Taschenbuch: 112 Seiten
Verlag: Steidl
Kurzbeschreibung:
Ein alter Linker denkt neu nach - eine Erzählung von roten Helden und dem harten Pflaster des Sozialismus.
Als vor zwanzig Jahren die DDR unterging, warf Bernhard Kielmann sein Parteibuch in einen Wäschekorb, den der Pförtner der SED-Bezirksleitung bereitgestellt hatte. Doch inzwischen feiert die Nachfolgepartei ungeahnte Triumphe. Zudem läßt den Schriftsteller Kielmann das wundersame Leben des Paul Böttcher nicht los: Der war in Sachsen kommunistischer Minister, spionierte während des Zweiten Weltkriegs in Genf für die Sowjetunion, wurde dafür zu zehn Jahren Gulag verurteilt und später in der DDR mit den höchsten Orden ausgezeichnet.
Was für eine Biographie, verglichen mit dem eigenen, unterm Strich recht kümmerlichen Dasein. Das ist Kielmanns Problem: Wie schreibt heute einer, der selbst feig war, über diesen roten Helden? In exemplarischen Lebensläufen erzählt Erich Loest von 100 Jahren Glanz und Elend des Sozialismus in Deutschland, von ideologischen Ruinen und ungeahnten Auferstehungen.
Über den Autor:
Erich Loest, geboren 1926 in Mittweida, war ein bedeutender Chronist der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert. Zu seinen Büchern gehören die Romane Zwiebelmuster, Froschkonzert, Prozeßkosten, Löwenstadt, der Bestseller in Leipzig. Erich Loest starb am 12. September 2013. Sein letztes Buch, die Erzählung Lieber hundertmal irren erschien erst kurz zuvor, am 4. September.
Mein Eindruck:
Wäschekorb ist ein Spätwerk von Erich Loest. Mit 109 Seiten ist es eine Erzählung, so steht auch auf dem Cover. Für mich trägt es auch Züge einer Novelle, aber über diesen Unterschied können sich Germanistikstudenten streiten.
Vor kurzen habe ich Tagebücher von Erich Loest aus dieser Zeit gelesen und konnte daher feststellen, wie viel ihm Literatur und Schreiben auch im hohen Alter noch bedeutete. Einen umfangreichen Roman traute er sich nicht mehr zu, aber in dieser kurzen Form war er wirklich noch hervorragend.
Der Titel wirkt zunächst komisch, aber er spielt an auf enttäuschte Kommunisten, die ihr Parteibuch in den Wäschekorb werfen.
So ging es dem alten, fiktiven Schriftsteller Kielmann.
Ein Kniff dieser Geschichte ist die Erzählstruktur. Kielmann, ein schon älterer Schriftsteller im Ruhestand, dem es gesundheitlich nicht gut geht, plant doch noch einmal ein Buch zu schreiben, und zwar über die Persönlichkeit Paul Böttcher (1891 - 1975), der Widerständler gegen die Nazis und überzeugter Kommunist war. Außerdem noch Minister, Journalist, Häftling und Spion.
Es gib auch viel Wortwitz, besonders durch Kielmanns Frau Suse transportiert, z.B. durch ausführliche Telefongespräche mit der Tochter. Dabei gibt es auch bissige Seitenhiebe auf die zeitgenössische Politik.
Kernstück der Erzählung sind aber natürlich Kielmanns Gedanken über Paul Böttcher.
So entsteht ein interessantes Portrait.
Für Kielmann bedeutet das Arbeiten an dieser Biografie ein umdenken.
Erich Loest war einmal mehr dem realistischen, biographischen Erzählen verpflichtet.