‚Deep Secret‘ ist für Erwachsene geschrieben, bleibt aber eher auf der Ebene eines Fantasy-Romans für ältere Teenager. Erwachsene Hauptfiguren zu zeichnen ist nicht Jones’s Stärke. Auch wenn ihr Protagonist Ende zwanzig sein soll, ist er es im Handeln nicht, noch ist die sich anbahnende Liebesbeziehung etwas anderes als in einem Teenagerroman üblich. Herausfordernd dagegen ist der Weltenbau und das titelgebende ‚Deep Secret‘.
Der Roman ist einer der wenigen von Jones, die in unserer Welt spielen. Allerdings ist diese nur eine von vielen Welten in einem Universum, das vor langer Zeit von einem Herrscher geschaffen wurde. Die Welten unterscheiden sich im Vorhandensein von Magie, angeordnet sind sie in einer Art Möbiusscher Schleife, von Magie bis keine Magie und alle Abstufungen dazwischen. Die Magie ist zudem in negative und positive eingeteilt. Dies in Balance zu halten, ist Aufgabe der sogenannten Magids. Sie können nicht nur mit Magie umgehen, sondern auch zwischen den Welten und Universen wandern.
Einer dieser Magids ist Rupert, er muß auf die Erde aufpassen. Der Leitende Magid stirbt, Ruperts Aufgabe ist es, einen passenden Nachfolger zu finden. Dafür bekommt er eine Liste mit fünf Namen.
Das sieht ganz leicht aus, ist es aber nicht. Schon beim ersten Versuch, Kontakt aufzunehmen, stellt Rupert fest, daß er auf normalem Weg nicht eine oder einen der möglichen zukünftigen Magids erreichen kann. Als er überraschend in einer ganz anderen Welt mithelfen soll, einen Bürgerkrieg zu verhindern, ist es ihm ganz recht, daß er die Suche aufschieben muß. Statt dessen sucht er einen Thronfolger. Das kann er insofern, als er Softwarespezialist ist und die Hinweise auf den Thronfolger nur so zu entschlüsseln sind.
Der tote Leitende Magid und eine Art Überregierung des Universums bestehen aber darauf, daß Rupert sich endlich um einen Magid-Nachfolger kümmert. Zwischen einem sehr energischen General eines bedrohten Lands auf der einen und einem sehr energischen unsichtbaren Leitenden Magid auf der anderen Seite wird Rupert klar, daß er keine Ruhe haben wird, wenn er nicht schnell handelt. Da er einen Teil der Informationen über den Thronfolger bereits entschlüsselt hat, beschließt er, unter Einsatz zauberischer Kräfte die Magidkandiatinnen und –kandidaten an einem Ort zusammenzubringen, an dem besonders viel Magie zusammenfließt. Dort wird sich dann herausstellen, wer am besten damit umgehen kann. Allerdings findet genau an dem Ort eine Fantasy-Convention statt.
Wer jetzt auf eine wilde und urkomische Satire hofft, wird enttäuscht werden, das ist nicht Jones’s Anliegen. Sie holt sehr weit aus, die Handlung setzt in einer anderen Welt ein. Erzählt wird zunächst von Rupert. Er ist kein ganz zuverlässiger Erzähler, er ist stimmungsabhängig, ziemlich arrogant und ungeduldig. Obwohl er erst Ende zwanzig ist, bringt ihn alles, was nicht nach seinen Plänen läuft, aus der Fassung. Das bringt es mit sich, daß er bei beiden Aufgaben jeden Fehler macht, den er nur machen kann, und das Ganze bald an den Rand der Katastrophe bringt.
Die Verwicklungen, die Jones sich hat einfallen lassen, sind nicht nur atemberaubend, sondern bringen auch das Denken durcheinander. Es ist unmöglich, während des Lesens herauszufinden, was womit zusammenhängt. Es passiert viel, es tauchen zahlreiche Personen auf. Die Handlungsorte sind einfallsreich, angefangen vom Ort der Con, dem Hotel Babylon, dessen Wände und Decken Spiegel sind und seine Gänge immer mehr Ecken und Abzweigungen haben, als man denkt. Das Hotel ist wie ein Entwurf von Escher, sagt eine Figur einmal und das vermittelt Jones aufs Beste. Dazu gibt es wilde Jagden in anderen Welten, hochgefährliche Wanderungen zwischen ihnen und eine Menge einfallsreicher Magie.
Natürlich wetzt Jones ihre Zunge an Fantasy-Fans, aber auf eine freundliche Art, man schmunzelt eher beim Lesen, als daß man laut lacht. Sehr eigen ist der Weltenentwurf und vor allem das Rätsel um das innere Geheimnis, das Rätsel von Babylon. Dafür braucht man beim Lesen volle Aufmerksamkeit, dabei gibt es recht verzwickte, esoterisch-fantastische Überlegungen, die in sich aber stimmig sind.
Wunderbar gelungen sind die Figuren, allen voran Rupert und sein weiblicher Gegenpart Maree, dazu ihr Vetter Nick, Ruperts seltsamer Nachbar, der Magid-Geist, aber auch General Dakros. Es tauchen einige fantastische Wesen auf, Zentauren, z.B., oder der Geist des alten Magid, dazu ein gutes Dutzend Con-VeranstalterInnen und Fans mit ihren eigenen Sorgen, Problemen und vor allem Marotten. Gelungen sind auch die Bösewichte, nicht wenige darunter unerwartet. Es bleibt spannend bis zum Ende.
Der Zielgruppe geschuldet sind einige sehr blutige Morde, die gruselig sind, aber eine Spur aufgesetzt wirken, es paßt nicht recht zu Jones. Überzeugend dagegen Ruperts Auftritte als Magid und die Beschreibungen der damit zusammenhängenden Magie.
Über den ‚Epilog im Himmel‘, um es salopp auszudrücken, kann man diskutieren.
Insgesamt ist Deep Secret ein Fantasyroman sehr eigener Art, durchgängig spannend, eigenwillig und nicht leicht zu entschlüsseln.
Gelesen habe ich nicht die unten verlinkte, sondern die Tb-Ausgabe von TOR, deren Cover weit passender ist, als das bei amazon gefundene.