwickelt und sich Verbindungen herstellen lassen, desto absurder werden die Gespräche der Beteiligten, desto skurriler wirkt das Ganze. Und bleibt doch erstaunlich nachvollziehbar und fesselnd bis zum Ende.
Ein raffiniertes, psychologisches Puzzlespiel wird hier geboten, in dem sich die Frage nach der Sympathie der beteiligten Personen nicht stellt, sondern menschliche Abgründe meisterlich vor Augen geführt werden.