Anat Talshir las am 13.03.2015 auf der Buchmesse in Leipzig

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    Dieses Jahr waren es irgendwie viele interessante Lesungen zu Romanen, die auf wahren Geschichten beruhen. :-)


    Anat Talshir unterrichtet Kreatives Schreiben und arbeitet auch als Journalistin. Ihr erstes Buch "Über uns die Nacht" ist in Israel ein Bestseller, der auch mit Preisen ausgezeichnet wurde.


    Die Geschichte in "Über uns die Nacht" sei schon lange in ihr gewesen und habe aufgeschrieben werden müssen. Im Haus ihrer Familie habe es ein Geheimnis gegeben, etwas, das die Erwachsenen immer haben plötzlich schweigen lassen, wenn Kinder dazukamen. So sei die beste Freundin ihrer Mutter die Inspiration gewesen. So attraktiv und intelligent, warum ist sie trotzdem so einsam?


    Eine Liebesgeschichte, die für sie größer als das Leben selbst ist. Also begann Anat Talshir zu recherchieren, sprach mit Menschen, die in jener Zeit lebten und war viel in einer speziellen Bibliothek in Jerusalem, in der es Schwarzweißbilder aus der Zeit des Britischen Protektorats gibt.


    Eine der beiden Handlungsebenen beginnt 1947, kurz vor der Gründung des Staates Israel. Jerusalem ist in einen westlichen Teil und einen östlichen unterteilt. Im östlichen Teil lebt ein junger arabischer Mann namens Elias, im westlichen eine junge jüdische Frau namens Lila, die sich inmitten dieser Zeit des dramatischen Umbruchs und der Spannungen ineinander verlieben. Als eine Mauer durch Jerusalem gezogen wird, werden auch die Liebenden voneinander getrennt - für 19 Jahre.


    Anat Talshir konnte lange nicht verstehen, warum die beiden Liebenden sich tatsächlich 19 Jahre nicht sahen, keinerlei Kontakt miteinander gehabt haben sollten. In einer solchen Situation würde man selbst doch alles nur erdenkliche tun, um den geliebten Menschen sehen zu können... und sie fand eine Frau, die damals nicht nur Vermittlerin für die Vereinten Nationen war, sondern tatsächlich auch Kundin in Lilas Schönheitssalon.


    Es folgte eine kurze Lesung auf Hebräisch und von der ausgezeichnet vortragenden Artemis Chalkidou eine längere.


    Die Zuhörer wurden mitgenommen nach Jerusalem ins Jahr 1947, zu einer Veranstaltung, bei der die britische Oberschicht und geladenen Gäste über die politische Situation sprachen, sowie darüber, wer tatsächlich Tee und Kaffee nach Europa eingeführt habe. :chen Dann folgte ein Abschnitt aus dem Jahr 2006, über die Veränderungen und Spannungen, an dessen Ende man am liebsten direkt weitergelesen hätte.


    Für Anat Talshir war von Anfang an der wichtigste Aspekt, dass dieser Mann und diese Frau durch eine große Mauer getrennt wurden. Und auch, dass es jemanden gab, der den beiden einen Briefaustausch ermöglichte.


    Eine ihrer frühsten Erinnerungen ist der Weg zu einem Bunker als sie sechs Jahre alt war, während des Sechstagekriegs. Sie wurde in Jerusalem geboren und alle ihre ersten Erinnerungen sind dort verwurzelt. Heute verbindet sie eine Hassliebe sie mit der Stadt, in der die Liebe überwiegt. An Tel Aviv schätzt sie, dass es lebendig ist und eine unreligiöse junge Stadt. Genau deshalb sei sie früh dorthin gezogen, wollte alles hinter sich lassen und komplett neu anfangen. In einer Stadt, die für sie das genaue Gegenteil von Jerusalem ist. Denn Jerusalem sei vermutlich die komplizierteste Stadt im Nahen Osten, jene Stadt, die sie nicht wie geplant hinter sich lassen konnte.


    Deshalb musste sie ein Buch darüber schreiben, um zu zeigen, wie die Liebenden aus zwei unterschiedlichen Kulturen einerseits durch den Krieg getrennt wurden, andererseits auch geeint.


    Im folgenden Lesungsabschnitt wurde aus Perspektive beider Hauptfiguren vermittelt, was die Gründung des Staates Israel im Jahr 1947 für jeden bedeutet, was sie empfanden und glaubten, wie es dem anderen jetzt wohl ginge. Für Elias bedeutet es, dass ein Staat geboren wird, der nicht der eigene ist, obwohl seine eigenen Vorväter auf diesem Land geboren und begraben wurden.


    Ihr zweites Buch ist in Arbeit und dieses fällt ihr nicht so leicht zu schreiben wie der Erstling. Den Hintergrund bildet wieder eine wahre Geschichte, wobei diesmal ein Kriminologe in der Midlife Krise im Mittelpunkt steht und sie herausfinden wollte, was die Ehe ihrer Eltern ruiniert habe. Erst nach einer Weile sei ihr bewusst geworden, dass sich die Lösung direkt unter ihrer Nase befand.


    Mich beeindruckte, wie lebendig Anat Talshir die beiden Figuren werden lässt und gleichzeitig viel über jene Zeit vermittelt, nicht nur Faktenwissen, sondern auch die Gefühle und das Alltagsleben der Bevölkerung.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.