Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Sie hatte diese Frau nie getroffen, kannte nicht einmal ihren Namen, doch sie erzählte ihr alles. Ein tödlicher Fehler ...
Gerade erst von London zu ihrem Mann nach Dublin gezogen, wo die gemeinsame Tochter Roisin zur Welt kommt, sehnt sich Yvonne nach dem Austausch mit Gleichgesinnten. Stundenlang surft die junge Mutter im Internet, gibt in dem Mütterforum NETMAMMY mehr und mehr über sich preis. Als eine ihrer Online-Bekanntschaften spurlos von der Oberfläche verschwindet, beginnt Yvonne, sich Fragen zu stellen. Doch erst als eine Frauenleiche auftaucht, die Ähnlichkeiten mit der offline gegangenen Freundin aufweist, begreift sie, dass sie und die anderen Mütter in entsetzlicher Gefahr schweben könnten.
Autorin (Quelle: Verlagsseite)
Sinéad Crowley arbeitet beim irischen Fernsehsender RTE als Korrespondentin für den Bereich Kunst und Medien Während der Elternzeit entdeckte sie die Welt der Onlinemütterforen. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Dublin. „Er sieht dich“ ist ihr erster Thriller.
Allgemeines
Titel der Originalausgabe: "Can Anybody Help Me?", ins Deutsche übersetzt von Christine Heinzius
Erschienen am 16.02.2015 im Goldmann Verlag als Taschenbuch mit 384 Seiten
46 Kapitel, Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven, eingeschobene Foren-Threads aus dem (fiktiven) Elternforum "Netmammy"
Handlungsort und -zeit: Dublin in der Gegenwart
Zum Inhalt
Yvonne ist mit ihrem Mann Gerry aus London in dessen Heimat Irland gezogen. Während ihr Mann beim Fernsehsender Ireland 24 als Produktionsleiter einer erfolgreichen Show fast rund um die Uhr arbeitet, ist Yvonne mit der erst wenige Monate alten Tochter Róisín zuhause. Die ständige Verfügbarkeit und das nächtliche Stillen ermüden sie sehr, sie hat keine Energie zum Ausgehen und fühlt sich in der ihr noch fremden Stadt ziemlich vereinsamt. Umso glücklicher ist sie, als sie auf ein Internetforum namens "Netmammy" stößt, in dem sie sich mit Frauen in vergleichbarer Situation austauschen kann. Immer häufiger ist sie online und fühlt sich den anderen Forenmitgliedern zunehmend verbunden, die zum Teil recht naiv sind und gar nicht bemerken, wie viel sie im Laufe der Zeit von sich preisgeben.
Detective Sergeant Claire Boyle ist schwanger, sieht es jedoch nicht ein, aufgrund ihres wöchentlich beschwerlicher werdenden Zustandes beruflich kürzer zu treten. Als in Dublin die Leiche einer bereits seit zwei Wochen vermissten jungen Frau aufgefunden wird, stürzt sie sich voller Engagement und bis zur totalen Erschöpfung in die Ermittlungen, die zunächst im Sande zu verlaufen scheinen. Erst als Claire wegen eines Zusammenbruchs krankgeschrieben wird, sich zuhause zu Tode langweilt und im Internet auf das Forum "Netmammy" stößt, schlagen die Ermittlungen eine neue Richtung ein. Fassungslos beobachtet Claire, wie unklug viele Menschen im Internet agieren und sie erkennt, dass sie möglicherweise einen schweren Fehler begangen hat, als sie bei der Mordermittlung einen Hinweis auf genau dieses Forum als Spinnerei abgetan hat.
Beurteilung
"Er sieht dich" kommt ohne typische Thrillermerkmale wie brutale, reißerische Szenen und übertriebene Cliffhanger aus, dennoch ist das Buch unglaublich fesselnd. Die Spannung nährt sich gerade aus dem Alltäglichen, das hier sehr authentisch dargestellt wird. "Netmammy" ist ein typisches Internetforum für junge Mütter, in dem diese sich gegenseitig mit Rat und Trost zur Seite stehen. Wie in den meisten solcher virtuellen Gruppen gibt es Mitglieder, die alles für bare Münze nehmen und nicht auf den Gedanken kommen, dass solche Foren Kriminellen eine wahre Fundgrube an Informationen bieten. Jeder Leser, der selbst in einem Forum aktiv ist, wird sich weitgehend mit der Protagonistin Yvonne identifizieren können.
Der Fall ist sehr geschickt und am Ende auch nachvollziehbar konstruiert. Zu Beginn rätselt der Leser über die Motivation des Täters und kann die Todesfälle nicht in einen sinnvollen Zusammenhang bringen, erst nach und nach folgen Informationen, die den Verdacht sowohl des Lesers als auch der ehrgeizigen Ermittlerin in eine ganz andere Richtung lenken.
Die Gestaltung der Charaktere ist glaubwürdig, ebenso realistisch ist die Schilderung der Lebenssituation junger Mütter zwischen dem Anspruch, eine "perfekte Mutter" sein zu wollen und der daraus resultierenden Überforderung und Erschöpfung, die zu einem Nachlassen der Wachsamkeit führen können.
Auch in Bezug auf den Erzählstil ist der vorliegende Thriller sehr ansprechend. Die Sprache der Autorin ist anschaulich und besonders im Hinblick auf den Kommunikationsstil heutiger Internetforen sehr authentisch. Es wäre durchaus wünschenswert, wenn die Leser sich nach der Lektüre dieses beeindruckenden Debüts dazu veranlasst sähen, ihr Verhalten in sozialen Netzwerken zu überdenken.
Fazit
Ein äußerst lesenswerter, realistischer und weitgehend unblutiger Thriller, dessen Spannung vor allem darauf beruht, dass sehr viele Leser sich in die Situation der Protagonistin versetzen können.
10 Punkte