John Williams - Butcher's Crossing

  • Titel: Butcher's Crossing
    Autor: John Williams
    Übersetzt aus dem Amerikanischen von: Bernhard Robben
    Verlag: DTV
    Erschienen: März 2015
    Seitenzahl: 364
    ISBN-10: 3423280492
    ISBN-13: 978-3423280495
    Preis: 21.90 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Es war um 1870, als Will Andrews der Aussicht auf eine glänzende Karriere und Harvard den Rücken kehrt. Beflügelt von der Naturauffassung Ralph W. Emersons, sucht er im Westen nach einer "ursprünglichen Beziehung zur Natur". In Butcher's Crossing, einem kleinen Städtchen in Kansas, am Rande von Nirgendwo, wimmelt es von rastlosen Männern, die das Abenteuer suchen und schnell verdientes Geld ebenso schnell wieder vergeuden. Einer von ihnen lockt Andrews mit Geschichten von riesigen Büffelherden, die, versteckt in einem entlegenen Tal tief in den Colorado Rockies, nur eingefangen werden müssten: Andrews schließt sich einer Expedition an, mit dem Ziel, die Tiere aufzuspüren. Die Reise ist aufreibend und strapaziös, aber am Ende erreichen die Männer einen Ort von paradiesischer Schönheit. Doch statt von Ehrfurcht werden sie von Gier ergriffen und entfesseln eine Tragödie. Ein Roman darüber, wie man im Leben verliert und was man dabei gewinnt.


    Der Autor:
    John Williams wurde 1922 in Texas geboren. Trotz seiner Begabung brach er sein Studium ab. Widerstrebend beteiligte er sich an den Kriegsvorbereitungen der Amerikaner und wurde Mitglied des Army Air Corps. Während dieser Zeit entstand die Erstfassung seines ersten Romans, der später von einem kleinen Verlag publiziert wurde. Williams erlangte an der University of Denver seinen Master. 1954 kehrte er als Dozent an diese Universität zurück und lehrte dort bis zu seiner Emeritierung 1985. Er veröffentlichte zahlreiche Gedichtbände und Romane.Bernhard Robben, geboren 1955, war nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie als Deutschlehrer in Nordirland tätig.


    Meine Meinung:
    John Williams hat eine Art zu erzählen, die einfach nur faszinierend ist. Wie auch schon in seinem großartigen Roman „Stoner“, so auch in diesem Roman, erzählt er ruhig, lässt sich nicht hetzen – und schafft es trotzdem seine Leser „bei der Stange zu halten“. John Williams zeichnet seine handelnden Personen mit klaren Konturen, gibt ihnen einen ganz speziellen, auf diese Geschichte zugeschnittenen Charakter. Nichts wirkt zufällig. Es ist diese filigrane Sorgfalt, die ein ganz besonderes Plus dieses Buch ausmacht. Auch die Nebenfiguren werden mit derselben Sorgfalt beschrieben. Der Autor ist auch ein Meister der Beschreibung. John Williams malt Bilder mit Worten. Auch hier ist ihm jedes Detail wichtig, ohne das er jedoch detailversessen schreibt. Die handelnden Personen wirken sehr authentisch und kommen ohne die gängigen Klischees aus.
    Wer allerdings „Action“ erwartet, der wird sicher enttäuscht werden.
    Denn darum geht es John Williams offensichtlich nicht. Er will eine Geschichte erzählen, die Geschichte soll auch für sich selbst sprechen – auf irgendwelche künstlichen und aufgesetzten Spannungshilfen ist er nicht angewiesen.
    Dieser Roman beschreibt auch die Wirklichkeit im Amerika der Sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Büffelherden werden gnadenlos ausgelöscht. Es geht um die Felle – es geht um den Profit, Rücksicht auf die Tiere hat da keinen Platz.
    Das Buch beschreibt die Normalität der damaligen Zeit.
    Ein sehr lesenswertes Buch von einem großartigen Autor, der glücklicherweise aus dem Vergessen geholt wurde. 9 Eulenpunkte für ein sehr eindrucksvolles Leseerlebnis.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Vielen Dank für die Rezi. Das Buch steht schon auf meiner Wunschliste, allein das Cover finde ich schon toll. Ich hatte letztens mal wieder "Der mit dem Wolf Tanzt" geschaut und da passt das Buch vielleicht ganz gut zu. Tatanka.

