In der Finsternis - Sandrone Dazieri

  • Kurzbeschreibung (gem. Amazon)
    Dante Torre besitzt eine ganz besondere Gabe. Er kann Menschen lesen. Aber er hat teuer dafür bezahlt. Elf Jahre war er eingesperrt in ein Betonverlies und darauf angewiesen, auch die kleinste Bewegung seines Entführers zu deuten. Jetzt kennt er ihn besser als jede andere. Und er weiß, dass er nicht tot ist – denn wieder ist ein kleiner Junge verschwunden ... Dante Torre besitzt eine besondere Gabe. Er kann Menschen lesen. Aber er hat teuer dafür bezahlt. Elf Jahre war er eingesperrt in ein Betonverlies und darauf angewiesen, die kleinste Regung seines Entführers zu deuten. Als Jahre nach seiner Befreiung ein kleiner Junge verschwindet, weiß Dante Torre, dass der Mann, den er Vater nennen musste, dahintersteckt. Doch der Vater gilt längst als tot. Nur Colomba Caselli glaubt Dante. Sie ist jung, gerade vom Dienst suspendiert und hat nichts zu verlieren bei dieser Ermittlung fern von allen Regeln. Dantes Spürsinn bringt die traumatisierte Frau auf eine Fährte: Jahrelang sind unzählige Kinder entführt worden – mit dem Ziel, ihre Erinnerung auszulöschen. Jetzt wird Colomba Caselli endgültig von ihrer Vergangenheit eingeholt ...


    über den Autor (gem. Amazon)
    Sandrone Dazieri, geboren 1964 in Cremona, ist gelernter Koch und einer der wichtigsten Drehbuchschreiber für italienische Kriminalfilme. Er arbeitete als Programmmacher und Lektor für Kriminalromane im größten Verlagshaus Italiens und verfasste unter anderem Romane und Kinderbücher. Er blickt auf eine Karriere als Hausbesetzer und Umweltschützer zurück, setzt sich für Ärzte ohne Grenzen ein und lebt heute in Mailand.


    meine Meinung
    In den Bergen Italiens wird ein Kind entführt. Die Mutter wird brutal ermordet, der Vater festgenommen und verhört. Und obwohl er kein Geständnis ablegt, ist sich die Staatsanwaltschaft sicher: man hat den Täter gefasst. Doch ein Ermittler ist nicht dieser Ansicht und wendet sich an die beurlaubte Colomba Caselli. Diese soll unauffällig Nachforschungen anstellen und sich dabei an jemanden wenden, der sich mit Kindesentführungen auskennt: Dante Torre. Dante wurde in seiner Kindheit entführt und für 11 Jahre in einem Silo gefangen gehalten. Mühsam hat er sich ins Leben zurückgekämpft und kann nun besser als jeder andere die Körpersprache von Mitmenschen lesen. Zusammen sichten Colomba und Dante Spuren und müssen erkennen, dass der Fall nicht nur eine Entführung ist, sondern viel mehr beinhaltet...


    "In der Finsternis" war mein erster Thriller von Sandrone Dazieri und ich konnte mich kaum davon losreißen. Der Autor beginnt mit einer, wie es scheint, normalen Kindesentführung, nur um dann Stück für Stück Fakten zu enthüllen, die mir den Atem verschlagen haben.


    Die Geschichte wird aus der Erzählerperspektive wiedergegeben. Dabei folgt man zum Großteil Colomba und Dante. Ab und an bekommt man auch einen Einblick in die Handlungen des Täters. Diese Mischung hat mir sehr gut gefallen.


    Dante und Colomba sind zwei Figuren, die zerbrochener kaum sein könnten. Colomba wurde im Dienst schwer verletzt und befindet sich eigentlich noch in der Beurlaubung, als sie der Auftrag erreicht, dass sie heimlich ermitteln soll. Und ihr Spürsinn erlaubt es ihr nicht zu kneifen.
    Dante wurde 11 Jahre gefangen gehalten, gefoltert, misshandelt und konnte nur mit Müh und Not fliehen. Seitdem leidet er an Klaustrophobie, nimmt täglich einen mehr als großen Medikamentencocktail ein und ist versessen auf sehr guten Kaffee. Er hat sich in das Leben zurückgekämpft und versucht nun, so viel wie möglich nachzuholen.


    Und obwohl beide Personen doch kaputt sind, habe ich sie ins Herz geschlossen. Besonders Dante ist mir geradewegs ins Herz gesprungen. Ich war erschrocken über sein Schicksal, aber genauso bewundere ich ihn, wie er damit umgeht und wie er sein Leben meistert. Ich hatte mit ihm zu keinem Zeitpunkt Mitleid, sondern habe mit ihm gelacht, den Wahn ausgehalten und gezittert. Grandios, wie Sandrone Dazieri seine Figuren aufgebaut hat.


