'Ismaels Orangen' - Seiten 063 - 159 (ab 1956)

  • Wir befinden uns inzwischen im Jahr 1956 und in Großbritannien und verfolgen die Geschichte der kleinen Jüdin Judit, die sich mit ihrer Mitschülerin Kathleen befreundet.
    Währenddessen fallen im Sinai die ersten Bomben.


    Salim, der inzwischen 15 Jahre alt ist und mit seiner Familie bei seiner Halbschwester in Nazareth lebt, hört mit Schrecken, dass der Vater den Hain und das Haus in Jaffa verkaufen muss. Der Schmuck der Mutter wurde bereits verkauft und alles Geld ist aufgebraucht. Salim begleitet seinen Vater und seinen Schwager Tareq nach Tel Aviv, um den Kauf in die Wege zu leiten.
    Dort treffen die drei auf einen alten Bekannten, Elias' Vater Isak Yashuv und erfahren, dass ihnen das Haus schon gar nicht mehr gehört und das Land auch kaum noch was einbringt.


    Ein Besuch in Jaffa wird für Salim zu einer großen Enttäuschung, die Stadt hat für den Jungen ihren Zauber verloren.
    Zurück in Nazareth stellen die drei mit Entsetzen fest, dass die Mutter sich mit dem kleinen Rafan abgesetzt hat.


    Judit bereitet sich auf ihre Bat Mizwa vor und findet eine neue Freundin, die ihr den Namen "Jude" gibt. Das Mädchen erkennt den wahren Sinn des Namens nicht und himmelt die Freundin Peggy geradezu an.
    Am Tag der Bat Mizwa verstirbt Judits geliebte Großmutter Rebecca und hinterlässt ihrer Enkelin einen langen Brief, in dem sie ihr ihre Geschichte erzählt.


    Ich habe diesen Abschnitt sehr gern gelesen und frage mich, ob die beiden Handlungsstränge so zusammengeführt werden, dass Salim und Judit sich begegnen und ineinander verlieben. Denn Salim hat sich ebenfalls auf den Weg nach Großbritannien gemacht, um bei seinem großen Bruder zu leben.
    Salim plant ein Studium, doch der Bruder möchte, dass der Junge in seiner Autowerkstatt arbeitet und Geld verdient.

  • In diesem Abschnitt erfahren wir etwas mehr von Judith. Sie tut sich schwer, sich damit abzufinden, dass sie anders als andere Kinder ist. Ich kann ihre Gedanken und Gefühle hier sehr gut nachvollziehen. Es war sicher nicht einfach damals für die Kinder, die all das Leid, das den jüdischen Familienmitgliedern im Krieg angetan wurde, nicht mehr miterleben mussten, das zu verstehen und als Teil ihrer Geschichte zu begreifen. Dies gelingt ihrer Großmutter mit ihrem Brief.
    Fasziniert hat mich die Beschreibung, was Judith beim Schwimmen emfindet. Die einzige Tätigkeit, bei der sie abschalten und ganz bei sich sein kann. So empfinde ich es auch, wenn ich selbst im Wasser meine Bahnen ziehe.
    Ich habe beim Lesen dieses Buches oft das Gefühl, dass die Autorin sehr genau weiß, worüber sie da gerade schreibt.


    Salim hat mir in diesem Abschnitt sehr leid getan. Er verliert hier alles, woran sein Herz hing. Ich bin sehr gespannt, wie es ihm in London ergeht.

  • Ich lese das Buch weiterhin gerne.
    (Komisch, so etwas zu schreiben, wenn es um Holocaustüberlebende und fallende Bomben und um eine Thematik geht, von der wir wissen, dass sie ein halbes Jahrhundert später noch immer aktuell ist. Aber ich wüsste echt nicht, wie ich das besser formulieren sollte, und hoffe, man versteht, was ich meine.)
    Mir gefällt, dass nun, da die Geschichte um Judit/Judith/Jude mehr Raum einzunehmen beginnt, beide "Seiten" gleicherweise zu Wort kommen.

    Zitat

    Original von Saiya
    Ich habe beim Lesen dieses Buches oft das Gefühl, dass die Autorin sehr genau weiß, worüber sie da gerade schreibt.


    Hier kann ich nur :write
    Ich meine, es gibt ja sehr gute Autoren sehr gut recherchierter sehr guter (von mir aus auch noch mit sehr viel "Herzblut" geschriebener) historischer Romane, aber hier habe auch ich den Eindruck, die Autorin ist sehr dicht am gewählten Thema dran! :anbet
    :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Ich kann mich euren Empfindungen nur anschließen. Ja, man spürt die Kenntnis der Situation und das Herzblut der Autorin. Als Tochter einer jüdischen Mutter und eines palästinensischen Vaters ist sie wohl irgendwie "dazwischen" aufgewachsen und hat somit einen sehr guten Einblick in beide Kulturen. Vielleicht erzählt sie in "Ismaels Orangen" auch ein bisschen ihr eigenes Leben. In London werden sich ann wohl Judiths und Salims Wege kreuzen. Das erwarte ich mit Spannung.

  • Ich sehe es wie ihr. Bestimmt hat die Autorin gut recherchiert und auch ihre eigenen Erfahrunge und/oder, Erzählungen älterer Verwandter ect. mit einfließen lassen.

  • Nachdem ich im ersten LR-Abschnitt einige Schwierigkeiten hatte, in die Geschichte hinein zu finden, hat mich dieser Abschnitt jetzt gepackt.
    Mir gefällt es, etwas mehr über Judit zu erfahren und ich fand es ganz schlimm, was ihre "besten" Freundinnen ihr angetan haben.


    Salim hat nun alles verloren, sein Zuhause, seine Mutter und den Glauben daran, jemals die Orangen seines Baumes ernten zu können. Wenigstens ist sein Bruder Hassan bei ihm.
    Bei allem Ernst der Thematik musste ich etwas über den Begriff "anwesender Abwesender" schmunzeln.


    Zitat


    Original von Roma
    Ich sehe es wie ihr. Bestimmt hat die Autorin gut recherchiert und auch ihre eigenen Erfahrunge und/oder, Erzählungen älterer Verwandter ect. mit einfließen lassen.


    Ja, dass die Autorin weiss worüber sie schreibt, merkt man an jeder Zeile.

  • Judit hat es nicht leicht. Sie möchte sein wie alle andern, kann es im Grunde allerdings nie werden, da sie ja "Jüdin"ist. Unglaublich, wie der Antisemitismus in der ganzen Welt verbreitet ist. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Das waren, zumindest in früherer Zeit, als der Zionismus noch keine Opfer gefordert hat, ganz friedliche Leute.
    Aber wohin man schaut, gibt es ob offen oder verdeckt den Hass gegen die Juden.


    Diese Peggy ist ja ätzend, wie kann man in dem Alter schon so gemein sein. Und Kitty ist nicht standhaft genug, sich gegen das "gute" Leben zu wehren.


    Dass Salims Mutter in den Libanon zurückgekehrt ist ohne ihn mitzunehmen, schmerzt ihn sehr. Vielleicht noch mehr, als der Verlust seiner Orangenhaine.


    Vom Nachbarn reingelegt, gut die Gesetze mögen es ihm leicht gemacht haben aber das zeigt doch deutlich seinen Charakter. Von wegen guter Freund.


    Dass die Autorin weiß wovon sie schreibt ist wohl nicht zu übersehen. Wer in diese Konflikte zwischen Palästinensern und Israelis hineingeboren wird kommt unschwer daran vorbei sich Gedanken zu machen. Um die Geschichte an sich und die der eigenen Familie.

  • Ein ganz trauriges Kapitel. Judit muss zwar nicht Krieg und Vertreibung erleben, aber doch Ausgrenzung und Gemeinheiten.
    Salim hat noch mehr verloren - eigentlich sein ganzes altes Leben. Zwar ist sein Bruder da - aber auch der hat sich verändert.


    Ich habe nochmal zurückgeblättert zur den Vorkommnissen in Tel Aviv und der Fahrt dorthin. Den Gedanken von Salim über das, was er in der Schule gelernt hat, was ihm Nadia über den Verkauf des Landes berichtet hat. Wie dann himmelschreiendes Unrecht mit Hilfe der Gesetze zu Recht werden.
    Alles Elend dieser Region über Generationen hinweg auf ein paar Seiten dargestellt.
    Beim Treffen von Elia und Salim hatte ich einen dicken Knoten im Hals - so schnell kann es gehen, dass von einer Freundschaft nur noch der Wunsch übrig bleibt, den anderen zu verletzen.


    Sehr anrührend, wie Hajaj das schildert.

  • Ein beeindruckendes Kapitel. Beide Hauptfiguren sind inzwischen älter. Doch so einiges ist passiert. Beide müssen sehr schnell erwachsen werden.
    Bei Salim hatte ich bis jetzt den Eindruck er wäre jünger als Judit. Auch wenn es nur ein Jahr ist, erschien er mir noch kindlich.
    Bei Judit hatte ich den Eindruck, sie weiß was sie will - hier vor allem schwimmen und an Wettkämpfen teilnehmen.
    Wie wichtig aber auch für Sie die tragische Geschichte ihrer Familie ist, erfährt Sie erst durch den Brief Ihrer Großmutter. Durch Ihn wird Sie zur Frau und erwachsen.


    Es ist schon schlimm was Vertreibung der Juden aber auch der Palästinenser bis heute für Auswirkungen haben.
    Sehr spannend finde es das anhand dieser beiden Heranwachsenden zu erzählen. Mal sehen, ob es eine Aussöhnung, Versöhnung hier geben kann.

  • Im 2. Abschnitt hat es mich jetzt gepackt und durch den Lesungsbericht von ottifanta ist auch klar, daß die Autorin weiß wovon sie schreibt.


    Judit(h)/Jude ist ein tolles Mädchen. Sie sucht nicht die Freundschaft bei den jüdischen Mädchen, sondern möchte von den englischen akzeptiert werden. Durch das Schwimmen gelingt das ihr auch gut bis Peggy auftaucht :fetch
    Der Abschiedsbrief der Großmutter hat mich sehr bewegt. Sie beschreibt darin ihr Leben und erklärt Judit damit die Vergangenheit.


    Salim muß durch den Besuch in Tel Aviv erkennen was aus der alten Freundschaft geworden ist - sowohl bei den Vätern als auch den Söhnen. Nach der Rückkehr ist dann auch noch die Mutter mit dem kleinen Bruder weg und ihn hat sie zurückgelassen. Für ihn ist jetzt die Welt völlig aus den Fugen. Wobei ich sagen muß der Hausverkauf war schon ein dickes Ding und die Gesetze haben ihr übriges dazu getan :fetch


    In London will er studieren, Hassan glaubt, daß er Geld verdienen soll. Ich bin mal gespannt, wann er Judit über den Weg läuft :gruebel


    :lesend

  • Zitat

    Original von nordicute04
    Ein beeindruckendes Kapitel. Beide Hauptfiguren sind inzwischen älter. Doch so einiges ist passiert. Beide müssen sehr schnell erwachsen werden.
    Bei Salim hatte ich bis jetzt den Eindruck er wäre jünger als Judit. Auch wenn es nur ein Jahr ist, erschien er mir noch kindlich.


    Wenn ich das richtig verstanden habe, ist Salim 6 Jahre älter als Judith. In diesem Abschnitt ist er 17 und sie 11.

  • Ich hoffe Salim lässt sich von seinem Bruder nicht von seinen Studienplänen abbringen, Hassan wirkt auf mich, als könnte er jeden Moment auf die schiefe Bahn geraten, wenn das mit dem legalen geld verdienen mal nicht mehr so klappt.


    Judit ist wirklich ein tolles Mädchen, das sich auch durch die Zurückweisung durch die ehemlas beste Freundin nicht unterkriegen lässt.
    Den Brief der Großmutter fand ich auch sehr bewegend zu lesen.

  • Ich hatte mit meiner Einschätzung von Judit(h) recht :-) Sie kämpft darum, als Mädchen und nicht als Jüdin wahrgenommen zu werden. Ich stelle mir das schwierig vor, wenn die ganze Familie sich auf dieses eine Merkmal versteift und man selbst doch einfach nur Mensch sein will. Der Brief von Rebecca zum Ende des Abschnitts hat mich nachdenklich gestimmt und berührt.