  • Es gibt diese ganz speziellen Bücher, die einem vor Augen führen, wie einfach strukturiert gute Literatur manchmal sein kann. In diesem Fall genügt ein primärer Handlungsstrang der relativ geradeaus erzählt wird und ohne nennenswerten Nebenhandlungen auskommt. Als Kern-Inhalt bloss eine Handvoll Menschen, ein Vorhaben und die ungezähmte Natur. Viel mehr braucht der Schriftsteller John Williams nicht um die Leserschaft an die knapp 360 Seiten zu fesseln. Doch, es braucht etwas ungemein wichtiges, ein untrügliches Gefühl für Sprache und die richtigen Worte für die richtigen Stelle zu finden und passgenau niederzuschreiben. Keine komplizierten Schachtelsätze sondern schlicht aber gescheit, erdverbunden aber poetisch soll es ein damit die Aura der Geschichte nahtlos auf die Leser übergeht. Dann entwickelt sich der leidenschaftlicher Sog den ein gutes Buch einfach haben muss.


    Die Geschichte die im Jahre 1870 spielt enthält vieles was das Leben an Gefühlen für die Menschen bereithält und das auf nicht mal ein Jahr komprimiert. Die Neugierde des Harvard Studenten William Andrews nach dem wahren Leben im Westen der USA, die Bereitschaft ein Abenteuer einzugehen und die Hoffnung die mit diesem Wagnis verbunden ist. Die Ehrfurcht vor der Natur und ihrer gefährlichen Schönheit. Die Angst und der Triumph, die Qual und der Stolz, die Verzweiflung und Melancholie die mit der ungezügelten Grausamkeit des Tötens der riesigen Büffelherden einher geht. Das tagelange häuten, das aufbereiten der Felle, der Gestank der verwesenden Kadaver. In der Folge die Eintönigkeit des graukalten Winters in dem er Zeit hat über sich und seine Taten nachzudenken. William Andrews wird als anderer Mensch zurückkehren als der er war, bevor er zu seiner Reise aufgebrochen ist.


    Bemerkenswert das der Autor John Williams in keiner Art und Weise über seine Protagonisten richtet. Es ist auch nicht an der Leserschaft den moralischen Stab über die Figuren zu brechen. Sie führen das Leben auf das sie sich eingelassen haben oder vom Schicksal dahin geleitet wurden. Man möge bedenken, dass das Leben vor 150 Jahren ungleich härter war als das heutige. Das damals andere Sitten herrschten und die Menschen keinesfalls so empfindlich waren wie wir die in unserem gemütlichen Lesesessel sitzen. Als Leser wird man dennoch gezwungen sich mit einigen Fragen des Lebens auseinander zu setzen. Die Sünde des Tötens von majestätischen Tieren aus kommerziellen Gründen. Der innere Abstumpfung, wenn man unglückselig tagelang inmitten des höllischen Wahnsinns aus Fleisch und Blut watet. Die kalte Gier die einem übermannt wenn man die Natur gnadenlos ausbeutet solange es geht ohne an das morgen zu denken um schlussendlich den Wahnsinn und Sinnlosigkeit des eigenen Tuns zu begreifen. Kurzfazit: Einfache aber gute Literatur. Und vor allem lesenswert. Wertung: Ich schwanke zwischen 8 und 9 Eulenpunkten. :gruebel

  • Der Titel ist Programm


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    Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts frisst sich die so genannte Zivilisation endgültig durch die nordamerikanischen Weiten. Die Eisenbahnschienen erreichen auch entfernte Winkel, und im Gegenzug bleibt, vorsichtig gesagt, einiges an Natur auf der Strecke. Gehörten beispielsweise Bisons vor der Ankunft der Siedler mit geschätzt dreißig Millionen Tieren noch zu einer in den Graslandschaften omnipräsenten Art, befanden sie sich um 1870 herum, zu der Zeit, zu der dieser Roman spielt, kurz vor der Ausrottung.


