'Bis ich dich finde' - Kapitel 08 - 11

  • Alice findet eine Förderin, die sie und Jack gratis bei sich wohnen lässt und sie unterstützt. Von Jack entsteht ein falsches Bild, als er von einem Limousinen-Service in die Schule gefahren wird. „Die Mädchen“ bilden eine wispernde Masse, beinahe bedrohlich. Emma, die sich als Tutorin um Jack kümmern soll, „war 12 und ging stark auf die 18 zu“. Im Vergleich zu ihr wirkt Jack noch viel winziger. Die kleinen Jungen wirken in der Masse der (älteren und körperlich weiter entwickelten) Schülerinnen wie kleine Zootiere. Emma erzählt bei der Aufsicht über den Mittagschlaf Schauergeschichten, die Kleinen bleiben vor Angst wach. Dass sich niemand darum kümmert, was zwischen den Tutorinnen und den jüngeren Schülern abläuft, bringt mich schon wieder auf den Begriff missbräuchlich. Älteren Geschwistern sollte man ja auch mal auf die Finger gucken, wie sie sich gegenüber Jüngeren verhalten, wenn sie sich unbeobachtet fühlen.


    In der zweiten Klasse taucht der erste Mann (außer dem Chauffeur) in Jacks bisher kurzem Leben als Schulkind auf. Mr Malcolm wirkt mehr als sonderbar. Alice hat sich offensichtlich vorher keine Gedanken gemacht, dass ihr Sohn eben kein Mädchen ist, er sich in der Schule unter Jungen und mit männlichen Bezugspersonen normal entwickeln sollte. In der 3. Klasse werden Theaterstücke der 8./9. Klasse aufgeführt. Was soll das denn? Die Szenen erinnern mich an das sonderbare Weihnachtsspiel aus Owen Meany, in dem ein 10-jähriger Junge in die Krippe passte. Die Proportionen zwischen Text und Verständnis von Grundschülern wirken schief. Jack trägt den Text gewohnt zuverlässig vor, auch wenn er ihn nicht versteht. Jack wirkt auf mich wieder wie ein Werkzeug. Kann das Theaterspielen den Grundschülern Freude machen?


    Die Lehrerin Mrs. Wurtz, die Angst vor Dunkelheit und Fledermäusen hat, ist eine Witzfigur. Was für ein Problem mit Frauen hat Irving? Mrs. Wurtz straft nicht selbst, sondern ruft die Frau in Grau zu Hilfe – ihr Verhalten wirkt unfair und feige. Lucinda hat einen epileptischen Anfall und alle stehen blöd rum. Krankheit und Behinderung zur Leserbelustigung einzusetzen, finde ich geschmacklos.


    Alice fürchtet, Jack wird einmal wie sein Vater werden. Auch Emma macht Anspielungen darauf, dass er so ein Casanova werden wird wie sein Vater und alle darauf schon Wetten abgeschlossen hätten. Diese Erwachsenen und älteren Schülerinnen wirken auf mich gemein und unfähig. Muss man einem Kind unbedingt einreden, es würde so wie der Vater? Wenn Alice das wirklich fürchtet, warum lässt sie Jack dann keine Chance, ohne das Bild vom leichtfertigen Vater seinen eigenen Weg einzuschlagen? Will sie etwa, dass Jack ein Abbild des Vaters wird?

  • Diese angeblichen Schauergeschichten und die "Hilfe" der beiden älteren Mädchen sind für mich mehr als grenzwertig. Das ist Missbrauch.
    Ich bin eigentlich nicht empfindlich. Aber das in Verbindung mit Irvings flapsigen Erzählton geht mir zu weit. Das mag ich nicht lesen. Ich werde das Buch jetzt abbrechen.

  • :wow Ich bin hier durch!


    Eine Frage an die, die schon andere Bücher von Irving gelesen haben. Ist es ein eher untypisches Buch von Irving? Denn dieser Missbrauch der in diesem Teil vorkommt gefällt mir gar nicht. Sollte es in den anderen Büchern auch so sein, werde ich keine weiteren Bücher von Irving lesen.


    Jetzt kann ich mir vorstellen, warum ich damals das Buch nicht weitergelesen habe. Ich war damals so um die 15 glaub ich. Nichts für meine schwachen Nerven. Und ich nehme meistens die Sachen viel zu ernst. Aber ich wollte dem ganzen noch eine Chance geben. Deshalb werde ich es auch fertig lesen. Solange es nicht noch unheimlicher wird.


    Wohin diese Geschichte noch hinführt...?


    Worüber ich ja noch lachen konnte war die blind Frau im Rollstuhl von Mr. Malcolm.
    Äääääh ja :pille :lache was für Verhältnisse.
    Also jetzt nicht falsch verstehen. Ich meine nur den Teil, dass Mr. Malcolm sie mit ins Klassenzimmer nimmt und den Unterricht ab und zu stört.

    Sasaornifee :eiskristall

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    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers

  • Zitat

    Original von sasaornifee
    Eine Frage an die, die schon andere Bücher von Irving gelesen haben. Ist es ein eher untypisches Buch von Irving? Denn dieser Missbrauch der in diesem Teil vorkommt gefällt mir gar nicht. Sollte es in den anderen Büchern auch so sein, werde ich keine weiteren Bücher von Irving lesen. ...


    Das kann ich dir nach bisher 3 1/2 Irving-Büchern noch nicht beantworten. Zwischenstand:
    Zirkuskind - fand ich nur sonderbar.
    Gottes Werk und Teufels Beitrag - fand ich vom Thema krass, aber so liebevoll geschrieben, dass es ein Highlight wurde.
    Owen Meany - fand ich mittel und die Leserunde sehr lohnend.
    Bis ich dich finde - bisher sehr sonderbar.

  • Dieser Abschnitt erinnert mich doch sehr an Owen Meany, leider. :-(
    Es wimmelt nur so von merkwürdigen Gestalten, die ganze Schule ist voll damit und was da in einigen Szenen passiert ist auch für mich ganz klar Missbrauch und Irvings flapsige Erzählweise macht das GAnze noch viel krasser.


  • Zirkuskind kenne ich nicht, aber ansonsten kann ich Buchdoktor nur zustimmen.
    Gottes Werk und Teufels Beitrag war ein absolutes Highlight und Owen meany hätte ich ohne die tolle LR wohl nicht zu Ende gelesen.

  • Ich kann euren Eindrücken gar nicht zustimmen.
    Klar führt Irving hier ein Kuriositätenkabinett vor, auf die Figuren wären die Betreiber einer Geisterbahn neidisch.
    Ich kann das Buch sehr distanziert und belustigt lesen. Es ist halt ein Roman und der Autor erlaubt sich, abseits der gewohnten Wege zu schreiben. Auch über Kindesmissbrauch in einer Form, die nicht mitleidheischend ist, sondern rührend und luetsig. So empfinde ich beim Lesen.
    Sicherlich wären die Geschehnisse im echten Leben unerträglich, aber Irving schreibt das so abgehoben, dass es für mich mit der Realität nicht viel zu tun hat. Die kindliche Perspektive ist dabei geschickt gewählt.


    Dieser Teil ist nicht mehr so schwungvoll wie der erste. Ich hätte Alice und Jack noch weiter bei ihren Reisen folgen mögen. Der Schulteil flacht etwas in der Spannung ab, finde ich.


    Wo ist Alice nachts? Hat sie einen Liebhaber? Prostituiert sie sich oder ist es etwas ganz anderes?
    In diesem Abschnitt ist ein Bruch in der Mutter-Kind-Beziehung, mal sehen, ob die beiden sich immer mehr entfremden.


    Emma lebt wahrscheinlich an Jack das aus, was ihr selbst wiederfahren ist. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin