Ich habe an der Leserunde zu Lausige Liebe teilgenommen und danke Alexandra Richter für die fröhliche und freundliche Begleitung der Runde. Vielen Dank auch an den Verlag für den kostenlosen Link zum E-Book, den ich zweimal "zerschossen" habe
Dies ist der 2. Band der Krimireihe Mord im hohen Norden des Autorinnen-Duos. Zunächst gibt es Lausige Liebe nur als E-Book, doch ich hoffe, die Print-Ausgabe wird bald folgen.
Die Autorinnen
Linda Conrads lebt mit ihrer Familie direkt an der ostfriesischen Nordseeküste. Obwohl sie schon immer einen Hang zu wilden Geschichten hatte, begann sie erst im neuen Jahrtausend mit der Schreiberei und hätte sie dies nicht getan, wäre sie bestimmt geplatzt.
Alexandra Richter ist Diplom-Ingenieurin für Verfahrenstechnik und weiß, wie aus Erdöl Benzin gemacht wird oder Antifaltencreme. Mit ihrem Mann und ihren Söhnen lebt sie im buntesten Viertel Hamburgs und ist immer mit Sift und Notiblock unterwegs.
Alfred Hitchcock sagte: "Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realität."
Ihre persönliche Vorstellung bei amazon:
Mir sind die Verlierer unserer Lack&Chrom-Welt ans Herz gewachsen. Ihnen möchte ich eine Stimme geben, und trotz des vermeintlich depressiven Themas meine LeserInnen gut unterhalten. Hin und wieder haue ich eine tiefgangbereinigte Fun&Junk-Story in die Tastatur. Aber auch da ist meistens etwas drin, auf das unsere Gesellschaft nicht unbedingt stolz sein kann.
Meine Schriftstellerfreundin Linda Conrads und ich haben zusammen bisher zwei Kriminalromane aus der Reihe Mord im hohen Norden geschrieben.
Zum Inhalt
In Ostfriesland steckt Kommissarin Marga Terbeek mitten in den Ermittlungen zum Mord an dem Frührentner Fokko Endjer. Der so genannte Eismann, der mit seiner über alles geliebten Schwester Ada in den alten Zollblocks des Emder Außenhafens zusammenlebt, könnte Marga einen entscheidenden Tipp geben. Aber Marga muss erst einmal ihren Vater und Onkel Alli in die Schranken weisen. Denn der Einbruch in Ahlerich Freeksens Fischereibetrieb rangiert bei Marga unter Z wie Zahncreme. Zur selben Zeit müssen Kalle Bärwolff und seine neue Kollegin Yeshi Nielsen den Tod von zwei Neugeborenen aufklären, die in der Babyklappe eines Geburtshauses in Hamburg Volksdorf aufgefunden worden sind. Seine väterlichen Pflichten vernachlässigt Kalle sträflich. Prompt wird seine Teenagertochter Eliza auf St. Pauli festgenommen. Um Eliza aus der Hamburger Schusslinie zu bringen, schickt Kalle sie zu Marga aufs platte Land, wo Eliza erneut in Schwierigkeiten gerät. (amazon)
Meine Eindrücke und Gedanken zum Buch
Insgesamt kann ich sagen: der Ostfriesen-Krimis las sich flüssiger und war spannender als der Hamburg-Krimi und hat mir auch in sprachlicher Hinsicht gefallen. Marga ist eine so sympathische Protagonistin, dass ich ihr gerne gefolgt bin - was auch die unangenehmen und teils leicht ekligen Rückblenden erträglicher machte.
Der Hamburger Krimi war quirliger, sehr eigenwillig, frech, kritisch und lebendig. Das Private nahm sehr großen Raum ein, die Mordermittlungen finden quasi nebenher statt. Dabei finde ich das Thema/die Problematik des Hamburger Krimis wegen der gesellschaftskritischen Aspekte viel brisanter. Mir hat gefallen, dass moralische und menschliche Grundsatzfragen diskutiert werden und besonders gefällt mir auch, wie facettenreich die unterschiedlichen Frauenfiguren gestaltet wurden.
Der gesamte Hamburger Krimi bedient nicht die üblichen Klischees. Im Gegenteil, Alex spielt mit Rollenklischees, seien es traditionelle oder hippe Rollenmuster. Sie lässt uns alle Frauen aus Kalles eingeschränktem Blickwinkel heraus sehen, was zu so manchem sexistisch eingefärbten Gedanken oder Spruch führt. Und wir bekommen - zu meiner großen Freude - mit, wie Kalle seine Vorurteile eins nach dem anderen zurücknehmen muss. Dass das nicht allzusehr in die Tiefe gehen kann bei einem Doppelkrimi auf 400 Seiten, ist klar. Aber es ist erstaunlich, wie vielfältig und wie frisch und lebendig die weiblichen Polizistinnen auftreten, wie sie miteinander und mit Kalle umgehen, sich in einem männlichen Umfeld nicht nur behaupten, sondern einfach sie selbst und herrlich unperfekt sind. Mir hat das ausgesprochen gut gefallen.
Der derbe machtgeile Chef ist etwas holzschnittartig gezeichnet, seine Wutausbrüche sind so echt, dass sie auch die Leser ganz schön nerven, andereseits aber manchmal auch die Lachmuskeln reizen.
Auch im Ostfriesland-Krimi gefielen mir die Frauenrollen gut - sowohl Marga und die sympathische Kollegin mit den "Honighaaren" als auch die Überspitzt gezeichnete nervige Chefin des Hotel Leda. Hier - in Emden und Umgebung - kommt noch hinzu, dass die männlichen Nebenfiguren teils so knorrig sind, dass ich manchmal laut auflachen musste. Hier geht alles einen wesentlich ruhigeren Gang als im hektischen Alltag in Hamburg. Der Autorin Linda Conrads gelingt es ganz wunderbar, das ostfriesische Nordsee-Salzwasser-Feeling immer hier und da aufblitzen zu lassen, ohne uns mit ausufernden Landschaftsbeschreibungen oder klischeehaften Dingen wie Grog usw. zu nerven. Die eingeflochtenen plattdeutschen Sätze ließen mich die Menschen als sehr authentisch erleben. Auch wenn ich mal hier und da ein, zwei Worte nicht erraten konnte. Es gibt außerdem hinten im E-Book ein Glossar, in dem die unverständlichsten plattdeutschen "Fremdwörter" erklärt werden.
Der ostfriesische Krimi ist ruhiger und stimmungsvoller als der eher hektische urbane Hamburger. Ich folgte neugierig Margas' umfangreichen Ermittlungen, bei denen es manchmal auch ganz schön stürmisch zugeht! Ich musste oft lächeln und manchmal laut lachen, denn auch hier gibt es skurrile Figuren, die den Ermittlungen eine besondere Note geben. Und ich konnte mitraten, denn es gibt eine Reihe verdächtiger Personen. Das Private läuft bei Marga auch nicht so ganz rund, außerdem hat Marga Besuch aus Hamburg.
Die Auflösung der Mordermittlungen war schließlich anders, als ich erwartet hatte. Obwohl ich zuvor schon auf halbem Wege in die richtige Richtung gewesen war, bin ich dann aber "falsch abgebogen"
Also: Überraschung. Wenn auch eine sehr traurige. Wenn man gerade denkt, jetzt alles zu wissen, kommt noch etwas, das wirklich erschreckend ist.
Summa summarum hat mir das Lesen wegen der sympathischen Hauptfiguren, der Stimmung und des tollen Humors der beiden Autorinnen gut gefallen. Auch wenn ich die Krimihandlung im Hamburg-Krimi als etwas zu kurz gekommen empfinde, den Schluss etwas seltsam fand, hatte ich zu keiner Zeit das Gefühl, mich zu langweilen.
Dass das Tempo zeitweise langsamer wurde, finde ich nicht schlimm. Das mag daran liegen, dass ich nur selten Thriller lese und auch literarische, ruhige Krimis ab und zu ganz gern mag. Mir ist nicht nur wichtig, dass etwas möglichst Aufregendes passiert und die Spannungskurve (einigermaßen) gehalten wird, sondern auch die Sprache, die Atmosphäre, die Thematik, die angesprochen wird. Auch ungewöhnliche Plots (bei eher einfacher Sprache) wie z.B. bei Hakan Nessers Krimis können mich begeistern.
Längst nicht alle Krimis oder Thriller bringen so viel sprachlichen Ideenreichtum, knackig freche Sprüche und einen so humorvollen Ton auf's Tablett wie dieser. Oft wird bewusst ganz schlicht erzählt, um das Tempo zu steigern, die Leser auf Hochspannung zu tunen und die Anspannung mithilfe von Gewaltexzessen und Unmengen Blut hochzuzwirbeln.
Mir fehlt in solchen Massenware-Thriller und Krimis die Atmosphäre, der Alltag der Personen, das ganz normale Leben.
In Lausige Liebe stimmt einfach die Atmosphäre, die Sprache, das Gesellschaftskritische, eine gewisse Art der Gemütlichkeit (manchmal) und die Aktualität. Er hat in ganz besonders charmanter Art und Weise meine Erwartung an einen Kriminalroman aus dem Norden Deutschlands erfüllt, wobei die Betonung auch auf Roman liegt.
Kritikpunkte gibt es auch: Im Hamburg-Krimi war mir der Kontrast zwischen dem wirklich harten Hintergrund der Mordermittlungen und dem flapsig-lustigen Übergewicht der privaten Probleme des tapsigen Brummbär-Ermittlers Kalle etwas "too much".
Wer ein solch hartes Thema anpackt, darf es mMn nur so tun, dass es auch richtig wehtut. Es wird zwar nichts verharmlost, aber die Mordermittlungen und all das Schreckliche rücken in den Hintergrund dank der Ablenkung durch witzige Slapstickszenen aus Kalles Polizistenalltag.
Andererseits muss ich sagen, dass dieser Eindruck beim Lesen direkt entstand, ich aber im Nachhinein bemerken musste, dass der Krimi mich auch nach dem Lesen noch beschäftigte und seine Wirkung entfaltete.
Erst im Nachhinein fiel mir auf, dass innerhalb der Gespräche zwischen den Kolleginnen und Kollegen sehr unterschiedliche gesellschaftskritische Positionen zu diesem Thema bezogen wurden und dabei auch die emotionalen Überschussreaktionen, die in solchen Gesprächen entstehen, stattfanden. So wurde mein Kopf ganz nebenbei mit Infos und Pro- und Kontra-Arguenten gefüttert, ohne dass ich es beim Lesen bemerkt habe.
Wer auf ein rundes Ende mit dem üblichen Alles-wieder-gut-Effekt oder Rache- gleicht-alles- wieder-aus-Ende wartet, wird hier enttäuscht. Das übliche Krimi-Schema wird nicht bedient, es bleibt manches so schlecht, wie es nun einmal ist.
Fazit: Dieser quirlige, lebendige Doppelpack-Krimi hat mir einige angenehme und interessante Lesestunden geschenkt. Nebenbei gefällt es mir, dass es ein Autorinnen-Duo ist, das ihn geschrieben hat. Die weibliche Art des Schreibens fällt bei den beiden unterschiedlich aus, auf jeden Fall aber sind die weiblichen Figuren so richtig schön echt. Auch die männlichen Protagonisten und Nebenfiguren empfand ich als gelungen. Trotz der weiter oben genannten Kritikpunkte war es für mich ein Vergnügen, diesen Krimi mit zwei Mordermittlungen, vielen sympathischen Personen und vor allem einem gelungenen Schuss Humor und Stimmung zu lesen. Das bisschen Chaos in meinem Kopf, das aufgrund der vielen Personen und Zusammenhänge im Hamburg-Krimi kurz mal entstand, gehörte irgendwie dazu und macht einen Teil der Individualität dieses Nicht-Null-Acht-Fünfzehn-Krimis aus.
Darum gebe ich 8/10 Eulenpunkten und hoffe, dass es bald einen fetzigen dritten Band geben wird.
Edit: ISBN eingefügt. LG Wolke