    Irgendwo in Kansas, im wüstenheißen Nichts, liegt der kleine, schäbige Ort „Butcher’s Crossing“. Es gibt ein staubiges Hotel, das diesen Namen kaum verdient, einen trübseligen Saloon, ein paar Geschäfte, natürlich ein Hurenhaus - und die Station des örtlichen Fellhändlers. Der dreiundzwanzig Jahre alte Will Andrews kommt per Kutsche aus Boston an. Eigentlich hatte der junge Mann eine bürgerliche Karriere vor sich, aber dann ertönte der Ruf der Natur, und er entschied sich, das Land und das Leben auf die harte Tour kennenzulernen. In Butcher’s Crossing begegnet er dem eigenbrötlerischen Büffeljäger Miller, der behauptet, den versteckten Standort einer gewaltigen Herde zu kennen, und als sich Andrews bereiterklärt, die Expedition zu finanzieren, brechen insgesamt vier sehr eigenartige Männer in die Rocky Mountains auf, um im großen Stil Büffelfelle zu erjagen. Nach einer extrem strapaziösen, mehrwöchigen Tour finden sie quasi in letzter Minute das Tal, und dort tatsächlich auch tausende von Bisons, und dann beginnt das große Schlachten.


    Wie sein späterer großer Erfolg „Stoner“, der auch gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts spielt, geht es in „Butcher’s Crossing“ mehr oder weniger um Selbstfindung, wenn auch auf recht rustikale Art, aber im Kern des ungeheuer präzise und detailreich erzählten Romans steht die Auseinandersetzung mit der Natur, wenn man das so nennen will. Sie ist die Quelle für Reichtum, aber sie ist auch der tägliche Feind. Und in diesem Roman wird zwar auch thematisiert, dass ihre totale, vollkommen rücksichtslose, gierige Ausbeutung Konsequenzen hat, aber den handelnden Figuren könnte kein Gedanke fremder sein. Während John Williams eindringlich und akribisch und äußerst anschaulich jeden Handgriff beschreibt, der nötig ist, um tausende friedlicher Tiere niederzumetzeln, ihre Felle abzuziehen und die stinkenden Kadaver in der Sonne verrotten zu lassen, was für die Männer, die dies tun, mit unbeschreiblicher Plackerei verbunden ist, fragt sich keiner der Jäger, wo das alles langfristig hinführen wird. Und wir als Leser wissen es ja bereits.

    Doch „Butcher’s Crossing“ ist ein Umweltschutzroman, keine weinerliche Anklage oder Schuldzuweisung. Tatsächlich ist nicht ganz leicht zu sagen, was das eigentlich für eine Geschichte sein soll. Das liegt auch daran, dass die Hauptfigur Will Andrews und ihre Motivation überwiegend unscharf bleiben, was auch für Andrews‘ Verhältnis zur Sexarbeiterin Francine gilt. Anders gesagt: Die erzählerische Klammer um das Geschehen im Büffeltal will nicht so recht überzeugen, aber der Jagdtrip umso mehr. Der zeigt, mit welcher Selbstverständlichkeit, Skrupellosigkeit, Gewissenhaftigkeit und, ja, auch Selbstaufopferung Menschen um der der eigenen Gier Willen mit der Natur umzugehen bereit sind, und auch wenn wir heute nicht mehr mühsam einzelne Patronen mit Pulver und Kugel bestücken oder monatelang im Schnee ausharren, um den Raub heimzubringen, hat sich unser Verhalten seither kaum geändert - es ist höchstens eleganter geworden: Die kreuzenden Fleischer, das sind wir.