    Der Aufschrei von Gertie bezüglich des Namens Jude kommt in der Übersetzung nicht ganz so gut. Denn ich vermute, dass die Schwester auch im Original das deutsche Wort Jude benutzt um deutlich zu machen, wie sie in Deutschland bezeichnet wurden.


    Salims Mutter verschwindet und ich kann seine Wut so gut verstehen. Sein Vater ist nur zu Hause so ein Großkotz, in der Öffentlichkeit duckt er sich. Hoffentlich bildet sich bei Salim aus den ganzen Erlebnissen kein alles verzehrender Hass auf die Juden.

  • Ich denke, es ist eine Besonderheit aller Minderheiten, sich enger zusammenzuschließen und die eigene Kultur besonders intensiv zu pflegen.
    Besonders dann, wenn man unter der Missachtung oder gar der Verfolgung der Mehrheit leiden muss. So ist es auch mit Judits Familie.
    Und Antisemitismus war und ist weltweit verbreitet.

  • Jetzt hat der Roman mich richtig gepackt. Die Autorin hat durch ihren familiären Hintergrund das Thema wunderbar im Griff.


    Judith ist eine Kämpferin. Nur schade, das sie wegen der hinterhältigen Peggy von ihrem Traum Schwimmerin zu werden, abbringen lässt.


    Salim hat sich gut entwickelt, er studiert und lässt sich von Hassan nicht davon abbringen.Die beiden Brüder sind sehr verschieden.


    Wir haben jetzt viel von den beiden Familien erfahren. Das bisherige Erleben prägen sie.

    Ich hoffe das Salim und Judith es schaffen. Das sie bei dem Namen Jude geblieben ist, hat mich gewundert, aber vielleicht hört er sich im Englischen anders an.

  • Beim lesen stört mich der Name schon aber ich spreche ihn in Gedanken englisch aus "dschuuud" da geht es ja, obwohl man immer Gerties Entsetzen im Hintergrund hat.


    Da gibst doch auch nen Beatles song ?? "Hey Jude"

  • Dieser zweite Abschnitt hat mich jetzt auch richtig gepackt.


    Vor allem in Judith kann ich mich gut hineinversetzen, da die Autorin es wunderbar schafft die typischen Pubertätsprobleme mit dem schwierigen, historisch und religiös bedingten Hintergrund der Familie zu verbinden.


    Judiths Gedanken kreisen wie die aller Jugendlicher erst einmal um sich selbst. Sie möchte "dazugehören" und sucht die Freundschaft der coolen Mädchen und das Anderssein als Jüdin ist ihr erst einmal lästig. Eigentlich ein ganz normales Verhalten in diesem Alter. Das traumatische Erlebnis auf der Party wird sie mit Sicherheit für ihr ganzes Leben prägen. :-(
    Wichtig finde ich auch, dass die Großmutter eine so bedeutende Rolle für das Mädchen spielt. Ich glaube, der Brief, den Judith zur Bat- Mizwa bekommen hat, hat sie ein entscheidendes Stück auf dem Weg zum Erwachsenwerden weitergebracht.


    Salim habe ich noch nicht so sehr in mein Herz geschlossen wie Judith, aber ich glaube aus ihm wird ein zielstrebiger junger Mann werden.
    Auf jeden Fall hat er mehr auf dem Kasten als sein Bruder, der anscheinend wie der Vater stets den leichteren Weg wählt.
    Grausam finde ich die Entscheidung der Mutter, nur den jüngsten Sohn mit sich zu nehmen. Allerdings war diese Ehe wohl nie wirklich glücklich gewesen...

  • Wäre Salim denn mit der Mutter mitgegangen, wenn er die Wahl gehabt hätte? Ich frage mich das ernsthaft. Denn obwohl er seine Mutter sehr liebt, wäre er ihr vielleicht nicht in den Libanon gefolgt, wo er ja auch eine unsichere Zukunft gehabt hätte.


    Obwohl ich das Buch ja ebenfalls in deutscher Sprache lese, habe ich den Namen Jude beim lesen immer als englischen Namen gelesen. Über die deutsche Bedeutung bin ich erst durch Gerties entsetzte Reaktion gestolpert.
    Ich dachte auch - wie Findus - an Hey Jude.


    Weiter bin ich noch nicht....