    Auch die Story an sich hat mich von Beginn an gefesselt. Der Autor erzählt nicht zwingend geradlinig, aber doch so geradeaus, dass ich mich kaum lösen konnte. Ab und an macht er Nebenschauplätze auf, bei denen ich zuerst ratlos war, nur um dann festzustellen, dass Dazieri alles aus einem bestimmten Grund erzählt. Der Thriller ist nicht blutig, sondern begeisterte mich durch die psychologischen Elemente und durch die Ermittlungen, die immer mehr ungeheuerliche Fakten ans Licht brachten. Seite für Seite war ich immer geschockter, was er noch aus dem Hut zaubert. Und ich saß bis zum Schluss mit offenem Mund da. Denn obwohl es viele Wendungen gibt, wirkt die gesamte Geschichte plausibel und in sich schlüssig.


    Der Stil von Sandrone Dazieri ist sehr gut und flüssig zu lesen. Seine Erzählweise ist für mich, die gern amerikanische Thriller liest, anders, weil er einfach nicht Fakt für Fakt aufzählt, sondern auch gern mal abbiegt. Das hat mir sehr gut gefallen, denn ich konnte mich so einfach in die Geschichte fallen lassen.


    Fazit: bitte mehr davon! Der Thriller hat mich mehr als überzeugt. Ich kann ihn nur empfehlen.

  • Originaltitel: Uccidi il padre (2014)
    Piper Verlag 2015, 557 S.


    Ein Mann wird beschuldigt, seine Frau und seinen Sohn umgebracht zu haben, doch der Sohn ist verschwunden, es gibt keine Leiche. Der Mann beteuert seine Unschuld, die Polizei hält ihn jedoch für den Täter und stellt weitere Ermittlungen ein. Nur Colombas Vorgesetzter Rovere hat Zweifel und bittet sie eigene Nachforschungen anzustellen, gemeinsam mit Dante Torre. Mit unorthodoxeren Methoden, als die Polizei erlauben würden, jagen die beiden einem ungeheuerlichen Verbrecher hinterher, nicht ahnend, welche gewaltigen Ausmaße das Ganze noch annehmen würde.


    Italienische Krimis sind eigentlich nicht so mein Geschmack, so dass ich mit geringen Erwartungen an das Buch herangegangen bin. Und siehe da: von Beginn an war ich von der Geschichte derart gefesselt, dass ich das Buch gar nicht aus der Hand legen mochte. Ein großer Anteil daran gebührt den beiden Protagonisten: Dottoressa Colomba Caselli, die beurlaubte Kommissarin und Dante Torre, der als privater Profiler arbeitet, ein tablettenabhängiger Einzelgänger, für sein Leben gezeichnet nach jahrelanger, aufgezwungener Isolation. Beide sind durch ihre schrecklichen Erlebnisse schwer traumatisiert und sie werden zu einem der ungewöhnlichsten Ermittlerteams, das mir seit langem untergekommen ist. Dem Autor gelingt das Kunststück eine tiefgehende Beziehung zwischen den beiden heranreifen zu lassen, ohne eine der üblichen Liebesgeschichten daraus zu machen. Wie die beiden zueinander stehen, erkennt man eher zwischen den Zeilen.


    Der Plot ist hervorragend durchdacht. Nach und nach wird enthüllt, was den beiden Protagonisten in ihrer Vergangenheit zugestoßen ist und was das heutige Geschehen damit zu tun hat. Das ist bemerkenswert raffiniert gemacht und so zieht die Geschichte immer größere Kreise. Der Autor lässt seine Figuren sehr geschickt agieren, lange bleibt unklar, wer Freund oder Feind ist und wem die beiden Ermittler trauen können.


    Der erfolgreiche Drehbuchautor Sandrone Dazieri hat hier einen durchgängig spannenden, rasanten, aufregenden, aber auch harten Thriller vorgelegt. Es ist alles vorhanden, was einen guten Thriller auszeichnet: rasantes Tempo, überzeugende Protagonisten, gut besetzte Nebenfiguren, überraschende Wendungen, unvorhersehbare Entwicklungen und ein ausgezeichnetes Ende. Nicht überhastet, actionreich, schlüssig, wirklich ein guter Abschluß einer rundum gelungenen Geschichte, die allerdings nichts für schwache Nerven ist.
    Die letzten Sätze des Buches geben für mich Anlass zu der Hoffnung, dass es ein Wiedersehen mit Colomba und Dante geben wird, worüber ich mich sehr freuen würde.
    Begeisterte 10 Punkte von mir.


    Und natürlich schreit der Thriller geradezu nach Verfilmung. :-]

  • Als 6 jähriger wurde Dante Torre von einem Unbekannten entführt und verbrachte 11 Jahre in einem Silo, bis ihm die Flucht gelang. Seinen Peiniger musste er „Vater“ nennen. Um Strafen zu entgehen, musste Dante lernen, jede Geste des „Vaters“ richtig zu deuten. Heute kann er deshalb besser als jeder andere die Körpersprache seiner Mitmenschen interpretieren.
    Und nun, Jahre später, wird wieder ein kleiner Junge entführt.
    Colomba Caselli, eine, nach einem schief gelaufenen Einsatz, vom Dienst suspendierte Ermittlerin, wird von ihrem Vorgesetzten gebeten inoffizielle Ermittlungen zu diesem Entführungsfall aufzunehmen und stellt ihr Dante Torre zur Seite.


    Normalerweise habe ich keine Schwierigkeiten mit Thrillern in denen problembeladene, traumatisierte und kaputte Ermittler vorkommen. Hier hat es mich aber doch ziemlich gestört, was wahrscheinlich daran lag, dass wir es direkt mir zwei von dieser Sorte zu tun haben, und dass der Autor es nicht müde wird, dem Leser die psychischen Probleme seiner Protagonisten seitenlang in ständiger Wiederholung aufzudrängen.
    Zum Kennenlernen der Personen kann das ja auch mitunter recht aufschlussreich sein, wenn es nicht so geballt wäre und wenn denn der Kriminalfall um den es eigentlich gehen sollte, spannend wäre – ist er aber nicht.


    So wirklich habe ich auch bis zum Schluss nicht begriffen, was Torre denn nun beruflich macht – ist er ein polizeilicher oder anwaltlicher Berater, ein Privatdetektiv oder ein freier operativer Fallanalytiker?


    Der jetzige Entführungsfall und die Herleitung eines wundersamen Zusammenhangs zu dem viele Jahre zurück liegenden Fall von Dante Torre, war für meinen Geschmack viel zu konstruiert um plausibel zu sein.
    Trotz ihrer Komplexität war die Handlung zäh, einschläfernd, wenig glaubwürdig und plätscherte vor sich hin, bis es dann plötzlich im letzten Drittel zwar spannender, leider aber nicht realistischer wurde.


    Der Epilog endet mit einem Cliffhanger der auf eine Fortsetzung schließen lässt, an der ich allerdings nicht interessiert bin.


    Ach so, etwas positives gab es ja auch – das waren die kurzen Kapitel, der flüssige Schreibstil und die Tatsache, dass der Autor es tatsächlich schafft, seine gesamten Nebenkriegsschauplätze schlussendlich unter einen Hut zu bringen.


    „In der Finsternis“ ist der passende Titel für dieses Buch – in der Finsternis wandelte ich während des Lesens auch – Erleuchtung habe ich leider nicht gefunden.

  • Mit grossen Erwartungen habe ich dieses Buch zur Hand genommen und einiges, aber leider nicht alles, von dem was ich mir von ihm versprochen habe hat es bis zum Schluss eingelöst. Trotz der stattlichen Anzahl von 560 Seiten, die für das Genre der Thriller aussergewöhnlich sind, hatte ich nie das Gefühl, dass man Szenen hätte streichen können. Jede Passage in der Gegenwart, jede Rückblende in die Vergangenheit und jeder Handlungsstrang aus der Sicht der jeweiligen Figur hat seine Berechtigung und trägt zum Gelingen bei. Der Schriftsteller Sandrone Dazieri spielt öfters mit dem Handlungstempo und dem Spannungsbogen. Auf dem Weg zur Auflösung des Falles geht es mal rasant zur Sache und dann gibt es Verschnaufpausen für die Protagonisten und Leser in denen es gemächlicher vorwärts geht. Aber um was geht es in diesem Thriller eigentlich?


    Nicht ganz zufällig werden die beurlaubte Polizistin Colomba Caselli und Dante Torre, selbst ein Opfer eines früheren Entführungsfalls und besonderen Fähigkeiten, an einen Tatort mit einer Toten und einem verschwunden Kind gerufen. Schnell stellt Dante Torre Parallelen zu seiner Vergangenheit her und vermutet, dass sein Entführer erneut in Erscheinung getreten und das Verbrechen begangen hat. Er weiss, was dem gekidnappten Jungen für seelische Qualen bevor stehen. Ein dramatischer Kampf gegen die Zeit und die Geister der Vergangenheit beginnt ...


    So, und nun zu den beiden Protagonisten Colomba Caselli und Dante Torre. Ich getrau mich fast nicht das Folgende zu schreiben weil potentielle Leser wahrscheinlich nach dem nächsten Satz diese Kurzrezi nicht mehr weiterlesen werden. Ich mach es trotzdem ... Beide Hauptfiguren haben Schreckliches erlebt und haben einen psychischen Knacks. So, nun ist es gesagt. Wahrscheinlich gibt es jetzt nicht mehr viele Leser die Interesse an diesem Buch haben. Kann ich verstehen, problembeladene Ermittler sind mittlerweile so abtörnend dass es fast niemand mehr lesen mag. Ich bin aber der Meinung, dass besonders Dante Torre ein interessanter Charakter ist der mit seinen inneren Zwängen und psychischen Macken die Sympathien der Leserschaft gewinnt. Warum der Autor Sandrone Dazieri der Figur Colomba Caselli ums Verrecken auch eine schlimme Vergangenheit mit seelischen Leiden andichten musste ist dann eine andere Sache. Ja ja, das Ereignis, ich verstehe schon aber man hätte es auch anders lösen können. Aber wie die beiden als Duo miteinander umgehen und agieren ist dann wiederum Klasse.


    Nun mein Hauptkritikpunkt: Ich hatte zu keiner Zeit Mühe in die Geschichte reinzufinden und zu verstehen. Aber die Art und Weise wie die Geschichte geschrieben und erzählt ist hat auf emotionaler Ebene immer ein bis zwei handbreit Distanz zu Handlung offen gelassen. Bis auf ein paar Szenen hat mir das fiebrige Leseerlebnis gefehlt das ich bei einem Spannungsroman ganz einfach erwarte. Dieser innere Drang nach dem Kapitel noch ein Kapitel und noch ein Kapitel zu lesen war leider nicht da. Für einen Thriller gewiss kein Kompliment.


    Fazit: Gut aber nicht perfekt. Wertung: 7 Eulenpunkte

  • Zitat

    Original von sapperlot
    Beide Hauptfiguren haben Schreckliches erlebt und haben einen psychischen Knacks. So, nun ist es gesagt. Wahrscheinlich gibt es jetzt nicht mehr viele Leser die Interesse an diesem Buch haben. Kann ich verstehen, problembeladene Ermittler sind mittlerweile so abtörnend dass es fast niemand mehr lesen mag. Ich bin aber der Meinung, dass besonders Dante Torre ein interessanter Charakter ist der mit seinen inneren Zwängen und psychischen Macken die Sympathien der Leserschaft gewinnt. Warum der Autor Sandrone Dazieri der Figur Colomba Caselli ums Verrecken auch eine schlimme Vergangenheit mit seelischen Leiden andichten musste ist dann eine andere Sache. Ja ja, das Ereignis, ich verstehe schon aber man hätte es auch anders lösen können. Aber wie die beiden als Duo miteinander umgehen und agieren ist dann wiederum Klasse.


    :write


    Eine Weile lang konnte man mich mit der großen Katastrophe von Colomba ja noch bei der Stange halten, aber das hätte es für mich nicht gebraucht.


    Die Verwicklungen am Ende des Buchs gefielen mir wieder nicht, eigentlich ab da, wo alles so richtig Fahrt aufnimmt, habe ich etwas die Bodenhaftung beim lesen verloren und bin da ein wenig mit hinweggeflogen, wo mir das Buch vorher noch sehr gut gefallen hat.


    Der Cliffhanger ganz am Ende hat mich eher aufstöhnen als in Begeisterung verfallen lassen, leider. Auch so ist einfach im letzten Drittel schon "zu viel" passiert, das musste für mich nicht auch noch sein, nur, um die Leute für ein mögliches nächstes Buch anzufüttern. Das hätte ich lieber mit etwas mehr Abstand gelesen, nachdem ich die Geschichte ja so erst einmal verarbeiten muss. Da bin ich mir mit mir selbst noch im Unklaren, ob ich da alles, was so geballt am Ende passiert ist, auch für mich als logisch hinnehmen will.


    Den überwiegenden Großteil bis weit über die Mitte des Buchs hinaus fand ichs großartig, aber durch den letzten Teil (abgesehen von so wunderbaren Figuren wie Valle) hat mich der Spannungsaufbau da nicht mitnehmen können...vielleicht musste es mit so einem Showdown enden, und vielleicht ist es sogar gewollt, dass man dann am Ende wirklich überfordert ist von all dem, was Dante passiert ist, aber das macht es mir schwer, das Buch irgendwie in Punkte zu fassen.


    8-9 Punkte würde ich ihm dennoch geben, ich hadere an der Figur des Vaters und ganz sicher am Cliffhanger und andererseits finde ich das Buch in vielen Dingen und Wendungen einfach lesenswert. Auch die Schauplätze wurden lebendig und mir gefielen die Beschreibungen der Gegenden, der Leute...


    9 Punkte.