Mir ist der Einstieg in das Buch gut gelungen und es ist eine wahre Wohltat, nach einem nur mittelmäßigen historischen Roman (damit meine ich "Die Täuferin" von Jeremiah Pearson) in eine von Titus Müller erzählte Geschichte einzutauchen.
Die Industrialisierung in Deutschland ist mir aus dem Geschichtsunterricht nur rudimentär bekannt, denke aber, dass die geschilderten Lebensumstände mit all ihrem Elend die damalige Situation gut widerspiegeln.
Hannes ist eine starke Persönlichkeit und weiß sich zu helfen. Er ist nicht auf den Kopf gefallen, sondern durchschaut Zusammenhänge schnell. Es ist imponierend, wie gut er improvisieren und dies zu seinem Vorteil nutzen kann.
Bei Kutte musste ich auch sofort an "Als wie unsterblich" waren denken. Das ist aber nicht weiter schlimm.
Alice ist eine "Tocher aus gutem Hause", die jedoch stark mit der Arbeiterklasse sympathisiert, was sich schon in ihrer Lektüre zeigt. Sie ist einerseits in ihrem Denken naiv, wenn sie glaubt, die Armut in den Wohnhäusern lindern zu können - andererseits erkennt sie das Elend in seinem ganzen Ausmaß, während ihre Freundinnen den Ausflug nur als Abenteuer betrachten und die Einblicke schon bald danach vergessen haben. Alice ist in Konventionen eingezwängt, aus denen sie sicher ausbrechen will. An Victors Seite hätte sie keine Zukunft, da würde sie verkümmern und eingehen wie eine Primel. Victor selbst ist mir unsympathisch und auch Alices Bruder kann ihn nicht leiden (und das wird sicher nicht nur daran liegen, dass es sich um seinen Vorgesetzten handelt).
Zum Cover, das hier schon viel Erwähnung gefunden hat: Ich finde es sehr ansprechend und es transportiert für mich genau die Stimmung, die ich in diesem Roman erwarte: Nüchtern, nicht verschönernd, aufwühlend. Mir gefällt's.