Rachel Kushner - Flammenwerfer

  • Titel: Flammenwerfer
    OT: The Flamethrowers
    Autorin: Rachel Kushner
    Übersetzt aus dem Englischen von: Bettina Abarbanell
    Verlag: Rowohlt
    Erschienen: März 2015
    Seitenzahl: 560
    ISBN-10: 3498034197
    ISBN-13: 978-3498034191
    Preis: 22.95 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    1975: Die Hobby-Motorradrennfahrerin Reno (so ihr Spitzname, nach ihrem Geburtsort) kommt nach einem Rekordversuch auf den großen Salzseen nach Manhattan, um in die kreativ explodierende Künstlerszene SoHos einzutauchen. In einer Welt, in der die Grenzen zwischen Leben und Kunst verschwimmen, trifft sie auf eine Schar von Träumern, Revoluzzern und Phantasten: Unter ihnen auch Sandro Valera, erfolgreicher Konzeptkünstler und exzentrischer Erbe einer italienischen Reifen- und Motorrad-Dynastie, in den sie sich verliebt. Aber bei einem Besuch bei seiner Familie in deren Sommerresidenz am Comer See gerät sie in den Strudel einer echten Revolte, die sich in Streiks, Straßenkämpfen, Entführung und Mord Bahn bricht ...


    Die Autorin:
    Rachel Kushner, geboren 1968 in Eugene, Oregon, studierte Literatur und kreatives Schreiben in Berkeley und an der Columbia University, und sie arbeitete als Redakteurin in diversen Kunst- und Literaturmagazinen. Sie liebt schnelle Motorräder und Skirennen. Sie lebt in Los Angeles, ist verheiratet und hat einen Sohn.


    Meine Meinung:
    Man warf der Autorin vor, ihr Roman wäre eine „Macho-Erzählung“ - eine Erzählung im Stile des „Pirelli-Kalenders“. Zu diesem Urteil kann eigentlich nur der gelangen, der diesen Roman nicht gelesen hat. Es geht um eine junge Frau, für die das Leben fast so etwas wie ein Kunstwerk ist. Und der Roman macht die Zeit um 1975 bis 77 wieder lebendig, eine Zeit in vieles einfacher, vieles aber auch schwieriger war als jetzt. Einige Kritiker behaupten, Kushner wäre von Don DeLillo beeinflusst; in Ansätzen mag das stimmen – allerdings plustert sie sich nicht so auf wie DeLillo und vernebelt dabei die erzählte Geschichte.
    Rachel Kushner hat ihren Roman vollgefüllt mit interessanten Ideen und Wendungen; trotzdem schafft sie es, ihren Roman nicht zu überfrachten oder gar zu überladen. Sie will vieles – aber glücklicherweise nicht alles auf einmal.
    Es ist lächerlich dieses Buch als einen „Macho-Roman“ zu bezeichnen. Vielmehr sind hier die Männer, auch wenn sie überwiegend das Geschehen bestimmen, in der eher etwas schwächeren Position.
    Dieser Roman von Rachel Kushner ist ein sehr lesenswertes Teil der zeitgenössischen nordamerikanischen Literatur und man merkt endlich, dass es neben Frantzen, DeLillo, Auster, Eggers eben auch noch andere Autoren gibt – wobei bemerkenswert ist, dass hier eine Frau in diese Männerphalanx mit Verve einbricht – und sie steht ihren männlichen Kollegen in nichts nach.
    Ein sehr lesenswerter Roman, ein Roman der einen wieder etwas hoffen lässt, dass gerade die zeitgenössische Literatur doch noch nicht ganz verstaubt und untergegangen ist.
    8 Eulenpunkte für ein wahrlich weit über dem Durchschnitt agierendes Buch.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • "Flammenwerfer" ist eins der Bücher, bei denen es mir schwerfällt, etwas darüber zu sagen. Voltaire hat ja schon sehr schön die Grundstimmung beschrieben. Italien 1977 und die New Yorker Kunstszene zur gleichen Zeit sind die Themen. In Italien ist gerade Revolte und Reno gerät mehr zufällig dort hinein. In New York versucht sie sich als Künstlerin, alle um sie herum machen irgendwie Kunst, diese seltsame Perfomance-Kunst, die mir persönlich so fremd ist. Alles im Leben kann Kunst sein, sogar, das man als Kellnerin arbeiten muss um zu überleben. Man tut einfach so, als wäre man diese Kellnerin, als performe man sie und schon ist es Kunst.


    Besonders hat mir der Schreibstil der Autorin gefallen. Er hat mich bei der Stange gehalten, denn eine klassische Story wird hier nicht erzählt: Ein Mädchen, das den Namen ihrer Geburtsstadt Reno verpasst bekommt, zieht nach New York um Künstlerin zu werden, lernt dort den Sohn eines italienischen Reifen- und Motorradherstellers kennen, der ebenfalls Kunst macht. Mit ihm reist sie nach Italien, weil sie dort Werbung für seine Firma machen soll, verlässt ihn, kommt irgendwie nach Rom und dort in die Revolte und dann ist sie wieder zurück in New York. Das genau wäre die Handlung. Natürlich ist es insgesamt viel mehr, weil das Buch voller Ideen ist und teilweise auch recht durchgeknallt.


    In einem Punkt stimme ich nicht mit Voltaire überein. Ich fand Reno sehr wage und aktionslos. Auf mich machten sie keinen starken sondern eher einen passiven Eindruck. Sie steht im Schatten ihres Freundes, hängt an ihm, schließt die Augen vor seinen Frauengeschichten und biedert sich einen alten One-Night-Stand an, kaum das sie dazu Gelegenheit hat. Sie wirkte auf mich eher wie ein Mädchen, das Zuneigung sucht, einen Partner, der ihr Halt gibt. Sie beschreibt sich auch als einsam, als sie in New York ankommt, und erst ihre Begegnung mit Ronnie, ihrem One-Night-Stand und dann Sandro geben ihrem Leben die Energie, die sie ohne sie nicht gefunden hatte.


    Zwischendurch gab es auch ein paar zähe Passagen, vor allem die, die Sandros Vater in seiner Jugend zeigten und den Weg zu seinem Reifen-Imperium. Da habe ich dann auch schon mal quergelesen, wie er Bäume im Regenwald anzapft um Gummi zu ernten. Insgesamt aber ist "Flammenwerfer" ein interessanter, durchaus reizvolles Buch, das für mich persönlich aber auch schwer zu lesen war. Vielleicht auch, weil mir diese Kunstwelt so völlig fremd ist.


    Von mir 7 Punkte.