Martin von Arndt: Tage der Nemesis
Ars vivendi 2014. 309 Seiten
ISBN-13: 978-3869134246. 18,90€
Verlagstext
Frühjahr 1921: Im vornehmen Berliner Stadtteil Charlottenburg wird die Leiche des ehemaligen türkischen Staatsführers Talât Pascha gefunden. Kommissar Andreas Eckart erkennt in dem Toten einen der Hauptverantwortlichen für den Völkermord an den Armeniern aus dem Jahr 1915 und kommt rasch einer Terrororganisation auf die Spur, die Rache für die Opfer des Genozids nimmt und die politischen Entscheidungsträger von damals im Visier hat. Als weitere Attentate geschehen,führen die Ermittlungen Eckart bis nach Rom. Doch je weiter der Kommissar mit seinen Recherchen voranschreitet, desto tiefer verstrickt er sich in die politischen Winkelzüge eines zutiefst verfeindeten Europas, das zwischen den Katastrophen zweier Weltkriege steht. Schließlich gerät Eckart selbst ins Fadenkreuz der Attentäter ... Ein atemloser Politthriller um wahre Verbrechen, der die politisch aufgeheizte Atmosphäre der Zwanzigerjahre eindrücklich einfängt.
Der Autor
Martin von Arndt, 1968 als Sohn ungarischer Eltern geboren, lebt als Schriftsteller und Musiker bei Stuttgart und in Essen. Neben CDs sowie Film und Hörspielmusik veröffentlichte er mehrere Romane, Theaterstücke, Lyrik und Sachbücher. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise und Stipendien, darunter das große Landesliteraturstipendium Baden-Württemberg und den Thaddäus-Troll-Preis. 2008 war er Teilnehmer am Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt.
Inhalt
Im winterkalten Berlin des Jahres 1921 wird auf offener Straße Ali Sai Bey erschossen. Der angebliche türkische Händler entpuppt sich als Mehmet Talât, ehemaliger Innenminister und Großwesir des Osmanischen Reiches. Kaum dass die Spurensicherung am Tatort erscheint, mischt sich schon das Auswärtige Amt in den Fall ein; denn der Tote soll verantwortlich für den Völkermord von 1915 an den Armeniern sein. Talât war rechtskräftig verurteilt, aber das Urteil konnte nicht vollstreckt werden. Ein Verdächtiger ist direkt am Tatort verhaftet worden – der Mann hat einen persischen Pass, ist türkischer Staatsangehöriger, aber armenischer Nationalität. Die Aussagen des Verdächtigen stehen in Widerspruch zu der kaltblütigen Hinrichtung Talâts, so dass Ermittler Andreas Eckart sich für die Organisation interessiert, die hinter der Tat stehen könnte. Eckart ist eine interessante Figur, als Kind einer italienischen Mutter in Deutschland stets Außenseiter, ein unzuverlässiges Element, das seine Loyalität erst zu beweisen hat. Eckart, von Beruf Psychoanalytiker, kehrt wie viele Feldchirurgen von den OP-Tischen des Ersten Weltkriegs als Morphiumsüchtiger zurück. Gesundheitlich laviert Eckart an der Grenze zum Zusammenbruch, im Beruf stets in Gefahr als Süchtiger entlarvt zu werden. Der Mordfall Talât bringt Eckart an eine weitere Grenze: auch wenn er mit den Motiven des Täters sympathisiert, kann er als Kriminalbeamter Selbstjustiz nicht billigen. Mit dem Vorsatz, weitere Hinrichtungen zu verhindern, dehnt Eckart seine Dienstvorschriften sehr weit, indem er sich offiziell krankmeldet und inoffiziell Kontakt zur Kripo in Rom sucht. In der Stadt seiner Kindheit kann der Kripobeamte sich auf vertrauten Pfaden bewegen.
Fazit
Martin von Arndt bezeichnet seinen historischen Polit-Krimi selbst als Doku-Fiktion. Er nutzte u. a. historische Prozessunterlagen und die Autobiografie Arshavir Shiragians. Die historischen Personen des Romans sind authentisch, die Ermittler fiktiv. Mit den diversen Identitäten der Figuren und den armenischen Namen ist der Krimi keine einfache Lektüre. Ein Infoteil zu den historischen Ereignissen wäre sinnvoll gewesen. Der Roman hätte ein strafferes Lektorat benötigt. Österreichische/süddeutsche Dialektausdrücke des neutralen Erzählers wirken mitten in Berlin sonderbar, in Dialogen Berliner Bürger haben sie nichts zu suchen. Mich haben, stärker noch als der historische Hintergrund, die Persönlichkeit und die Arbeitsweise des Ermittlers beeindruckt.
7 von 10 Punkten