Der Bund der Gerechten – Felix Riemkasten (ab ca. 11 J.)

  • Der Bund der Gerechten – Felix Riemkasten (ab ca. 11 J.)


    Erstmals erschienen 1935


    Peter hat Pech. Statt nach einem Badenachmittag friedlich nach Hause zu kommen, wird er im Stadtpark von drei Jungen angefallen. Natürlich wehrt er sich kräftig und als dann Nasen bluten, Beulen wachsen und Knochen wehtun, stellt sich heraus, daß die drei ihn verwechselt haben. Eigentlich wollten sie einen anderen verprügeln. Das Recht dazu leiten sie von den alten Femegerichten ab, die einschritten, wenn Schwächere keine Hilfe von staatlicher Justiz erwarten konnten, weil die Starken zu stark waren. Sie nennen sich Bund der Gerechten und ‚helfen‘ Mitschülern, die von anderen bedrängt werden.


    Peter hält sie für ziemlich verrückt, aber nicht viel später braucht er ihre Hilfe. Eine Freundin, Toni, wird von einem älteren Jungen um Geld erpreßt. Da Toni kein Geld hat, nimmt sie es aus der Kasse ihrer Tanten, die einen kleinen Laden führt. Die Tante ist ihre einzige Verwandte, besonders gut geht es Toni nicht bei ihr, die Tante droht unablässig mit dem Erziehungsheim und hat Toni deswegen in schreckliche Angst versetzt.
    Der Bund der Gerechten nimmt sich der Aufgabe sofort an. Die Jungen merken aber rasch, daß sie das überfordert. Treffen in Kapuzenumhängen bei Kerzenschein, Gleichaltrige ohrfeigen oder ausschimpfen ist etwas ganz anderes als gegen einen fast Erwachsenen anzugehen, für den sie einfach lästige Kinder sind. Eigentlich müßten die Eltern helfen, aber die Unternehmungen der Jungen haben in der Zwischenzeit einige Probleme gebracht und die Eltern sehen die Ordnung in einem Maß bedroht, die ihnen nicht mehr erlaubt, auf ihre Kinder zu hören.


    Diese Geschichte erschien bis Anfang der 1970er Jahre, zeitweise war sie auch Schullektüre. Das verwundert ein bißchen angesichts der Tatsache, daß sie von 1935 stammt. Tatsächlich liest sie sich erstaunlich frisch. Kinder in Konfliktsituationen, Eltern, die nicht zuhören, weil Kinder nicht recht haben dürfen, der gute Ruf, die Aufrechterhaltung der Autorität gegen alle Wahrheit, das verstanden junge Leserinnen und Leser auch vor vierzig Jahren noch ganz genau.


    Riemkasten stellt große Fragen, vor allem die nach der Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Daß er seine jugendlichen Helden konsequent mit Selbstjustiz spielen läßt, ist riskant, welche Folgen er sie erleben läßt, auch jetzt noch interessant. Zeitlos ist seine Forderung, daß Erwachsene auf Kinder hören sollen, daß nicht alles falsch ist, nur weil junge Menschen es sagen. Kritik geht an Väter und Mütter gleichermaßen, paternalistisch wirkt nur der Ton hin und wieder, in dem erzählt wird. Das Zusammenwirken der Jugendlichen verdankt Kästner so manches, daß Riemkasten seine Kinderfiguren nicht den damaligen Jugendjargon sprechen läßt, macht die Lektüre seiner Bücher weniger zeitgebunden als die Kästners.


    Spannung gewinnt die Geschichte nicht nur durch die Frage, ob es gelingt, dem erpresserischen Jugendlichen das Handwerk zu legen, sondern durch die sich steigernden Mißverständnisse zwischen den Generationen. Die Kritik, daß Ältere hier vor lauter Selbstgerechtigkeit Unrecht zulassen, ist deutlich. Daß sie am Ende ihre Fehler einsehen müssen, ein wesentlicher Schritt in einem Jugendbuch. Am Ende steht also nicht nur Kinderglück, sondern das Aufeinanderzugehen der Generationen.


    Ein wenig altmodisch, aber wegen der Themen Mobbing, Selbstjustiz und Kinder-Eltern-Konflikt immer noch interessante Lektüre.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus